Lade Inhalt...

Cannabis und Cannabidiol (CBD) richtig anwenden

Wirkungsweisen und Behandlungsmethoden verständlich erklärt. Hanf und ätherische Öle wirkungsvoll kombinieren. Zertifiziert von der Stiftung Gesundheit.

von Anne Wanitschek (Autor:in) Sebastian Vigl (Autor:in)
128 Seiten

In Kürze verfügbar

Zusammenfassung

Zertifiziert von der Stiftung Gesundheit. Die Therapie mit Cannabis und einzelnen Cannabinoiden findet wachsende Zustimmung. Die beiden Heilpraktiker Anne Wanitschek und Sebastian Vigl bieten in diesem Ratgeber einen aktuellen und faktenbasierten Überblick: Sie klären darüber auf, was die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Heilpflanze Hanf für gesunde und kranke Menschen bedeuten und erläutern, was bei deren Anwendung zu beachten ist. Die Autoren zeigen, wie Cannabis und Cannabidiol bei über 40 Erkrankungen oder Beschwerden angewandt werden können. Neben den Anwendungsmöglichkeiten bietet der Ratgeber wichtige Hilfestellungen zu Ergänzungsmöglichkeiten mit anderen Heilpflanzen und aktuelle klinische Studien zur Wirksamkeit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT ZUR 2. AUFLAGE

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Pflanzenheilkunde ist ein sehr dankbares Wissensfeld. Was wir einmal über eine Heilpflanze lernen, das hat Bestand. Für unsere wichtigsten Heilpflanzen hat sich in den letzten zweitausend Jahren wenig geändert. Wir wenden sie meist noch genau so an wie unsere Vorfahren. Der modernen Forschung bleibt oft nur übrig, den Wirkmechanismus einer Pflanze zu klären und traditionelle Anwendungen in ihrer Sinnmäßigkeit zu bestätigen. Wesentliche neue Erkenntnisse kann sie selten hinzufügen.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Der bedeutendsten Ausnahme haben wir dieses Buch gewidmet: der Hanfpflanze (Cannabis). Als Heilpflanze ist Hanf in Vergessenheit geraten, bis ihr engagierte Wissenschaftler ein Comeback verschafften – eines der bedeutsamsten Comebacks der Medizingeschichte. Weitere Forscherteams bemühten sich schnell um die Erforschung der Pflanze und ihrer Wirkstoffe. Denn anders als bei anderen Heilpflanzen gibt es bei Hanf sehr viel Neues zu entdecken – und dieser Prozess hat eben erst begonnen. Der Cannabis-Forschung verdanken wir zum Beispiel die Entdeckung eines bis dahin unbekannten Teils unseres Körpers, des Endocannabinoid-Systems. Dieses System ist essentiell für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, es spielt bei vielen Erkrankungen eine entscheidende Rolle – und wir können es durch Cannabinoide, die Wirkstoffe des Hanfs beeinflussen. Zudem stellen wir Ihnen verschiedene Tipps vor, mit denen Sie die Arbeit dieses Systems, das für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlergehen so wichtig ist, optimieren können.

Als dieses Buch vor fast zwei Jahren erschienen ist, war die Therapie mit Cannabis oder Cannabidiol (CBD) fast noch Neuland. Seitdem hat sich viel getan – neue Studienergebnisse wurden veröffentlicht, gesetzliche Rahmenbedingungen und Therapieempfehlungen änderten sich. Das alles ist für Sie relevant. Daher haben wir uns entschieden, die erste Auflage ausführlich zu überarbeiten. Dafür waren nicht nur unsere Erfahrungen aus unserer Praxis, sondern auch Ihre zahlreichen Anregungen und Rückmeldungen zur ersten Auflage hilfreich. Mit diesem Exemplar sind Sie nun auf dem neuesten Stand und können sich ein umfassendes Bild von den Möglichkeiten und Grenzen der Therapie mit Cannabis oder CBD machen.

Auch in der zweiten Auflage beschäftigen wir uns mit der Frage, wie die Therapie mit Cannabinoiden sinnvoll ergänzt werden kann. Ausgehend von den modernen Forschungen zum sogenannten Entourage-Effekt haben wir Kombinationsmöglichkeiten zwischen Cannabinoiden und speziellen ätherischen Ölen entwickelt. Auf diese Möglichkeiten gehen wir im praktischen Teil des Buches ein.

Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Gesundheit!

Die Heilpraktiker
Anne Wanitschek und Sebastian Vigl

CANNABIS VERSTEHEN

Cannabis ist kein Wundermittel. Cannabis und seine Wirkstoffe bieten jedoch bei vielen chronischen Erkrankungen neue und effiziente Lösungsansätze. Wussten Sie, dass ein Teil Ihres Körpers nach der Cannabis-Pflanze benannt ist? Das sogenannte Endocannabinoid-System ist für unsere Gesundheit und – im Krankheitsfall – für unsere Genesung essenziell. Wir zeigen Ihnen, wie Sie dieses Endocannabinoid-System zu Ihrem Vorteil beeinflussen können – nicht nur mit den Wirkstoffen der Hanfpflanze, sondern auch Ihrem Lebensstil.

Eine Heilpflanze mit einer aufregenden Geschichte

image

Seit über 5000 Jahren wird Cannabis als Heilpflanze verwendet.

