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Aktivierungen für Bettlägerige

35 tolle und praktische Ideen für den "Lebensraum" Bett. Von A wie Aromapflege bis Z wie Zehenmassage

von Gabriele Schweller (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Die Pflege und Betreuung von Bettlägerigen erfordert ein hohes Maß an Wissen, Empathie und Kreativität, um den Betroffenen bestmögliche Unterstützung und Lebensqualität zu bieten. Gerade hinsichtlich kreativer, motivierender Beschäftigungsmöglichkeiten stoßen Pflege- und Betreuungskräfte oft an ihre Grenzen – gilt es doch sinnvolle und individuelle Aktivierungen mit engen Zeitkorridoren und wenig Personalaufwand zu verknüpfen.
Das Buch erweitert den Blickwinkel im Umgang mit
Bettlägerigen und bietet eine Fülle von einfachen, aber
effektiven Maßnahmen. Pflege- und Betreuungskräfte erhalten einen Fundus unterschiedlicher Ideen und Anleitungen für sinnvolle Aktivierungen. Diese können zum Teil sogar in die
grundpflegerische Versorgung integriert werden. Abbildungen
veranschaulichen die vorgestellten Ansätze und Formen – sie können Eins zu Eins übernommen oder an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Wie leitet man in ein Thema ein, das wir Pflege- und Betreuungskräfte zwar kennen und mit dem wir im Beruf täglich konfrontiert sind, uns aber in sei­ner Dimension dennoch oft unvorstellbar ist? Wie kann ich die sogenannte Problematik verdeutlichen und Sie als Lesende für die Sache sensibilisieren und »mitnehmen«?

Ich habe mich entschlossen, diese Fragen weniger mit »harten Fakten«, Zahlen oder wissenschaftlichen Studienergebnissen zu beantworten. Viel­mehr möchte ich Sie, die Lesende dieses Buches, auf einen Ausflug und eine Reise mitnehmen: einen kleinen Ausflug zu drei Seniorinnen, die bereit wa­ren, mir einen Einblick in ihren Lebensraum zu gewähren. Und uns dann gemeinsam auf den Weg zu machen, den »Lebensraum Bett« besser ken­nenzulernen. Bitte folgen Sie mir!

Beispiele Frau Schulte, Frau Bruns und Frau Weller

»Wie geht es Ihnen? Gut! Das ist schön – ich freue mich für Sie. Wie wohnen Sie eigentlich, Frau Schulte? Aha, in einem schönen Haus mit Garten. Und Sie, Frau Bruns, wenn ich fragen darf? Sie wohnen in einer kleinen Stadtwohnung von 65 Quadratmetern mit Loggia. Prima, das hört sich nett an.

Dann wollen wir mal unsere kurzen Rundgänge durch Ihr jeweiliges Zuhause starten, ich bin schon ganz gespannt. Starten wir mit dem Haus von Ihnen, Frau Schulte: Die Einfahrt verspricht einiges – alles wirkt sehr einladend. Die Haustür ebenso ... und diese Garderobe, sehr geschmackvoll. Hier fühlt man sich sicht­lich gut empfangen. Oh, und der offene Wohnbereich ist großzügig gestaltet. Diese hellen ansprechenden Farben und diese Aussicht. Bitte entschuldigen Sie, dass ich jetzt bitte unbedingt den Garten sehen möchte. Diese Aussicht zieht mich magisch an! Sie haben sich hier ja ein kleines Paradies geschaffen. Dieser Teich mit Springbrunnen und der Bachlauf. Und der Kräuter- und Gemüsegar­ten inmitten der herrlichen Blumenpracht. Ja, Sie wohnen hier in einem kleinen Idyll. Darf ich nun die verbleibenden Räumlichkeiten sehen? Das ist Ihr Schlaf­zimmer? Wunderschön. Sehr modern gehalten und doch schon seniorengerecht. Was, Sie haben einen barrierefreien begehbaren Schrank und ein barriere­freies Multifunktionsbad en suite? Da haben Sie wirklich sehr vorausschauend gedacht. Wie viel Wohn- und Gartenfläche stehen Ihnen zur Verfügung? Aha, 120 Quadratmetern Wohnfläche und 300 Quadratmetern Garten. Eine statt­liche Größe – da haben Sie viel Lebensraum zum Entfalten.

Nun freue ich mich aber auf Ihre kleine Stadtwohnung, Frau Bruns. Ach, Ihre Wohnung befindet sich im fünften Stock, und das Haus besitzt einen Aufzug. Das macht vieles leichter, das kann ich nachvollziehen. Wo ist die Tür? Ah, hier, sie ist schlicht aber hübsch mit einer jahreszeitlichen Dekoration und einem handgefertigtem Namenschild versehen. Das macht sie gleich individueller und einladend. Ja, stimmt, Ihre Garderobe ist klein, jedoch sehr stilvoll und sie hat offensichtlich mehr Stauraum als man vermutet. Was verbirgt sich hinter dieser Tür? Das Bad. Die ebenerdige Dusche haben Sie selbst einbauen lassen! Das ist prima und viel bequemer, meine Hochachtung. Der zur Verfügung stehende Raum ist wirklich perfekt genutzt. Wo geht’s hier hin? Ins Schlaf­zimmer … hier haben Sie ausreichend Platz für alles, oder? Und es gibt ein wei­teres Zimmer, das Sie als Büro und Gästezimmer nutzen. Und nun kommt das Highlight: die Wohnküche mit Loggia. Herrlich! Ist das schön gemütlich hier. Was haben Sie einen großartigen Ausblick, da ahne ich doch direkt, welches Ihr Lieblingsplatz ist. Diese schönen Balkonblumen vor diesem Panorama. Ihr Zuhause ist wahrlich ein kleiner Luxus-Lebensraum in luftiger Höhe.

Nun muss ich Sie aber verlassen. Ich begebe mich nun auf die nächste Etap­pe meiner Reise durch Lebensräume. Wohin ich nun gehe? Jetzt besuche ich einen lieben Menschen in einem kleinen und beschaulichen Lebensraum. Er ist 1,9 Quadratmeter groß und die Person, Frau Weller, die sich darin befindet, ist hilfe- und pflegebedürftig und auf ›fremde‹ Personen angewiesen.

Ich freue mich sehr, dass ich auf diesem Ausflug weiter begleitet werde! Meine Begleitung sagt, sie sei neugierig, da sie sich das gar nicht vorstellen könne, nur knapp 2 Quadratmeter als Lebensraum zur Verfügung zu haben … Das konnte sich Frau Weller, die diesen minimalen Lebensraum hat, sicherlich auch nicht vorstellen. Doch nun ist es so, und sie hat nur 1,9 Quadratmeter – ihr Bett, an das sie quasi ›gefesselt‹ ist. Das Bett, das ihre ganze Privatsphäre darstellt und ihre Intimsphäre mehr schlecht als recht schützt. Es ist der Ort, der ihr Zu­hause darstellt und ihr die einzige Rückzugsmöglichkeit bietet, die sie hat. Da bleibt kein Platz für eine gemütliche Einrichtung, für Entfaltungsmöglichkeiten und meistens noch nicht einmal für eine schöne Aussicht ...«

Daher möchte ich Sie einladen, sich mit mir gemeinsam auf die Tour zu be­geben und Möglichkeiten zu schaffen, die den hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Personen den Lebensraum vergrößern. Denn der »Lebens­raum Bett« bedeutet für die Betroffenen auf kleinstem Raum zu leben – nicht selten eingegrenzt von einem »Zaun« (Bettgitter) in unmittelbarer Nähe, über dessen Sinnhaftigkeit man sicherlich unterschiedlicher Mei­nung sein kann. Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie man diesen Mini-Lebensraum abwechslungsreicher und attraktiver gestalten und so­mit »vergrößern« kann – zum Wohle der Betroffenen.