Mit großem Interesse verfolgen wir die Rückbesinnung der modernen Medizin auf die Möglichkeiten von Heilpflanzen. Und wir freuen uns über jedes gelungene Comeback, wenn althergebrachte Einsatzmöglichkeiten von Heilpflanzen durch moderne Forschung wieder Anwendung finden. Das aufsehenerregendste Comeback beschert uns Cannabis. Cannabis (deutsche Bezeichnung: Hanf) zählt zu den ältesten Nutzpflanzen. Über 5000 Jahre ist es zudem als Heilpflanze in Gebrauch – auch heute wieder, nach einer kurzen Unterbrechung im letzten Jahrhundert.

Was der Wind mit der Heilkraft von Cannabis zu tun hat

Cannabis verdankt seine weltweite Verbreitung seiner großen Beliebtheit. Ursprünglich war die Pflanze wohl nur in Zentralasien beheimatet. Menschen brachten sie anschließend in alle Teile der Erde mit tropischem oder gemäßigtem Klima. Cannabis ist nicht besonders anspruchsvoll und begnügt sich auch mit Böden, auf denen wenig anderes wachsen will. So finden wir Cannabis auch in Höhenlagen, etwa im Himalaja oder – angebaut – in den kargen Bergen Marokkos und Afghanistans.

Bestäubt wird Cannabis vom Wind, der den Pollen der männlichen Pflanzen zu den weiblichen bringt. Die weiblichen Blüten produzieren klebriges Harz, unter anderem, um den Pollen zu fangen. Für die Verwendung als Rausch- und Heilmittel werden diese harzigen Blüten gesammelt. Das Harz enthält die Hauptwirkstoffe des Cannabis, die sogenannten Cannabinoide. Die Menge des Harzes und damit seiner Wirkstoffe lässt sich im Anbau steigern. Dafür dürfen so wenig wie möglich männliche Pflanzen in der Nähe sein, also wenig Pollen in der Luft. Die weiblichen Pflanzen produzieren dann mehr Harz. Schließlich wollen sie, wenn dann endlich ein Pollen angeflogen kommt, diesen unbedingt am Weitersegeln hindern.

Cannabis-Mythen auf dem Prüfstand

Es gibt keine Heilpflanze, deren Einsatz so heiß diskutiert wurde wie der der Hanfpflanze. Befürworter und Gegner des Cannabis-Konsums halten sich in der Hitze des Gefechts nicht immer an die Fakten. So entstanden im Laufe der Zeit diverse Cannabis-Mythen. Irreführende und falsche Behauptungen können heute wissenschaftlich widerlegt werden. Dennoch finden sie immer wieder den Weg in die öffentliche Diskussion.

Lassen Sie uns gemeinsam die häufigsten Cannabis-Mythen unter die Lupe nehmen. Sie können dabei Ihr eigenes Wissen testen. Decken Sie die rechte Spalte der folgenden Tabelle zu. Überlegen Sie selbst, welche der folgenden Aussagen über Cannabis zutreffen und welche Falschinformationen sind.

Cannabis ist weit mehr als ein Rauschmittel. Der Wirkstoff CBD beispielsweise weist keine psychoaktive Wirkung auf.

image

Wahr oder falsch? Überlegen Sie selbst!

AUSSAGE WAHR ODER FALSCH?
Cannabis-Konsum macht träge und unmotiviert. Falsch. Dieses Vorurteil entkräftete eine 2017 veröffentlichte Studie der Universität von Florida. Bei entsprechender Veranlagung kann intensiver Cannabis-Konsum jedoch Antrieb und Motivation bremsen.
Cannabis ist eine Einstiegsdroge. Falsch. Diese Theorie ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Wenn Konsumenten Cannabis jedoch nicht offiziell, sondern über den Schwarzmarkt beziehen, können sie mit anderen verbotenen Substanzen in Kontakt kommen.
Cannabis ist eine Ausstiegsdroge. Richtig. Zu diesem Ergebnis kommt 2016 eine Auswertung von 60 verschiedenen Studien unter Führung des amerikanischen Psychologen Zach Walsh. Cannabis ist eine wichtige Hilfe beim Entzug von anderen Drogen und Medikamenten.
Cannabis ist genauso schädlich wie Alkohol. Falsch. Alkohol ist ein Zellgift, Cannabis nicht. 75.000 Deutsche sterben jedes Jahr an den Folgen von Alkohol. Zum Vergleich: Null Tote jährlich durch Cannabis in Deutschland.
Cannabis macht nicht abhängig. Falsch. Der regelmäßige Konsum von Cannabis kann zu psychischer und körperlicher Abhängigkeit führen.
Cannabis heilt alle Krebsarten. Falsch. Mehr dazu im zweiten Teil des Buches im Abschnitt „Krebs“.
Cannabis-Konsum ist harmlos. Falsch. Der Konsum von Cannabis kann mit Nebenwirkungen einhergehen und diverse Erkrankungen verschlimmern.
Cannabis ist eine gefährliche Droge. Falsch. Verglichen mit legalen Drogen wie Alkohol und Tabak ist Cannabis eine sehr sichere Droge.
Cannabis ist ein sicheres Medikament. Richtig. Wenn wir Medikamente nach ihren tödlichen Nebenwirkungen beurteilen, wäre Cannabis sogar das sicherste Medikament der Welt. An einer Cannabis-Überdosierung sind weltweit noch keine Patienten verstorben. Zum Vergleich: An den Nebenwirkungen von Aspirin versterben jedes Jahr allein in Deutschland geschätzt 5000 Menschen.
Cannabis ist ein Rauschgift. Strenggenommen falsch. Cannabis kann zwar einen Rausch auslösen, hat aber keine Giftwirkung. Die Bezeichnung „Rauschmittel“ wäre also treffender.
Cannabis-Konsum macht übergewichtig. Falsch. Cannabis kann appetitanregend wirken, dies schlägt sich aber nur in sehr wenigen Fällen auf das Körpergewicht nieder. Im Gegenteil: Eine amerikanische Studie mit 30.000 Probanden zeigte, dass Cannabis-Konsumenten in drei Jahren sogar weniger an Gewicht zunahmen als Nicht-Konsumenten.

Die Nutzpflanze Hanf: von Kolumbus bis heute

Cannabis wird nicht nur als Medikament, sondern auch als Rauschmittel eingesetzt. Daneben hat Cannabis einen hohen Stellenwert als Nutzpflanze. Cannabis ist seit Jahrtausenden ein wichtiger Lieferant für Nahrungsmittel und Fasern. Die Hanffasern werden aufgrund ihrer Eigenschaften geschätzt: Sie sind langlebig, doppelt so reißfest wie Baumwolle und werden zur Herstellung von Seilen, Segeltuch, Bekleidung, Dämmstoffen und Papier verwendet. Christoph Kolumbus verdankt seine Entdeckung Amerikas zum Teil auch den Hanffasern. Sie dienten ihm als Schiffstaue, Segel, Kleidung und fanden sich sogar in seiner Schiffskarte. Karl der Große hielt Hanf im 9. Jahrhundert für seine Bestrebungen derart wertvoll, dass er Bauern nicht nur den Anbau befahl, er erlaubte ihnen auch, ihre Steuern nicht in Geld, sondern mit Hanfsamen zu zahlen.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte wird Hanf als Nutzpflanze wieder mehr geschätzt. Sein Anbau ist relativ einfach und günstig und kann ohne Pestizide erfolgen. Hanf wächst so schnell, da halten nicht einmal gewöhnliche Ackerbeikräuter mit. Seine Fasern sind in der Textilindustrie oder als Dämmmaterial in der Bauwirtschaft gefragt. In Deutschland sind seit einigen Jahren wieder Kleidungsstücke aus Hanffasern erhältlich.

image

Kleidungsstücke aus Hanf: seit einigen Jahren wieder in Deutschland erhältlich.

Seine Samen sind nicht nur schmackhaft, sondern ein Lieferant für wertvolle Fettsäuren. Das aus ihnen gepresste Hanföl findet mittlerweile großen Zuspruch.

Ein Verkaufsschlager gerät in Vergessenheit

In Europa und Nordamerika erlebte Cannabis im 19. Jahrhundert seine Blütezeit. Beinahe alle Apotheken boten Cannabis-Medikamente und eigene Cannabis-Rezepturen an. Diese machten zwischen 1850 und 1900 die Hälfte aller verkauften Medikamente aus! Cannabis wurde bei Schmerzen, Epilepsie, Migräne, Asthma und rheumatischen Erkrankungen empfohlen. Zudem galt es als probates Husten- und Entspannungsmittel. Cannabis wäre als Medikament wohl ununterbrochen bis heute in Verwendung, wenn da nicht die Chemiker und Pharmakologen gewesen wären – oder vielmehr ihr Unvermögen. Es gelang ihnen nicht, die Wirkstoffe des Cannabis zu isolieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Medizin den Anspruch, nur Medikamente einzusetzen, deren Wirkstoffe und Eigenschaften bekannt sind. Bei Cannabis gelang dies – trotz vieler Versuche – leider nicht.

image

Erst im Jahre 1963 gelang die Identifizierung des ersten Cannabis-Wirkstoffs.

Erst im Jahre 1963 verkündete die Forschergruppe um Raphael Mechoulam, dass sie den ersten Wirkstoff des Cannabis isoliert hatten, das Cannabinoid Cannabidiol (CBD). Wenig später gelang ihnen auch die Identifizierung des Hauptwirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC). Diese Entdeckung ebnete den Weg für die medizinische Verwendung von Cannabis.

Cannabis hatte seine Bestimmung als Medikament also verloren, da seine Wirkstoffe erst relativ spät entdeckt wurden. In den meisten Ländern der Erde kam es zudem zu einem Verbot von Cannabis. Dies hatte jedoch andere Gründe.

Wie es zum Verbot von Cannabis kam

In 185 Ländern ist Cannabis verboten. Man könnte meinen, dass gesundheitliche Bedenken dazu geführt hätten. Dem ist aber nicht so. Am Beispiel der USA und Deutschlands lässt sich verfolgen, dass vor allem wirtschaftliche und politische Interessen hinter dem Verbot standen. In den USA waren der Besitz und der Konsum von Cannabis ab 1933 illegal. Dafür setzten sich diverse Industrielle ein, darunter auch Vertreter der Holzindustrie. Sie sahen im Hanfanbau eine gefährliche Konkurrenz für die Holzwirtschaft. Parallel dazu wurde Cannabis zum Symbol der rassistischen Spaltungen der Gesellschaft. Cannabis wurde in Hetzkampagnen als „Teufelszeug“ verschrien, das aus Afroamerikanern und Mexikanern schlechte und gefährliche Menschen mache.

Diese Moralisierung der Cannabis-Debatte finden wir bis heute in den USA. Der von Trump ernannte Justizminister Jeff Sessions ist zum Beispiel der Überzeugung, dass gute Menschen kein Cannabis konsumieren: „Good people don’t smoke marijuana.“

In Deutschland führte ein drohender Handelsstreit mit Ägypten schlussendlich zum Verbot. Der König von Ägypten machte sich auf der sogenannten Opiumkonferenz 1924 für ein weltweites Verbot von Cannabis stark. Um drohenden Importausfällen aus Ägypten entgegenzuwirken, drängten Pharmaunternehmen wie Bayer die deutsche Regierung zum Verbot im Jahre 1929.

image

Entkriminalisierung und Legalisierung – bald auch in Deutschland?