Ehe wir uns jedoch auf dieser Reise weiter fortbewegen, machen wir erst einmal eine kurze Rast im »Gasthaus zur Theorie«. Denn ein kleines biss­chen geistige Nahrung schadet nicht. Schließlich ist es wichtig, dass wir auf unserem Ausflug dieselbe Sprache sprechen und uns so auf gemeinsame Routen und Ziele einigen. Denn was bedeuten Bettlägerigkeit und Immobi­lität im Grunde? Was macht den Lebensraum Bett de facto aus? Diese Fragen klären wir kurz und knapp im Folgekapitel, bevor wir uns im Anschluss daran praktisch mit 1,9 Quadratmeter Lebensraum auseinandersetzen. Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt!

Vorab – in der Einleitung – und im Folgenden tauch(t)en immer wieder Begriffe auf, mit denen die körperlichen Zustände, Befindlichkeiten, Umstände und die Umgebung der Betroffenen beschrieben werden:

Immobilität

Bettlägerigkeit

Lebensraum

Damit wir bei der Verwendung der Begriffe annähernd die gleichen Vorstellungen und Voraussetzungen haben, möchte ich diese kurz erläutern und definieren.

1.1Immobilität

Definition Immobilität

Der Duden definiert die Bedeutung von Immobilität* als »einen Zustand der Unbeweglichkeit«. Das Pflegiothek Fachwörterbuchbuch** sagt: »Unfähigkeit zur Bewegung«.

Fakt ist, dass sich immobile Menschen nicht durch eigene Anstrengungen körperlich bewegen und fortbewegen können – sie sind unbeweglich aus eigenem Antrieb. Die Ausprägungen variieren dabei.

* https://www.duden.de/rechtschreibung/Immobilitaet, abgerufen am 06.11.2019

** Fachwörter in der Pflege für die Aus- und Weiterbildung (2007). Pflegiothek, Cornelsen, Berlin.

Die Immobilität ist die stärkste Form der Bewegungseinschränkung. Sie ist neben der Instabilität, Inkontinenz und dem intellektuellem Abbau eine der bedeutendsten Funktionsstörungen im Alter. Betrachtet man die Immobilität jedoch nur (definitionsgemäß) als eine Einschränkung der körperlichen Bewegungsfähigkeit, ist das sehr einseitig. Denn von Immobilität können ebenfalls kognitive, emotionale als auch soziale Fähigkeiten betroffen sein. Dauerhafte Immobilität führt nicht nur zum Abbau der Muskeln und damit der körperlichen Leistungsfähigkeit, sondern schränkt die Betroffenen massiv in ihrer persönlichen Handlungsfähigkeit und Autonomie ein. Die Folgen sind ein hoher Pflegebedarf und soziale Isolation1.

Entsprechend der Studien nach Frau Prof Dr. Abt-Zegelin2 durchläuft die Immobilität fünf Phasen.

Die fünf Phasen der Immobilität

1. Phase: Die Instabilität tritt hervor.

Eine ältere Person hat eine zunehmende Gangunsicherheit (Ursachen können Arthrosen, Zustand nach Apoplex oder andere Erkrankungen sein). Diese und andere gesundheitlichen Probleme stellen die Person vor eine enorme Herausforderung. Die ältere Person benötigt im Grunde ein Hilfsmittel, beispielsweise einen Gehwagen (im Fachjargon Rollator). Oft steht dieser aber nicht zur Verfügung, weil er noch nicht beantragt oder besorgt wurde. Eine etwaige, zunehmende Blasenschwäche (Inkontinenz) trägt dazu bei, sich bei Toilettengängen unwohl, gehetzt und unsicher zu fühlen. Sehr häufig leiden Frauen am meisten darunter. Sie beginnen weniger zu trinken, damit sie nicht so häufig zur Toilette müssen. Damit schreitet aber ihre körperliche Instabilität voran. Durch weniger Mobilität und körperliche Aktivität sowie zu wenig Flüssigkeitsaufnahme können zudem Kreislaufschwierigkeiten auftreten.

2. Phase: Ein Ereignis findet statt.

Eine ältere, vielleicht sogar schon etwas hilfe- und pflegebedürftige Person erleidet beispielsweise einen Sturz mit und ohne Klinikaufenthalt. Oder sie muss einen Klinikaufenthalt aus anderen Gründen durchleben und ist daher für eine gewisse Zeit eingeschränkt und weniger mobil. Nach diesem Ereignis ist die Person umso mehr auf Hilfsmittel angewiesen, benötigt u. U. einen Rollstuhl.

3. Phase: Eine Immobilität im Raum entwickelt sich.

Die Bewegungseinschränkung erhöht sich. Die Betroffenen verweilen lange an einem Ort. Der Transfer Bett/Rollstuhl wird mühsamer, ist nur noch mit Unterstützung möglich. Dazu kommt, dass der Transfer oft als unsicher erlebt wird: Es wird gezerrt, gehoben und/oder geschoben. Die Betroffenen reagieren mit Vermeidung als Vorsichtsmaßnahme, wollen dieser Unsicherheit »entkommen«. So kann sich ein erhöhtes Liegebedürfnis zeigen, was gelegentlich von einer unzureichend angepassten Möblierung der näheren Umgebung verstärkt wird.

4. Phase: Die Ortsfixierung rückt in den Vordergrund

Ein selbstständiger Ortswechsel ist für die Betroffenen nicht mehr möglich; die Hilfsbedürftigkeit wächst. Dazu gehört oft ein In-Kauf-Nehmen langer Wartezeiten als »Rücksichtnahme« auf andere Pflegebedürftige zum Lebensalltag. Viele hilfe- und pflegebedürftige Personen beginnen so, sich beispielsweise auf dem Sofa »gemütlich einzurichten« und alles in greifbarer Nähe liegen zu haben. Langeweile wird mit einem Nickerchen vertrieben. Die Ruhe- und Schlafphasen nehmen deutlich zu, die Person wieder sichtlich immobiler.

5. Phase: Strikte Bettlägerigkeit tritt ein

Das Bett wird zum zentralen Lebensort. Es wird nicht mehr verlassen – weder zur Grundpflege noch zum Toilettengang oder zum Einnehmen der Mahlzeiten. Damit tritt eine völlige Abhängigkeit von Hilfe ein, zudem wird der weitere Verlust von Privatsphäre offensichtlich.

1.2Bettlägerigkeit

Definition Bettlägerigkeit

Unter Bettlägerigkeit versteht man das Unvermögen, über längere Zeit zu sitzen oder zu stehen. Vor allem ältere, kranke, hilfe- und pflegebedürftige Menschen sind davon betroffen. Bettlägerigkeit beginnt, wenn sich ein Mensch nicht mehr ohne personelle Hilfe von einem Ort zum nächsten bewegen kann.

Bettlägerigkeit ist mit einer maximalen motorischen funktionellen Einschränkung aller körperlichen Gliedmaßen verbunden. Der betroffene Mensch hat aufgrund enormer gesundheitlicher Einschnitte das Unvermögen, einen längeren Zeitraum im Sitzen oder im Stehen zu verbringen.

Bettlägerigkeit ist ein langfristiger Daseinszustand, bei dem sich der Mensch die überwiegende Zeit des Tages und in der Nacht im Bett oder anderen Liegemöbeln aufhält. Hierbei ist es egal, ob man sich liegend, halbsitzend oder aufrecht befindet. Entscheidend ist, dass »die Beine oben« sind.

Diese auf Dauer ausgelegte körperliche Inaktivität wirkt sich unvermeidlich ganzheitlich auf den Körper aus. Es entsteht ein sogenanntes Immobilitätssyndrom. Die Folgen davon können sein:

Obstipationsgefahr (Verstopfungsneigung)

Infektionsgefahr (anfällig für infektiöse Erkrankungen wie grippale Infekte, Harnwegsinfekte etc.)

Thrombosegefahr (Verstopfungsgefahr der Gefäße)

veränderte Atmung (bezogen auf Atemrhythmus, Atemtiefe, Atemfrequenz)

Verwirrtheitszustände (unabhängig von einer demenziellen Erkrankung!)