Weltweit sehen wir einen Trend zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis. Einzelne Bundesstaaten der USA spielen dabei eine Vorreiterrolle. Der Erwerb und Konsum von Cannabis ist mittlerweile in acht Bundesstaaten der USA legal. Weitere Bundesstaaten erlauben die medizinische Nutzung von Cannabis und setzen sich für die Entkriminalisierung ein, damit sich Besitzer kleiner Mengen nicht vor Strafe fürchten müssen. Die Bundesstaaten profitieren davon: durch erhebliche Steuereinnahmen, durch eine florierende Cannabis-Branche und durch Entlastung der Strafverfolgungsbehörden. Die soziale Akzeptanz des Cannabis-Konsums führte laut einer im Oktober 2019 veröffentlichten Studie der Universität von Columbia sogar dazu, dass weniger Jugendliche und Erwachsene krankhaftes Konsumverhalten zeigten.

In den USA zeigt sich, was die Legalisierung für Patienten bedeutet. Sie haben einen erleichterten Zugang zu qualitativ hochwertigen Cannabis-Produkten. Im Bundesstaat Washington kann Cannabis seit 2014 legal gekauft werden. Entsprechend verbreitet ist der Konsum unter Patienten. Rund ein Viertel der dortigen Krebspatienten setzt Cannabis regelmäßig ein.

image

Wann kommt es in Deutschland zur Legalisierung? Bei einer Abstimmung im Bundestag könnte dies rasch geschehen. Parteien wie die Grünen, die Linke, die FDP und Teile der SPD wären bereits jetzt für eine Aufhebung des Verbots und eine Regulierung der Abgabe. Die Unionsparteien CDU und CSU und die AFD stellen sich dem entgegen. Mittlerweile fordert auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter ein Ende des Cannabis-Verbots. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sprachen sich 2019 schon 42 Prozent der Deutschen für eine Legalisierung von Cannabis aus. Von den Bundesländern will Berlin den ersten Schritt gehen. Der rot-rot-grüne Senat plant ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Derweil prüft das Bundesverfassungsgericht, ob das Cannabis-Verbot in Deutschland überhaupt verfassungskonform ist.

Für eine Legalisierung sprechen zahlreiche Argumente, wie die folgende Tabelle veranschaulicht.

Legalisierung von Cannabis – Für und Wider

GRÜNDE FÜR DIE LEGALISIERUNG MÖGLICHE RISIKEN DER LEGALISIERUNG

Kontrolle von Preis und Qualität möglich

Steuereinnahmen für den Staat

Förderung von Firmen und Jobs in der Cannabis-Industrie

Entlastung von Polizei und Justiz

Schwächung der organisierten Kriminalität

besserer Jugendschutz durch die regulierte Abgabe

Ende der Kriminalisierung ansonsten unbescholtener Bürger

erleichterter Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten

Anstieg der Cannabis-Konsumenten (Dieser Befürchtung widersprechen Daten aus den USA und der Niederlanden.)

Verharmlosung der möglichen Gesundheitsgefahren

erschwerter Jugendschutz (Dieses Argument gilt als entkräftet. Eine Regulation der Abgabe an Erwachsene erschwert es Jugendlichen, Cannabis zu erwerben.)

Das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Deutschland

Im Jahr 2016 wollte die Bundesregierung verhindern, dass Gerichte Patienten das Recht zugestehen, medizinisches Cannabis selbst anzubauen. Mittlerweile haben Studien weltweit dafür gesorgt, dass Cannabis wieder als therapeutische Option bei verschiedenen Erkrankungen anerkannt wurde. Die Bundesregierung erarbeitete das Gesetz „Cannabis als Medizin“, das im März 2017 in Kraft trat. Das Gesetz soll Schwerkranken den Zugang zu Cannabis erleichtern. Es sieht vor, dass die Krankenkassen die Kosten für eine Cannabis-Therapie übernehmen müssen, wenn:

eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt,

herkömmliche Medikamente nicht wirken oder nicht eingesetzt werden können und

eine spürbare Besserung durch eine Cannabis-Therapie plausibel erscheint.

Was theoretisch den Patienten Erleichterung bringen sollte, sorgte in der Praxis für erhebliche Probleme. Preisexplosionen für Apotheken-Cannabis, Versorgungsschwierigkeiten durch Lieferengpässe, mangelnde Qualität und der Ärger mit den Krankenkassen machen den Patienten das Leben schwer. Die Nachfrage an medizinischen Cannabis hat drastisch zugenommen. Für das Jahr 2019 gehen Schätzungen von 65.000 Cannabis-Patienten in Deutschland aus, 2018 waren es 40.000.

image

Laut Gesetz soll der Arzt die Entscheidung über eine Cannabis-Therapie fällen. In der Realität treffen die Entscheidungen leider die Krankenkassen, beziehungsweise deren medizinischer Dienst (MDK). Im Dezember 2017 bekam noch fast die Hälfte der Antragstellenden Negativbescheide von ihren Krankenkassen, mittlerweile betrifft dies ein Drittel der Anträge. Sehr oft ist die Ablehnung undurchsichtig und willkürlich begründet. Die Nachbesserung am Cannabis-Gesetz wäre einfach: Krankenkassen dürften die Anträge nicht mehr ablehnen, wenn ein Arzt Cannabis als Medizin verschrieben hat. Ende 2020 dürfte sich zumindest die Versorgungslage bessern, dann wird erstmals medizinisches Cannabis aus deutschem Anbau erhältlich sein.

Die rechtliche Lage von CBD in Deutschland

Die Abgabe von CBD-Produkten in Deutschland ist leider noch nicht eindeutig geregelt. Einerseits wird Cannabidiol (CBD) als Arzneimittel geführt, andererseits wird momentan der nicht rezeptpflichtige Verkauf von CBD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln toleriert. Kopfzerbrechen bereitet diese unsichere Rechtslage zu CBD vor allem Händlern. So legen gewisse Bundesländer wie Bayern die Gesetze so aus, dass keine CBD-Produkte verkauft werden dürften – dies führte zu schwerbewaffneten Razzien in einzelnen bayrischen Hanfläden. Andere Bundesländer sehen das anders. Trotzdem nahmen Drogerieketten wie Rossmann und dm CBD-Öle nach einigen Monaten aus dem Sortiment. Ob behördlicher Druck hinter der Entscheidung steckt, ließen die Drogerieketten leider nicht wissen.

Konsumenten von CBD-Produkten müssen sich keine Sorgen machen. Sowohl der Besitz als auch der Konsum von CBD-Produkten ist straffrei. Eine Ausnahme sind sogenannte „CBD-Blüten“. Das sind Blüten von THC-armen Hanfsorten, die optisch von THC-reichen Cannabis-Blüten nicht zu unterscheiden sind. Nutzhanfblüten, wie wir sie für die Teezubereitung empfehlen, können hingegen bezogen werden.

Eine genaue Regelung wird erst 2020 erwartet. Wir gehen davon aus, dass CBD-Produkte wie CBD-Öle oder CBD-haltige Nutzhanftees in Deutschland dann weiterhin legal und ohne Rezept erhältlich sind. Sollte dies nicht der Fall sein, beachten Sie bitte, dass einige unserer Empfehlungen in diesem Buch nicht mehr gesetzeskonform sein könnten. Wenn Sie – wie wir raten – jede Empfehlung aus diesem Buch zunächst mit Ihrem Arzt besprechen, sind Sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Die Situation in Österreich und der Schweiz

In diesem Buch konzentrieren wir uns vor allem auf die rechtliche Situation für Patienten aus Deutschland. Doch auch in Österreich und der Schweiz gewinnt die Therapie mit Cannabis und CBD an Bedeutung.

In Österreich können Ärzte die Cannabiswirkstoffe Dronabinol, Naboximol (Sativex) und Nabilon verschreiben. Die Krankenkassen erstatten die Kosten hierfür nur bei bestimmten Indikationen und nur nach Genehmigung durch einen Chefarzt. Ähnlich wie in Deutschland fällt CBD in Österreich nicht unter das Suchtmittelgesetz. Weder der Konsum noch der Erwerb von CBD-Produkten ist strafbar, sofern deren THC-Gehalt nicht 0,3 Prozent überschreitet (erlaubter Grenzwert in Deutschland: 0,2 Prozent). Als Nahrungsergänzungsmittel oder Arznei dürfen CBD-Produkte strenggenommen nicht verkauft werden. CBD wird nämlich im Novel Food-Katalog der Europäischen Kommission als neuartig bewertet – eine entsprechende Zulassung für den Verkauf als Nahrungsmittel ist bis einschließlich 2019 nicht erfolgt.

image

In der Schweiz ist der Konsum von Cannabis grundsätzlich verboten. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) können Ausnahmebewilligungen für die medizinische Anwendung von Cannabis beantragt werden. Als Medikament ist momentan nur Sativex zugelassen. Ein großer Unterschied zu Deutschland und Österreich ist die erlaubte Abgabe von Cannabis-Produkten mit niedrigem THC-Gehalt. In der Schweiz können Produkte aus Hanf bis zu einem THC-Wert von einem Prozent legal verkauft und erworben werden – ohne ärztliches Rezept. Entsprechende CBD-Produkte weisen daher oft höhere THC-Werte auf als deutsche Produkte. Ebenfalls legal ist die Abgabe von Cannabissorten, deren THC-Gehalt einen Prozent nicht überschreitet. Deren THC-Gehalte können therapeutisch relevant sein und dafür sorgen, dass der Blut-Grenzwert für THC im Straßenverkehr überschritten wird.

Das Endocannabinoid-System

Wer das Endocannabinoid-System versteht, der weiß, wie Cannabis wirkt und heilt. Doch bevor wir uns diesem System zuwenden, unternehmen wir eine kleine Reise. Während unserer Reise machen wir einen kurzen Aufenthalt in einem Hotel am Meer und lernen 100 Billionen Arbeitskräfte kennen, deren Arbeit mit Stromstößen oder chemischen Substanzen koordiniert wird.

In einem großen Betrieb müssen verschiedene Arbeitsschritte miteinander koordiniert werden. Stellen wir uns ein großes Hotel an einem Urlaubsort vor. Gleich zu Saisonbeginn werden mehrere große Reisegruppen erwartet. Der Zimmerservice bereitet die Zimmer vor, das Servicepersonal sorgt für ausreichende Bestuhlung in den Speiseräumen, die Animateure entstauben Schwimmnudeln und Kuschelrock-CDs, überall heulen Staubsauger. Das Hotelpersonal handelt auf Anweisungen der Hotelleitung. Die einzelnen Abteilungen stimmen über Kurznachrichten und Telefonanrufe ihre Bemühungen ab.