Körperbildstörungen (Verlust der Körperwahrnehmung, der Körperorientierung, des Körperbewusstseins, des Körperschemas etc.)

Dekubitusgefahr (lokale Hautschädigung aufgrund längerer Druckbelastung, welche die Durchblutung der Haut stört)

Machtlosigkeit (Gefühl der Hilflosigkeit, Verlust von Einflussmöglichkeiten auf eigene Wünsche, Bedürfnisse und Bedarfe)

körperliche, seelische und soziale Beeinträchtigungen, die oft in der Deprivation oder Isolation enden

Dieses »Anderssein« kann zu einer Qual werden – erst verliert die bettlägerige Person ihren sozialen und biografischen Raum. Später schwindet auch noch der Schutz der Privat- und Intimsphäre dahin. Die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person wird unbeabsichtigter Weise auch ihres natürlichen Schamgefühls beraubt. Ganz am Ende der Auswirkungen steht dann nicht selten der Verlust des Lebensmutes der betroffenen Personen.

1.3Lebensraum

Definition Lebensraum

Der Duden definiert Lebensraum als »Raum, Umkreis, in dem sich jemand oder eine Gemeinschaft [frei] bewegen und entfalten kann.«*

* https://www.duden.de/rechtschreibung/Lebensraum, abgerufen am 11.11.2019

Der Lebensraum ist auch abhängig von der Lebenswelt, in der sich eine Person befindet. Diese Anschauung hat ihre Wurzeln im philosophischen sowie soziologischen Bereich. Denn unter Lebenswelt wird ein grundlegendes Gefüge von natürlichen und sozialen Gegebenheiten verstanden, welches uns Menschen so vertraut und selbstverständlich ist, dass wir es kaum mehr wahrnehmen und wertzuschätzen wissen. Die Selbstverständlichkeit der eigenen Lebenswelt zu erahnen ist nur möglich, wenn man in eine Lebenssituation gerät und in neue Lebensumstände stürzt3.

Der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch verspürt das Verändern seiner Lebenswelt, seines Lebensraumes entweder langsam fortschreitend oder – aufgrund eines plötzlich auftretenden schwerwiegenden gesundheitseischränkenden Ereignisses –als rasant einschneidend.

Führt man sich diesen Fakt einmal bildlich vor Augen, ist es umso wichtiger, den Betroffenen ihren verbleibenden Raum so angenehm und so lebenswert wie möglich zu machen – so lautet ja auch die Grundintention dieses Buches. Dazu gehört aber vor aller Aktivierung eine spezielle Zugewandheit! Eine Haltung, die sich in Ihrem Verhalten als pflegende und/oder betreuende Person widerspiegeln muss. Daher erfahren Sie im nächsten Kapitel, auf welche Umgangsformen zu achten sind und was Sie in Ihrer Haltung den Betroffenen gegenüber unbedingt berücksichtigen sollten.

_________________

1Mamerrow R, Schäffler A (2017): Immobilität. Verfügbar unter: https://www.apotheken.de/krankheiten/5811-immobilitaet, abgerufen am 20.04.2019.

2Zegelin A (2013): Festgenagelt sein. Der Prozess des Bettlägerigwerdens. Hogrefe AG, Bern.

3Kesselring A (1996): Einführung: Die Lebenswelt der Patienten In: Kesselring A (Hrsg.): Die Lebenswelt der Patienten, Verlag Hans Huber, Bern

2.1Der kleine Ausflug

So, nach einigen Begriffserläuterungen können Sie mich nun weiter auf Reisen begleiten. An dieser Stelle schlage ich einen Ausflug ins »Ich« vor: Beispielhaft stellen Sie sich vor, dass ich Sie in Ihrem Zuhause besuche. Dabei gehe ich, na ja, etwas »unkonventionell« vor. Doch lassen Sie sich doch einfach mal auf meinen Besuch ein!

Beispiel Mein Besuch bei Ihnen …

erfolgt unangemeldet, natürlich. Er soll doch eine Überraschung sein, obwohl wir uns völlig fremd sind. Okay. Ich steige ins Auto, fahre zu Ihnen und trete, ohne mich vorher anzukündigen, in Ihr Haus / Ihre Wohnung ein. Weder habe ich angeklopft noch geläutet oder mich sonst wie bemerkbar gemacht. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich verfolge sie wortlos und unangekündigt bis in Ihr Badezimmer oder Schlafzimmer. Und ohne Ihre Bitte oder Zustimmung beginne ich, Sie zu berühren, nestele an Ihrer Kleidung herum und fange an, Sie komplett zu entkleiden. Schließlich wische ich Ihnen noch mit einem lauwarmen, nassen Lappen übers Gesicht.

Was Sie jetzt denken, kann ich mir absolut vorstellen. Ja, richtig. Sie sagen sich laut oder in Gedanken: »Die hat sich doch nicht mehr alle!« oder »Das ist ja eine Frechheit!«, »Spinnt die!?«etc. So, und genau diesen Gedanken behalten Sie nun. Prägen Sie ihn sich ganz fest ein!

Fokussieren wir nun wieder die pflegebedürftige und bettlägerige Person und übertragen den Ausflug bei Ihnen auf diesen Menschen: Wie würde es ihm gehen, wenn Sie ohne Vorwarnung sein Zimmer betreten, sich direkt an das Bett stellen, vielleicht noch etwas unsanft dagegen stoßen und der Person einfach mal die Bettdecke wegnehmen, sie ins Gesicht fassen oder andere Dinge tun? Richtig, es ist erschreckend und kann mit meinem Besuch bei Ihnen verglichen werden. So, wie ich Grenzen Ihrer Privatsphäre und Entscheidungshoheit überschritten habe, werden diese nun von Ihnen in Bezug auf die bettlägerige Person übertreten.

2.1.1 Den Besuch ankündigen

Ausnahmslos sollte es daher zum guten Umgang gehören, gewisse Regeln im Umgang mit den Betroffenen einzuhalten. Dazu gehört zuerst, sich bei einer hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person entsprechend anzukündigen. Wie das im Detail aussehen kann, empfehle ich in den folgenden fünf Schritten (image Kasten).

Nachfolgend werden die einzelnen Schritte noch etwas genauer erläutert:

zu 1: Das Anklopfen an der Zimmertür ist mit dem Betätigen der Haustür- bzw. Wohnungsglocke zu vergleichen. Sie sind stets Gast beim Pflegebedürftigen und kündigen sich entsprechend an. Vielleicht kann Ihnen die pflegebedürftige Person ja noch antworten. Dies kann dann mit dem Öffnen der Haus- bzw. Wohnungstür gleichgesetzt werden. Wenn nicht, warten Sie kurz vor der Tür, bevor Sie eintreten.

zu 2: Das Begrüßen sollte beim Eintreten in ein Zimmer eine Selbstverständlichkeit darstellen. Auch dient dieser stimmliche Gruß als Ankündigung. Der Betroffenen kann registrieren: »Es verändert sich etwas. Da ist jetzt ›jemand‹. Es kann etwas auf mich zukommen.«

zu 3: Das Anklopfen am Fußende des Bettes entspricht dem Anklopfen an die Zimmertür vorm Betreten des Raumes. Als Pflege- oder Betreuungskraft sind Sie an dieser Stelle im Begriff, die Privatsphäre der hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person zu »betreten«.

zu 4: Das Begrüßen am Bett mit gedämpfter Stimme dient dazu, den Pflegebedürftigen darauf hinzuweisen, dass Sie sich ihm nähern und er aber keine Angst verspüren soll. Wenn Sie in ein Zimmer eintreten, sagen Sie doch auch »Guten Tag«, oder!?

zu 5: Die Initialberührung ist ein Element aus der Basalen Stimulation® nach Bienstein und Fröhlich4. Sie teilt dem Betroffenen mit »Jetzt bin ich bei dir«. Viele hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Menschen nehmen andere Personen erst wahr, wenn ein sanfter und bewusster Körperkontakt stattgefunden hat.