Nur die Küche hat von diesen Vorbereitungen und dem Nahen der Reisegruppen nichts mitbekommen. Der Koch hat die betreffende E-Mail falsch verstanden und rechnet erst zwei Wochen später mit dem Saisonbeginn. Er kauft nicht ein, verstärkt nicht sein Küchenteam und verbringt viel Zeit mit dem Lösen von Kreuzworträtseln. Die betriebsinterne Kommunikation hat versagt, die Gäste stehen vor einem leeren Buffet.

image

Der Körper: ein „Unternehmen“ mit 100 Billionen „Angestellten“

Die Koordination in einem Hotelbetrieb ist sehr wichtig. In dem Unternehmen, das wir jetzt besuchen, entscheidet sie über Gesundheit und Krankheit. Unser Körper ist ein viel größerer „Arbeitgeber“ als ein Hotel. Wenn wir jede einzelne Körperzelle als Beschäftigten ansehen, dann sprechen wir von rund 100 Billionen Werktätigen! Eine für uns unvorstellbare Zahl. In Deutschland werden im Vergleich rund 40 Millionen Erwerbstätige gezählt. Eine lächerliche kleine Anzahl für unseren Körper: So viele Angestellte werden in unserem Körper in jeder Sekunde gefeuert und neu eingestellt! Sekündlich werden nämlich rund 40 Millionen Körperzellen neu gebildet und abgebaut.

image

Unser Körper stellt jede Sekunde rund 40 Millionen neue Arbeitskräfte ein.

Die 100 Billionen Zellen in unserem Körper sind keine Einzelkämpfer. Sie arbeiten gemeinsam für das Wohlergehen des gesamten Körpers. Jede Zelle reduziert ihre Aktivität auf spezielle Aufgaben. Manche arbeiten im Chemielabor der Leber, manche als Schutzkräfte im Immunsystem, andere füllen Verdauungssäfte in Gefäße ab, und manche ziehen die Augäpfel von links nach rechts, während Sie diese Zeile lesen. Die Spezialisierung macht jedoch nur Sinn, wenn die Arbeit unserer Körperzellen entsprechend den jeweiligen Anforderungen aufeinander abgestimmt wird. Wie die Angestellten des Hotels kommunizieren auch die Zellen miteinander und werden zudem von übergeordneten Kontrolleuren überwacht. Diese sorgen dafür, dass sich einzelne Arbeitsschritte sinnvoll ergänzen und mit begrenzten Ressourcen wie Energie und Nährstoffen hausgehalten wird. Chaos wäre nämlich schlecht, denn dann fühlen wir uns nicht gut oder werden krank.

Die Sprache der Zellen

image

Zellen empfangen chemische oder elektrische Nachrichten.

Der Koordinierung der Körperabläufe dienen mehrere Kommunikationssysteme. Grundsätzlich betrachtet kommunizieren Zellen auf zwei Wegen: chemisch in Form von speziellen Signalmolekülen oder elektrisch: Im Kabelsystem der Nerven werden die Informationen als elektrische Impulse weitergegeben. Sie übermitteln dem Gehirn, was es Neues innerhalb und außerhalb des Körpers gibt. Das Gehirn prüft, wie und ob gehandelt werden muss, und teilt seine Entscheidungen den entsprechenden Abteilungen mit. Damit diese die Botschaft auch verstehen, wird sie am Nervenende übersetzt. Aus einem elektrischen Impuls werden spezifische Botenstoffe, die sogenannten Neurotransmitter. Schließlich wollen die meisten Körperzellen nicht jedes Mal einen Stromschlag kriegen, wenn das Nervensystem ihnen etwas sagen möchte, sie „lesen“ lieber. Neben den chemischen Botschaften der Neurotransmitter können sie auch die Botschaften der Hormone entziffern.

Auch die Hormone dienen der Koordination von Körperabläufen. Sie sind Botschaften der Drüsen wie der Schilddrüse, der Nebennieren oder der Bauchspeicheldrüse. Die Botschaften enthalten Arbeitsaufträge, die im Prinzip jede Körperzelle erreichen können, aber nur von bestimmten Zellen verstanden und ausgeführt werden. Darüber entscheiden die sogenannten Rezeptoren.

image

Rezeptoren sind die Lesehilfen der Zellen. Jede Zelle besitzt in ihrem Inneren und vor allem auf ihrer Außenhaut vieler solcher Lesehilfen. Wie Fühler strecken Zellen ihre Rezeptoren in die Umgebung, um die neuesten Nachrichten zu empfangen. Im Körper zirkulieren viele, oft widersprüchliche Nachrichten. Eine Nachricht kann zum Beispiel lauten: „Beruhigt euch, jetzt wird geschlafen!“ Die andere Botschaft zur gleichen Zeit: „Aufwachen, jetzt wird gearbeitet!“ Damit jede Zelle nur diese Nachricht liest, die auch für sie bestimmt ist, hat jede spezifische Rezeptoren.

Die Entdeckung des Endocannabinoid-Systems

Lange Zeit konnten unsere Zellen miteinander kommunizieren, ohne dass wir mithören konnten. Wir nahmen an, dass sie miteinander sprechen, wussten aber nicht, wie. Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben Forscher immer mehr Kommunikationssysteme im Körper entdeckt und verstanden, so auch die Sprache der Körperzellen. Wer eine neue Sprache lernt, der will sie auch anwenden. In der Folge haben Wissenschaftler die chemischen Botschaften nachgebaut. Sie haben Hormone, Botenstoffe, Neurotransmitter erschaffen und dem menschlichen Körper zugeführt. Nun konnten sie mitreden und damit die Körperabläufe beeinflussen. Das kann im Fall von Erkrankungen hilfreich sein, wenn zum Beispiel bei einer Unterfunktion der Schilddrüse die fehlenden Hormone als Medikament von außen zugeführt werden können.