2.1.2 Die Anrede

Im Bereich der professionellen Pflege erfolgt die Anrede der zu Pflegenden grundsätzlich mit »Sie« und »Herr« oder »Frau«.

In den heute älteren Generationen war und ist das allgemeine Duzen eher nicht gebräuchlich und war nur im Familienkreis oder unter Freunden, Bekannten und vielleicht Kollegen üblich. Daher fassen viele ältere Menschen das unaufgeforderte und unautorisierte Duzen als Beleidigung auf.

Die Kommunikation, egal ob verbal oder nonverbal sollte stets auf Augenhöhe – das heißt in der Erwachsen-Ich-Ebene nach Eric Berne erfolgen. Pflegende haben nicht das Anrecht sich auf die Eltern-Ich-Ebene zu begeben und es ist unprofessionell, sich auf die Kind-Ich-Ebene zu begeben.

Jedoch sind Ausnahmen zu beachten! Bei einem fortgeschrittenen Stadium der Demenz, kann es sein, dass die zu pflegende Person keinen Bezug mehr zu ihrem Familiennamen hat und nur mehr den Rufnamen kennt. Dann ist im Rahmen einer pflegefachlichen Einschätzung festzulegen, ob ausnahmsweise ein Duzen erfolgen soll.

Ein weiterer Aspekt, der zu beachten ist, betrifft die Lautstärke der Stimme. Nur weil eine Person alt, demenziell verändert, bettlägerig oder immobil ist, bedeutet es nicht, dass diese Person schlecht hört. Die Anrede sollte daher immer in einer normalen Lautstärke erfolgen. Ferner sind kindliche Sprache und gebrochenes Deutsch absolute No-Gos und diskriminierend. Sie sind absolut zu vermeiden!

Nachdem Sie nun gut in Kontakt getreten sind, schauen wir, wie sich der Lebensraum Bett praktisch attraktiver gestalten lässt.

_________________

4Bienstein CH, Fröhlich A (2016): Basale Stimulation in der Pflege. 8. A. Hogrefe AG, Bern.

3.1Musik hören

Mögen Sie Musik? Ja?! Das geht nahezu jedem so – doch je nach Geschmack, Stimmungslage, Tagesverfassung, Tageszeit oder der aktuellen Situation bevorzugt man unterschiedliche Musik: Mal muss sie anregen, fetzen und einem förmlich »in die Beine gehen«, mal liebt man eher ruhige Musik und ab und zu lauscht man den Texten besonders intensiv. Von Klassik über Jazz bis hin zu Rock, Schlagern und vielleicht auch Techno – alles ist erlaubt. Auch hilfe- und pflegebedürftige Menschen haben ihre musikalischen Vorlieben.

Lassen Sie uns das Medium Musik nutzen, um den Betroffenen eine Freude zu machen, sie zu aktivieren und den Lebensraum Bett attraktiver zu gestalten. Denn Musik zu hören, kann etwas Experimentelles, Neues sein. Es kann ein Fest sein, Traditionen folgen, den Alltag versüßen, Erinnerungen hervorrufen, zum Träumen verleiten. Musik zu hören sollte auf jeden Fall nicht langweilig sein.

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Tipp

Die Musik zur Aktivierung von Bettlägerigen muss gezielt und über-legt eingesetzt werden. Es genügt keinesfalls, einfach nur das Radio anzustellen und einen möglicherweise passenden Sender zu suchen!

Seine Generation sowie die Herkunft des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen können seine Reaktion auf das Medium (Grammofon, Plattenspieler, Kassettenrecorder, CD-Player, Live-Musik von z. B. Kindern oder Enkelkindern, die ein Instrument spielen) beeinflussen. Überlegen Sie daher im Vorfeld, welches Medium zu der betreffenden Person passt. Klären Sie zudem in Gesprächen oder durch biografische Informationen, welcher Musikstil bevorzugt werden könnte und bereiten Sie sich entsprechend vor.

Material

Musik (entsprechend der Vorlieben des Pflegebedürftigen)

Medium/Gerät (Grammofon, Radio, CD-Player, Plattenspieler, Kassettenrecorder etc.)

bei Live-Musik: Musiker, Instrumente

Bereiten Sie den Raum und auch den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen vor. Es ist sinnvoll, dass der hilfe- und pflegebedürftige Mensch während dieser Aktivierungsmaßnahme den Blick in Ihre Richtung hat. Weiterhin sollten alle möglichen Störfaktoren beseitigt werden. Nur die Musik und der zu Pflegende bilden in den kommenden Minuten den Mittelpunkt.

Musik wird also gezielt eingesetzt um den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen für kurze Zeit bewusst aus seinem »Gedankenloch« herauszuholen, sein Gehör sowie Emotionen anzuregen – eine Reaktion bei ihm hervorzurufen. Die Reaktion kann und darf sich auf alle möglichen Ebenen abspielen: von Trauer über Wut bis zu Angst oder natürlich Freude. Als Pflege- und Betreuungskraft müssen Sie allerdings in unmittelbarer Nähe bleiben. Zum einen, um die Reaktion zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Also, um zu trösten, zu beruhigen, sich mit zu freuen, zu lachen etc. Zum anderen sollten Sie zur Stelle sein, um die Aktivierungsmaßnahme zu pausieren oder ganz abzubrechen, sollte dies erforderlich sein.

3.1.1 Musik aus der »Box«

Der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch wird in eine für ihn angemessene und bequeme Position gebracht. Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Brille werden entsprechend angebracht.

Material

Musik (entsprechend der Vorlieben des Pflegebedürftigen)

Medium/Gerät (Grammophon, Radio, CD-Player, Plattenspieler, Kassettenrecorder etc.)

Durchführung

Beginnen Sie mit der musikalischen Unterhaltung. Egal, welches Medium Sie benutzen – wählen Sie es gezielt aus. Es kann die »abgespielte« Musik beeinflussen und somit auch die Reaktion. Es macht einen Unterschied, einen »alten« Kassettenrecorder aufzustellen, der an sich schon Reaktionen beim Betroffenen auslöst und für einen Gesprächseinstieg sorgen kann, oder ob die Musik aus einem digitalen Abspielgerät via Bluetooth kommt. Dieses kennen viele Betroffene nicht und folglich kann von ihnen häufig nicht eingeordnet werden, woher die Musik kommt. Das kann wiederum zu Verunsicherung führen, die ja unbedingt zu vermeiden ist.

Zu Beginn sollte die abgespielte Musik noch relativ leise sein. Das »Leise«, die Lautstärke, orientiert sich dabei am Gehör des zu pflegenden Menschen, nicht an uns selbst! Sie orientiert sich auch nicht am Musikstil. Es soll Neugierde geweckt werden und eine Vorbereitung sein auf das, was in der nachfolgenden Zeit in unmittelbarer Nähe des Betroffenen passiert. Die Lautstärke nimmt dann Stück für Stück zu, bis hin zur Zimmerlautstärke.

Im Konkreten heißt das: Stellen Sie das gewählte Gerät auf einen in der Nähe des Bettes stehenden Tisch, legen Sie den Musikträger ein, kontrollieren die Lautstärke und starten die Musik. Den hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Menschen behalten Sie im Auge. Sie beobachten seine Reaktionen. Die Aktivierung sollte sich zeitlich am Allgemeinzustand des zu aktivierenden Menschen orientieren und den maximalen Zeitrahmen von 60 Minuten nicht überschreiten. Generell wirkt sich Musik auf die kognitive Aufmerksamkeit und auf die Stimmungslage der Betroffenen aus.

Eine Nachsorge bzw. Nachbetreuung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen gilt als selbstverständlich. Entsprechend der Reaktionen wird auf ihn eingegangen.

3.1.2 Live-Musik

Live-Musik am Bett des Betroffenen stellt auch eine Möglichkeit der Aktivierung dar. Oft ist das gar nicht so aufwendig zu realisieren wie man vielleicht meint. Fragen Sie doch mal Angehörige der zu Pflegenden oder Mitarbeiter Ihrer Einrichtung, ob sie Instrumente spielen oder singen. Vielleicht lässt sich so das eine oder andere Live-Konzert organisieren.

Personal/Material

Musiker

Instrumente

Durchführung

Zu Beginn wird das Pflegebett auf eine angemessene Höhe gebracht. Der hilfe- und pflegebedürftige Mensch wird in Rückenlage und Oberkörperhoch (ca. 75–80°) positioniert. Hilfsmittel wie Brille oder Hörgeräte werden entsprechend angebracht.

Der/die Musiker stellt/en sich in Nähe des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen in dessen Sichtweite. Idealerweise sollten sich die Musiker kurz mit Namen vorstellen und sagen, welches Instrument sie spielen.

Dann beginnen sie zu spielen. Und ganz gleich, welches Instrument gespielt wird, beginnt die Maßnahme so leise und sanft wie möglich. Unabhängig vom Musikstil wird auch hier die Lautstärke langsam, aber stetig erhöht. Die Zimmerlautstärke ist immer der höchste Pegel. Die Reaktion des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen ist ausschlaggebend dafür, wie lange die Livemusik andauert. Auch hier gilt es, den Zeitrahmen von 60 Minuten nicht zu überschreiten.

So wie die Musik aus der Box wirkt sich auch Live-Musik förderlich auf die Stimmung und die Kognition des Betroffenen aus.

Eine Nachsorge bzw. Nachbetreuung des zu pflegenden Menschen gilt als selbstverständlich. Entsprechend der Reaktionen wird auf ihn eingegangen.

3.1.3 Tanzen im Bett

Das Tanzen im Bett ist für zu Pflegende geeignet, die Lust dazu verspüren und deren Grunderkrankungen nicht gegen diese Art der Bewegung und Mobilisation sprechen. Demzufolge ist immer genau abzuklären, ob sich diese Maßnahme individuell eignet oder auch nicht.

Beim Tanzen im Bett ist es eine Grundvoraussetzung, dass noch etwas Beweglichkeit vorhanden ist und etwaige Gelenksversteifungen (Kontrakturen) nicht zu sehr ausgeprägt sind. Grundsätzlich darf das Tanzen weder Schmerzen noch gesundheitliche Folgen mit sich bringen!

Material

Musik (entsprechend der Vorlieben des Pflegebedürftigen)

Medium/Gerät (Grammophon, Radio, CD-Player, Plattenspieler, Kassettenrecorder etc.)

feste Schuhe (Ballerina, Halbschuhe, Schnürschuhe o. Ä.)

Tageskleidung/tanztaugliche bequeme Kleidung

Discolicht/Discokugel (z. B. Lavalampe, 4-Farben-Lampe, Feinfaserleuchte etc.)

Durchführung

Der Pflegebedürftige bekommt tanztaugliche, bequeme Kleidung und feste Schuhe angezogen. Stellen Sie das Pflegebett auf Ihre Hüfthöhe ein und positionieren Sie den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen in Rückenlage in der Mitte des Bettes. Alle Dinge wie Kissen, Bettdecke, Lagerungsmaterial etc. werden aus dem Bett entfernt. Ein kleines Kissen (40 × 40 cm) wird unter den Kopf des Betroffenen gelegt, alternativ kann auch ein Nackenhörnchen benutzt werden. Das Bettgitter (falls vorhanden) wird auf beiden Seiten des Bettes entfernt. Stellen Sie das Gerät mit der gewählten Musik in der Nähe des Pflegebettes auf. Der Raum wird etwas abgedunkelt und das farbige »Discolicht« angebracht. Falls vorhanden und gewünscht, kann eine Discokugel über dem Pflegebett (oder in der Nähe davon) aufgehängt werden. Die Musik wird eingeschaltet und je nach Musikstil wird nun getanzt: Halten Sie die Beine des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen an den Fesseln und bewegen Sie seine Beine im Takt der Musik – die Beine müssen dabei von Ihnen sicher geführt werden. Es dürfen keine ungewollten Bewegungen entstehen. Ggf. halten Sie sie an den Waden fest. Ob Walzer, Foxtrott, Disco-Fox etc. – ganz nach Belieben des Betroffenen und passend zur Musik. Heben Sie das rechte Bein leicht an und dann das linke Bein, entsprechend dem Takt des gespielten Liedes. Achten Sie darauf, dass der Tanz weder Unsicherheit oder Schmerzen verursacht noch zu anstrengend für den Betroffenen ist.

Sie können die Beine auch im Takt abklopfen. Von der Fessel zum Oberschenkel und wieder zurück. Erst das eine und dann das andere Bein. Die Beine dürfen – nach vorheriger Absprache mit dem Pflegebedürftigen – auch ausgeschüttelt oder in kleinen bzw. großen Kreise geführt werden.

Stellen Sie, wenn möglich, die Beine des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen auf. Fassen Sie ihn am Unterschenkel knapp unter der Kniekehle an und winkeln das Bein an. Lassen Sie ihn die Zehenspitzen, die Fersen und die ganze Fußsohle spüren: Spitze – Hacke – Fuß. Entweder kann das der pflegebedürftige Mensch selbst oder Sie unterstützen ihn dabei. Taktgeber hierfür ist natürlich die Musik.

Zum Tanzen bewegen sich nicht nur die Beine. Zum Tanzen werden auch die Arme benötigt. Nehmen Sie das Handgelenk und falls erforderlich zur Unterstützung auch den Ellenbogen des rechten und anschließen des linken Armes in ihre Hand und bewegen Sie beide im Takt des Liedes. Die Arme dürfen, um eine Abwechslung zu haben, auch mal kleine Kreise formen, ausgeschüttelt werden oder im Takt der Musik winken.

Es sollte darauf geachtet werden, dass alle Extremitäten in das Tanzen einbezogen werden.

Der ganze Körper bewegt sich beim Tanzen. Demzufolge auch der Kopf. Dieser ist ganz vorsichtig entsprechend der vorhandenen Möglichkeiten in das Tanzgeschehen mit einzubeziehen. Ein leichtes Nicken (»Ja-Sagen«) oder Drehen (»Nein-Sagen«) kann im Takt erfolgen.

Tanzen im Bett ist gut für die Stimmung, das Herz- Kreislaufsystem, die Durchblutung, die Atmung, die Beweglichkeit der Gelenke und sorgt für Abwechslung und Spaß.

Nach Abschluss der Aktivierungsmaßnahme wird der hilfe- und pflegebedürftige Mensch wieder in eine für ihn angenehme Position gebracht. Eine Nachsorge bzw. Nachbetreuung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen gilt als selbstverständlich. Entsprechend der Reaktionen wird situationsgerecht auf ihn eingegangen.

3.2Aromapflege

»Dieser Duft erinnert mich an ...!« Wer von uns kennt das nicht: Angenehm riechende Menschen oder Räume versetzen einen relativ schnell an Orte, Situationen und Begebenheiten, die wir mit dem wahrgenommenen Duft in Verbindung bringen. Lieben Sie es beispielsweise auch, wenn es im Sommer nach Rosen und Lavendel oder der Herbst nach feuchtem Laub riecht und im Winter, in der Adventszeit, das Haus nach frischem Backwerk duftet. Sehen Sie, schon sind wir gedanklich an dem Ort und in der Zeit, die wir mit den Gerüchen verbinden. Und das allein beim Gedanken daran!

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Abb. 1: Aromaöle können für Wohlbefinden sorgen.

Selbstverständlich gilt das auch im Gegenteil: Gerüche, die wir als unangenehm empfinden, können durchaus negative Erinnerungen hervorrufen – auch, wenn der Geruch ansonsten eher als wohlriechend gilt! Das ist insofern wichtig, als dass wir nicht immer genau wissen, was die zu pflegende Person für Erfahrungen und daraus entstandene Vorlieben oder Abneigungen hat.