Auch wer Cannabinoide einsetzt, unterhält sich mit seinen Zellen. Wie wir heute wissen, besitzen viele Zellen im Körper Rezeptoren für Cannabinoide. Die Cannabinoide docken an diese an und übermitteln ihnen einen Arbeitsauftrag.

image

Wie das funktioniert, ist erst seit Kurzem bekannt. Die Entdeckung des Hauptwirkstoffs von Cannabis, THC, gelang im Jahre 1964. Es dauerte weitere 24 Jahre, bis Forscher verstanden, wie THC im Körper wirkt. Sie stellten fest, dass THC im körpereigenen Dialog der Zellen ein Wörtchen mitzureden hat. Dies geschieht über das Endocannabinoid-System. Dieses liegt nicht an einem speziellen Ort, sondern befindet sich fast überall in unserem Organismus. Es besteht aus spezifischen chemischen Botenstoffen, den sogenannten Endocannabinoiden, und den dazugehörigen Rezeptoren. Die Endocannabinoide ähneln in ihrer Struktur den Wirkstoffen der Hanfpflanze, den Cannabinoiden. So erklärt sich auch ihr Name: „Endo-“ kommt vom griechischen Wort „endon“ = innen. Endocannabinoide sind also unsere „inneren“ Cannabinoide. Wie Cannabis produzieren wir also unseren eigenen Cannabinoide, die im Körper zirkulieren und ihre Botschaften an Rezeptoren übermitteln.

Das Endocannabinoid-System – Wächter der inneren Balance

Die bekanntesten Endocannabinoide heißen Anandamid und 2-Arachidonyl-Glycerin (2-AG). Anandamid wird auch als das körpereigene THC bezeichnet. Wie THC wirkt auch Anandamid schmerzstillend und euphorisierend und reguliert Appetit und Schlaf. Die wichtigsten Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems heißen Cannabinoid-Rezeptor 1 (CB1) und Cannabinoid-Rezeptor 2 (CB2). Je nachdem, wo diese liegen, erfüllen sie im Zusammenspiel mit unseren Endocannabinoiden unterschiedliche Aufgaben.

Cannabinoid-Rezeptoren 1 und 2 und ihre Aufgaben

KÖRPERTEIL REZEPTORTYP REGULIERUNG VON
Gehirn CB1 Schmerzwahrnehmung, Gedächtnisleistung, Lernvermögen, Angst, Depressionen, Koordination, Appetit, Übelkeit, Erbrechen, Belohnung
Herz CB1, CB2 Herzfrequenz, Zellschutz
Leber CB1, CB2 Zellschutz
Verdauungstrakt CB1, CB2 Entzündungen, Darmaktivität
Keimdrüsen CB1, CB2 Schwangerschaft, Spermienproduktion
Haut CB1, CB2 Entzündungen, Schmerz, Zellreifung, Bildung von Hautfetten
Abwehrsystem CB2 Abwehrleistung, Entzündungen
peripheres Nervensystem CB2 Schmerzwahrnehmung
Knochen CB2 Knochenwachstum

Wie Sie der Tabelle entnehmen können, ist das Endocannabinoid-System für viele Abläufe im Körper mitverantwortlich. Wie das Nerven- und das Hormonsystem kümmert sich das Endocannabinoid-System um die Koordination von Arbeitsvorgängen. Seine Hauptaufgabe besteht in der Aufrechterhaltung der inneren Balance, der sogenannten Homöostase. Die Homöostase beschreibt einen Zustand, in dem biologische Prozesse einen idealen Gleichgewichtszustand erreichen. Wird dieser Gleichgewichtszustand gestört, kommt es zu Beschwerden oder Erkrankungen.

image

Die Homöostase ist bei vielen Erkrankungen und Beschwerden gestört und kann durch das Endocannabinoid-System beeinflusst werden. Therapeutisch lassen sich hierfür pflanzliche Cannabinoide einsetzen, die wie unsere eigenen Endocannabinoide an die Cannabinoid-Rezeptoren andocken. Ist zum Beispiel bei entzündlichen Erkrankungen die Abwehr übereifrig, können pflanzliche Cannabinoide dem über die Rezeptoren der Abwehrzellen entgegenwirken.

Wenn Endocannabinoide fehlen

image

„Wer zu wenig Endocannabinoide hat, hat dort Schmerzen, wo er keine haben sollte.“

Endocannabinoide wie Anandamid regeln als Botenstoffe das Zusammenspiel körperlicher Abläufe. Ein Mangel an Endocannabinoiden müsse daher mit regulativen Störungen einhergehen, behauptete der amerikanische Cannabis-Forscher Ethan Russo. Er entwickelte das Konzept des klinischen Endocannabinoid-Mangels: Dieser könne mit einer Reihe von körperlichen und seelischen Beschwerden einhergehen. Grund dafür sei die Rolle von Anandamid bei der Schmerzwahrnehmung und des Serotonin-Stoffwechsels. In den meisten Fällen äußert sich der klinische Endocannabinoid-Mangel durch das Auftreten diffuser Schmerzen. „Wer zu wenig Endocannabinoide hat, hat dort Schmerzen, wo er keine haben sollte“, sagt Dr. Russo.

Mittlerweile wird der klinische Endocannabinoid-Mangel mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Dazu zählen die Fibromyalgie, das Reizdarmsyndrom und die Migräne. Typischerweise geht das Auftreten einer dieser Erkrankungen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für die beiden anderen Krankheitsbilder einher. Auch Patienten mit bipolaren Störungen, Menstruationsbeschwerden oder posttraumatischen Belastungsstörungen können von einem Endocannabinoid-Mangel betroffen sein.