Bei der Aromapflege geht es darum, Wohlbefinden und/oder Aktivität beim Pflegebedürftigen zu fördern. Und Wohlgefühl kann schon durch Einsatz von Düften wie Parfüm oder Eau de Toilette hervorgerufen werden. Ebenfalls können parfümierte Hautpflegeprodukte das Wohlbefinden fördern. Bei der Körperpflege können ätherischen Öle als Wasch- oder Badezusatz verwendet werden. Aromapflege kann problemlos in den normalen (Pflege)Alltag integriert werden.

3.2.1 Arbeit mit Duftölen

Die Arbeit mit Düften als Raumbeduftung ist sehr verbreitet und bekannt. Sie kann schnell vorbereitet werden und ist einfach zu handhaben.

Material:

Aromalampe, Duftstövchen, Duftbrunnen oder eine Schüssel mit warmem Wasser

verschiedene ätherische, biologische Öle aus der Apotheke

Tab. 1: Düfte und ihre Wirkungen, eigene Zusammenstellung, orientiert an Primavera®*

Wirkung Duft/Duftmischung (beispielhaft)
stimmungshebend Oregano, rote Mandarine
befreiend Citronella, Grapefruit-Salbei
inspirierend türkische Rose, Thymian, Sandelholz
meditativ Ylang-Ylang, Muskatellersalbei
entspannend Lavendel, Kiefernadel
beruhigend Majoran, Magnolienblüte
erfrischend Zirbelkiefer, Patchouli
wärmend Ingwer, Nelke
an Frühling erinnernd Jasmin, Orange
an Sommer erinnernd Pfefferminze, Zitronengras
an Herbst erinnernd Bergamotte, Kamille
an Winter erinnernd Vanille, Zimt, Kardamom

* https://www.primaveralife.com/shop/aetherische-oele, abgerufen am 13.06.2019

Die Aromapflege muss stets mit Bedacht zur Anwendung kommen. Eine permanente »Beduftung« ist kontraproduktiv. Ein »gewohnheitsmäßiges« Versprühen von Raumsprays oder das permanente Aufstellen von Raumbeduftern zählt nicht zur Aromapflege. Die Aromapflege orientiert sich vielmehr an der Stimmungslage des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen.

Bevor mit der zeitlich begrenzten Raumbeduftung begonnen wird, sollte der Raum gelüftet werden – und zehn Minuten von Frischluft durchflutet sein. Dabei – je nach Außentemperatur – den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen zudecken und ggf. vor Kälte schützen. Auch im Sommer kann eine hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person Frischluft als kalt empfinden, da sie in der Regel keine Eigenbewegung mehr hat, die Muskeln sind nicht mehr in Aktion, die Durchblutung etwas schwacher. Somit ist auch der Wärmehaushalt nicht voll aktiv, die Menschen frieren schneller.

Das Fenster sollte nach der Frischluftzufuhr geschlossen werden. Positionieren Sie die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person bequem.

Das ausgewählte Medium (Aromalampe, Duftstövchen, Duftbrunnen, Schüssel mit warmem Wasser) wird im Raum, etwas abseits vom Pflegebett aufgestellt. Das ausgewählte Duftöl wird entsprechend der Herstellerangaben (in der Regel 3–5 Tropfen) hinzugefügt.

Sie müssen nicht die komplette Zeit der Raumbeduftung beim hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Menschen verbringen. Jedoch empfiehlt es sich, wenn sich die ersten Duftströme im Raum ausbreiten, die Reaktionen der hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person zu beobachten, um festzustellen, ob die Maßnahme weitergeführt werden kann oder nicht.

Die Aktivierungsmaßnahme sollte ohne weitere Sinnesanregungen stattfinden. Hier wird der Geruchssinn aktiviert. Für Personen in einem weiter fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann diese Kleinigkeit bereits zu einer Anstrengung führen. Stellen Sie sich vor, Sie sind die Person in diesem Bett. Ihr Angehöriger oder eine Pflege- oder Betreuungskraft ist sehr motiviert und möchte nur das Beste für Sie und beduftet den Raum. Im Hintergrund läuft Musik, das Fenster ist geöffnet, dadurch hören Sie die Vögel zwitschern und Autos hin- und herfahren. Die Sonne strahlt in das Zimmer. – Für gesunde Menschen ist es in Ordnung, wenn mehrere Sinne gleichzeitig beansprucht werden. Sie sind das aus ihrem Alltag gewohnt, es ist für sie normal. In diesem kleinen Beispiel werden parallel vier Sinne angesprochen: Riechen – Hören – Sehen und Fühlen. Ja fühlen. Sonne wird nicht nur gesehen, die Wärme wird auch gefühlt. Für eine hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen ist das jedoch viel zu viel.

Also, sprechen Sie bitte nur den einen Sinn, den Geruchssinn, gezielt an. Beobachten Sie die Reaktionen und reagieren zeitnah darauf. Das bedeutet: Entweder wird die Maßnahme so wie begonnen weitergeführt oder alsbald abgebrochen. Auslöser zum Abbruch der Aktivierungsmaßnahme können sein, dass der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch, eine unerwartete nicht kompatible Stimmungsveränderung aufweist oder sich eventuell unerwünschte Nebenwirkungen zeigen (Juckreiz, Husten, Atemschwierigkeiten etc.).

Wenn die Aktivierungsmaßnahme all Ihren Vorstellungen entsprechend verläuft, ist sie nach maximal einer Stunde zu beenden. Beenden bedeutet, dass das ausgewählte Medium (Aromalampe, Duftstövchen, Duftbrunnen, Schüssel mit warmem Wasser) mit dem ausgewählten Duftöl aus dem Raum entfernt und das Fenster geöffnet wird, um den Raum für zehn Minuten mit Frischluft zu lüften. Dabei je nach Außentemperatur den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen zudecken und ggf. vor Kälte schützen.

Der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch kam nun für etwa 60 Minuten in den Genuss einer Duftanwendung. Alle weiteren Handlungen an und um die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person sollten nun überlegt durchgeführt werden. Denn Sie wollten mit dieser Maßnahme sicherlich etwas erreichen: Vielleicht sollte sich die Person entspannen. Vielleicht war das Ziel aber, den Pflegebedürftigen zu aktivieren. Der Grund, weshalb Sie diese Aktivierungsmaßnahme gewählt haben, sollte auch im Nachgang noch Berücksichtigung finden.

Das bedeutet, die Nachsorge bzw. Nachbetreuung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen gilt als selbstverständlich. Entsprechend der Reaktionen wird situationsgerecht auf ihn eingegangen. Dazu gehört mitunter das Anbieten eines Getränkes oder eines kleinen Imbiss. Vielleicht benötigt der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch jedoch gerade jetzt eine grundpflegerische Versorgung in Form eines Frischmachens, einer Intimpflege, eines Kleidungswechsel etc. Es kann auch bedeuten, dass die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person jetzt nur Ruhe, Schlaf und das Alleinsein benötigt.

3.2.2 Aromapflege bei der Körperpflege

Kennen Sie das auch, das Wohlgefühl, wenn man aus der Dusche oder Badewanne entsteigt und frisch duftet? Ein herrlich angenehmes Gefühl, man fühlt sich in der Regel wohl.

Wie können wir dem hilfe-, pflegebedürftigen und bettlägerigen Menschen dieses Gefühl zuteilwerden lassen? Vor allem, wo dieser Mensch meist körperlich so sehr geschwächt ist, dass ein Dusch- oder Wannenbad ihn körperlich viel zu sehr anstrengen und den Kreislauf überlasten würde … Dieser Gefahr darf er nicht ausgesetzt werden.

Orientieren wir uns an der »Dufttabelle« (image Tab. 1, S. 31). Die dort aufgeführten Duftöle können nicht nur zur Raumbeduftung genutzt werden, sondern insbesondere auch bei der Körperpflege zum Einsatz kommen.

Nehmen wir uns ein Beispiel an den alten Ägypterinnen, Römerinnen oder Griechinnen. Sie wussten, wie Sie Ihre Körper zu pflegen hatten, um die Haut geschmeidig zu halten. Ganz besonders Kleopatra wusste es wohl, wenn man den Überlieferungen glaubt.

Auf Kleopatra bezieht sich daher das »Grundrezept« unseres Aromabades. Ich habe es auf eine Wassermenge von etwa 5 Litern ausgelegt.

Material »Kleopatra-Bad«

1 Waschschüssel

5 Liter Wasser – lauwarm ca. 37,5–38,0° C

2 Esslöffel Olivenöl

1 Esslöffel Sahne

3–5 Tropfen Rosenduftöl

Waschlappen, Handtuch/Duschtusch

image

Tipp

Entsprechend der tabellarischen Auflistung (image Tab. 1) kann das »Kleopatra-Bad« den individuellen Bedürfnissen entsprechend angepasst werden. Tauschen sie dafür das Rosenduftöl gegen ein anderes Öl aus, das den Vorlieben und Wünschen der betreffenden Person mehr entgegenkommt.

Durchführung

Das Wasser in die Waschschüssel geben. Alle weiteren »Zutaten« nacheinander dazu geben und gut mit dem Wasser vermischen.

Tauchen Sie den Waschlappen ein in die vorbereitete Waschemulsion. Waschen Sie die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person entsprechend ihrer Wünsche und Bedürfnisse. Achten Sie bitte darauf, dass Sie Ihre Waschzüge bewusst und langsam durchführen.

Das Abtrocknen ist kein »Trockenrubbeln«, sondern vielmehr ein Trockentupfen oder Trockenstreichen. Bedenken Sie bitte, wenn Sie die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person mit dem »Kleopatra-Bad« waschen, ist ein Eincremen danach nicht mehr erforderlich. Eine natürliche Rückfettung findet aufgrund der verwendeten reichhaltigen Waschemulsion statt.

Beobachten Sie während der gesamten Maßnahme die Reaktionen der zu versorgenden Person. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie den pflegebedürftigen Menschen stets über ihre einzelnen Schritte, die Sie durchführen wollen, informieren!

Nach der aromatisierten Körperpflege sollten alle weiteren Handlungen an und um die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person überlegt durchgeführt werden. Denn Sie wollten mit dieser Maßnahme etwas erreichen: Vielleicht war es Ihrerseits angedacht, dass sie zur inneren Wärme kommt, da sie vorab gefroren hatte. Vielleicht war das Ziel dem Pflegebedürftigen Kühlung zu verschaffen oder den Kreislauf anzuregen? Den Grund, weshalb Sie diese Maßnahme gewählt haben, sollte auch im Nachgang unbedingt berücksichtigt werden.

Das bedeutet, dass die Nachsorge bzw. Nachbetreuung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen als selbstverständlich gilt. Entsprechend der Reaktionen wird situationsgerecht auf ihn eingegangen. Dazu gehört mitunter das Anbieten eines Getränkes oder eines kleinen Imbiss. Eventuell benötigt die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person eine leichte Decke, da nun viel Wärme durch ihren Körper strömt oder vielleicht benötigt der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch gerade jetzt nur Ruhe, Schlaf und das Alleinsein.

3.2.3 Aromapflege bei der Hautpflege

Eine gepflegte und geschmeidige Haut, die gut duftet und sich weich anfühlt, trägt viel zum eigenen Wohlbefinden bei. Ganz besonders an Tagen, an denen man sich aus anderen Gründen vielleicht nicht so besonders fühlt.

Neben der Aromapflege bei der Körperpflege besteht daher auch die Möglichkeit, Aromapflege bei der Hautpflege einzusetzen – um den pflegebedürftigen Personen ein angenehmes Hautgefühl zu verschaffen. Denn, wer »sich wohl in der eigenen Haut fühlt«, hat ein »Schutzschild« und ist durch andere Belastungen möglicherweise nicht so schnell angreifbar. Vielleicht soll sich der betroffene Mensch auch einfach nur entspannen, da er zuvor sehr angespannt oder verspannt war. Möglicherweise wollen Sie die Stimmung des Pflegebedürftigen mit einer nach roter Mandarine duftenden Körperlotion etwas anheben? Der Grund weshalb Sie diese Maßnahme wählen, sollte sowohl in der Auswahl des Produkts als auch später im Nachgang berücksichtigt werden.

Zum Einsatz sollte die aromatische Hautpflege nach der Grundreinigung kommen, wenn die Haut sauber und aufnahmebereit für Pflegeprodukte ist. Aber auch eine Anwendung ohne Grundreinigung ist möglich und nicht ungewöhnlich. Befreien Sie dafür nur die Körperstellen, die Sie mit einem aromatisierten Hautpflegeprodukt versorgen möchten, von den Kleidungsstücken.

Es gibt unendlich viele Pflegeprodukte mit angenehmen Düften. Wählen Sie ein Produkt aus, von dem Sie denken, dass die pflegebedürftige, bettlägerige Person diesen Geruch als angenehm empfinden wird. Wie schon bei der Körperpflege, kann die Übersicht (image Tab. 1) als Orientierungshilfe dienen.

Wichtig Beachten Sie!

Bitte bedenken Sie bei der Auswahl der Pflegeprodukte auch die Hautbeschaffenheit und etwaige Allergien des zu Pflegenden und passen Sie Ihre Auswahl entsprechend an.

Material

duftende Körperlotion/-creme oder ein Körperöl oder

neutral riechende Produkte, die mit einem Aromaöl versetzt werden können.

ggf. Aromaöl

Durchführung

Egal, ob Sie den Körper komplett eincremen oder nur Teilbereiche: Wärmen Sie die Körpercreme oder Bodylotion an, bevor Sie sie auftragen. Geben Sie dafür das gewünschte Produkt in Ihre gesäuberte und desinfizierte Handfläche und verreiben es ganz leicht, bevor Sie es der hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person auftragen. Nun massieren Sie die Körperlotion mit bewussten Berührungen und langsamen Bewegungen ganz ein und beobachten dabei die Reaktionen der zu versorgenden Person. Wichtig ist in jedem Falle, dass Sie den Betroffenen stets über ihre einzelnen Schritte, die Sie vorhaben und durchführen wollen, informieren!

Der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch kommt so für etwa zehn Minuten in den Genuss einer aromatisierten Hautpflege. Alle weiteren Handlungen an und um den hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Menschen sollten ebenfalls überlegt durchgeführt werden. Das bedeutet, die Nachsorge bzw. Nachbetreuung des Pflegebedürftigen gilt als selbstverständlich. Entsprechend der Reaktionen wird situationsgerecht auf ihn eingegangen. Dazu gehört mitunter das Anbieten eines Getränks oder eines kleinen Imbiss. Eventuell benötigt die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person Zuwendung und Ansprache oder nur Ruhe, Schlaf und das Alleinsein. Egal, was ihr Bedürfnis ist, es sollte Beachtung finden!

3.2.4 Aromapflege mit verschiedenen Materialien

Aromapflege mit den verschiedensten Gegenständen und Gerüchen kann der hilfe- und pflegebedürftigen Person als Unterstützung dienen. Sehr häufig kommt es vor, dass diese Person an zunehmender Orientierungsschwäche leidet. Aromatische Düfte können zu einer besseren Orientierung beitragen, Erinnerungen hervorholen und Stimmungen verändern.

Material (Beispiele)

Heu

Blumen

Parfüm, Eau de Toilette

Rasierwasser, Rasierschaum

Mottenkugeln

Duftseifen

Gegenständen und Materialien jeglicher Art, die im biografischen Bezug zur hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person stehen (Beruf, Hobby), z. B.

Motoröl (Mechaniker)

Desinfektionsmittel (Ärztin)

Farben (Maler) (bitte auf Ungiftigkeit achten!)

frisches Gras (Gärtnerin)

usw.

Durchführung

Woran erinnern etwa Blumen? Blumen duften in unterschiedlichster Art und Weise. Nehmen Sie z. B. eine Rose, die frisch duftet und den ganz besonderen Rosenduft verströmt. Mich persönlich erinnert er immer an meinen großen Rosenbusch gleich an der Eingangspforte meines Hauses. Lassen Sie ihre hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person an einer frischen Rose riechen. Halten Sie den Rosenkopf vorsichtig, mit etwas Abstand an die Nase. Animieren Sie die Person daran zu schnuppern und den Duft aufzunehmen. Beobachten Sie die Reaktion: Vielleicht zeigt sich ein kleines Lächeln. Vielleicht sammeln sich auch Tränen in den Augen. Beide Reaktionen sind als eine Gefühlsregung wahrzunehmen und bedürfen der Nachsorge. Egal welchen Gegenstand Sie verwenden. Geben Sie der hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person die Zeit, die sie benötigt, die aufkeimenden Erinnerungen zu Tage zu fördern. Unterstützen Sie sie dabei, diese Gefühle zu verarbeiten. Lachen oder weinen Sie mit der zu versorgenden Person. Seien Sie ihr Gefühlsbegleiter. Auch Tränen sind gut – Gefühle werden wahrgenommen und lösen sich. So sage ich immer: »Tränen sind die Perlen der Seele.« Und zwar unabhängig davon, ob es Tränen der Trauer oder der Freude sind.

Wenn die Aktivierungsmaßnahme Ihren Vorstellungen entsprechend verläuft, ist sie nach etwa 10–15 Minuten zu beenden. Beenden bedeutet, das ausgewählte Medium aus dem Raum zu entfernen, das Fenster zu öffnen und das Zimmer für zehn Minuten mit Frischluft zu durchfluten. Dabei – je nach Außentemperatur – den hilfe- und pflegebedürftigen Menschen zudecken und ggf. vor Kälte schützen.

Der hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Mensch kam nun für ein paar Minuten in den Genuss einer Stimulation des Geruchssinns. Alle weiteren Handlungen an und um die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person sind auch hier überlegt durchzuführen. Denn Sie wollten mit dieser Maßnahme etwas Bestimmtes erreichen. Vielleicht wollten Sie, dass der betreffende Mensch sich erinnert oder an dem Teil hat, was Sie gerade genießen können. Bedenken Sie auch hier, den Grund, weshalb Sie diese Maßnahme gewählt haben, auch hier über die Zeit der Durchführung hinaus zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Nachsorge bzw. Nachbetreuung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen als selbstverständlich gilt. Entsprechend der Reaktionen wird situationsgerecht auf ihn eingegangen. Egal welches Bedürfnis die hilfe- und pflegebedürftige, bettlägerige Person zu erkennen gibt, es sollte erfüllt werden.

3.3Füße spüren und Spuren hinterlassen

Füße, für die einen sind sie ein eher ungeliebtes und für die anderen, ein zu hegendes und zu pflegendes Körperteil. Unsere Füße sind es schon von klein auf gewohnt, beansprucht zu werden. Wenn wir gehen oder laufen, belasten wir unsere Füße mit unserem Gewicht, stecken sie in Schuhe, die mehr oder weniger gut passen – Absätze oder Formen haben, die sie eventuell einschnüren –, und laufen mit ihnen stundenlang durch die Gegend. Dabei müssen sie auf den unterschiedlichsten Untergründen klarkommen.

All das hinterlässt bei uns bzw. unseren Füßen Wohlbefinden, Anstrengung, vielleicht auch Schwellungen oder gar Schmerzen. Aber es lässt uns immer fühlen, ob wir unterwegs sind oder die Beine und Füße ausruhen.

Ist es nicht ein großartiges Gefühl am Strand durch den feinen weichen Sand zu laufen oder auf einem Kiesweg sicheren Tritt zu finden und das Knirschen der Steine zu hören? Sicherlich kennen Sie es auch, barfuß über eine Wiese zu laufen, das feuchte Gras zu spüren. Eventuell sind Sie sogar schon mal durch einen kleinen Bach geschritten. Sicherlich haben sie auch schon die Hitze des Asphalts im Sommer unter den Fußsohlen gespürt oder die spitzen Steinchen auf einem Schotterweg. Der eine oder andere mag vielleicht einen harten Untergrund beim Barfußlaufen. Wieder andere lieben es, über weiche Teppiche zu gehen und das flauschige Material zwischen den Zehen zu spüren. Egal, was ihre Fußsohle als Anregung zu spüren bekommt, schon jetzt beim Lesen habe ich bei Ihnen Erinnerungen geweckt.

Jeder von uns braucht Sinnesanregungen. Und ja, auch und gerade an den Fußsohlen benötigen bettlägerige Pflegebedürftige Stimulationen, da die Gefahr des Gefühlsverlustes an diesen Körperteilen enorm groß sein kann. Die Anregung bewirkt, dass sich die Betroffen besser spüren und die Ausmaße ihres eigenen Körpers begreifen. Das Stimulieren der einzelnen Bereiche der Fußsohle, kann sich im Positiven wie auch im Negativen auf den gesamten Körper, auf die Stimmung der hilfe- und pflegebedürftigen, bettlägerigen Person auswirken. Ferner werden Erinnerungen geweckt und ggf. sogar Eigenbewegungen angereizt.

Material

Plastikboxen (ca. 50 × 40 × 20 cm)

verschiedene Materialien (z. B. Sand, groben & feinen Kies, Heu, Stroh, Wasser, Sägespäne, Rindenmulch, Steine (unterschiedliche Formen und Größen), Moos, Erdreich, Blätter, Laub etc.

Handtuch und Waschlappen

Wasser zum Füße waschen

Socken (im Nachgang anzuziehen)

Durchführung

Wie funktioniert nun der »Sinnesweg ohne Weg«? → Füllen Sie das vom Betroffenen oder Ihnen ausgewählte Material oder mehrere Materialien in je eine Plastikbox. In diese werden dann die Füße des Pflegebedürftigen gestellt, sodass er den jeweiligen Untergrund erspüren kann.

Kündigen Sie der betroffenen Person an, was Sie planen und beschreiben Sie jede Ihrer Handlungen. Es kann durchaus sein, dass die zu aktivierende Person sich zu Beginn erschrickt. Das ist okay. Geben Sie ihr die Zeit, die sie benötigt, sich an das vielleicht schon fremdgewordene Gefühl, etwas an den Fußsohlen zu spüren, zu erinnern oder zu gewöhnen.

Stellen Sie das Pflegebett auf Ihre Hüfthöhe ein. Der hilfe- und pflegebedürftige Mensch wird in Rückenlage gebracht und in der Mitte des Bettes positioniert. Er trägt bequeme Kleidung. Die Socken werden ausgezogen und die Hosenbeine etwas hochgekrempelt. Alle Materialien wie Kissen, Bettdecke, Lagerungsmaterial etc. werden entfernt. Ein kleines Kissen (40 × 40 cm) wird unter den Kopf gelegt oder ein Nackenhörnchen genutzt. Das Bettgitter (falls vorhanden) wird auf beiden Seiten des Bettes entfernt.

Da Sie die zu aktivierende Person nicht überfordern möchten, haben Sie sich für zwei, maximal drei verschiedene Materialien entschieden. Dies bedeutet, Sie benötigen zwei oder drei Plastikboxen. In diese füllen Sie das von Ihnen favorisierte oder von der zu pflegenden Person ausgewählte Material.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690523
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Altenpflege Beschäftigen Betreuung

Autor

  • Gabriele Schweller (Autor:in)

Gabriele Schweller arbeitet seit über 20 Jahren in der Altenhilfe – als Altenpflegerin, als QMB und Auditorin, als Praxisanleiterin und stellvertretende PDL – und studierte schließlich erfolgreich Pflegepädagogik. Aktuell arbeitet sie als freiberufliche Organisationsberaterin sowie als Dozentin.
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Titel: Aktivierungen für Bettlägerige