Mit Cannabinoiden ganzheitlich heilen

Cannabinoide wie THC und CBD sind aussichtsreiche Kandidaten für die Behandlung eines Endocannabinoid-Mangels. Auch bei anderen Erkrankungen, bei denen das Endocannabinoid-System eine Rolle spielt, können sie hilfreich sein. Über eine Beeinflussung des Endocannabinoid-Systems helfen sie, die verlorene Balance bei krankhaften Körpervorgängen wiederzufinden. Wer mit Cannabinoiden heilt, spricht mit seinen Körperzellen. Er erinnert sie daran, das innere Gleichgewicht zu wahren oder wiederherzustellen. Dies kann zu einer ganzheitlichen Heilung führen, bei der Körper, Geist und Psyche gesunden. Nimmt ein Schmerzpatient zum Beispiel Cannabis gegen seine Schmerzen, können nicht nur die sich bessern. Auch etwaige Depressionen, Ängste und Schlafstörungen können durch Cannabinoide gelindert werden.

image

Cannabinoide beeinflussen Körper, Geist und Seele.

Warum produziert eine Pflanze eigentlich Stoffe, die ein komplexes Steuersystem unseres Körpers derart beeinflussen, dass wir Heilung oder Linderung erfahren können? Sie tut es, weil Pflanzen gerne die Steuersysteme von Tieren „hacken“. Sie entwickeln Stoffe, die ähnlich aufgebaut sind wie Steuerstoffe ihrer hungrigen Fraßfeinde. Damit können sie diese beeinflussen und zum Beispiel dafür sorgen, dass ihnen der Appetit vergeht. Uns wollte die Hanfpflanze nicht „hacken“, denn als die ersten Hanfpflanzen Cannabinoide entwickelten, wandelten wir noch nicht auf diesem Planeten. Dennoch hat die Evolution dafür gesorgt, dass auch wir durch Cannabinoide beeinflussbar sind.

Das Endocannabinoid-System pflegen

Das Endocannabinoid-System ist essenziell für unser Wohlergehen. Es entscheidet mit, wie wir uns fühlen, schützen und entspannen, wie wir essen, schlafen und vergessen. Im Krankheitsfall kann es zur Genesung beitragen. Es liegt daher in unserem Interesse, dass es störungsfrei arbeitet. Aus diesem Grund wollen wir Ihnen den folgenden Abschnitt besonders an Herz legen.

Die Gabe von Cannabinoiden ist nur ein Weg, um das Endocannabinoid-System zu beeinflussen. Der amerikanische Wissenschaftler John McPartland ging der Frage nach, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, das Zusammenspiel der Endocannabinoide zu stärken. In einer 2014 veröffentlichten Publikation zeigt er, dass unser Lebensstil das Endocannabinoid-System beeinflusst.

image

Wer das Endocannabinoid-System pflegt, wird von diesem belohnt.

Wir haben seine wichtigsten Erkenntnisse und Tipps zusammengefasst, von denen Gesunde und Kranke profitieren können. Das Endocannabinoid-System wird Sie bald belohnen, indem es Ihnen Wohlgefühl und Entspannung verschafft. Dies liegt vor allem am körpereigenen Endocannabinoid Anandamid. Dieses hat seinen Namen nicht zufällig von dem altindischen Wort Ananda = große Freude. Hohe Anandamid-Werte können glücklich und euphorisch machen. Wer sein Endocannabinoid-System gemäß unseren Ratschlägen pflegt, hat schon einiges für seinen Anandamid-Stoffwechsel getan.

Bei Beschwerden oder Erkrankungen, bei denen das Endocannabinoid-System nicht richtig arbeitet, können durch die folgenden Tipps bald Verbesserungen spürbar sein. Viele unserer Empfehlungen werden Ihnen bekannt vorkommen. Sie pflegen nämlich nicht nur das Endocannabinoid-System, sondern wirken sich auf verschiedene Weise positiv auf unsere Gesundheit aus.

Wie unser Endocannabinoid-System beeinflusst wird

MASSNAHME BEEINFLUSSUNG DES ENDOCANNABINOID-SYSTEMS
Entspannungstechniken fördern die Bildung von Endocannabinoiden
Omega-3-Öle positive Wirkung auf Rezeptoren, Endocannabinoide und Enzyme
Fastenzeiten und kalorienbewusste Ernährung fördern die Bildung von Endocannabinoiden und CB1-Rezeptoren
sportliche Aktivität fördert die Bildung von Endocannabinoiden und CB1-Rezeptoren
Probiotika fördern die Bildung von CB1- und CB2-Rezeptoren im Verdauungstrakt
Kakao, Maca, Galanga verlangsamen den Abbau von Endocannabinoiden
Chemikalien wie Pestizide oder Weichmacher beeinträchtigen CB1-Rezeptoren
Omega-6-Öle (im Übermaß) beeinträchtigen CB1-Rezeptoren
hoher Zucker- und Fettkonsum senkt Endocannabinoide, beeinträchtigt CB1-Rezeptoren
chronischer Stress senkt Endocannabinoide
Alkohol (im Übermaß) senkt Endocannabinoide, beeinträchtigt CB1-Rezeptoren
Nikotin senkt Endocannabinoide im zentralen Nervensystem

Auf ausreichend Omega-3-Öle achten

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren spielen eine wichtige Rolle in der Regulation zellulärer und zwischenzellulärer Prozesse. Dazu zählen Entzündungsvorgänge, Immunkompetenz und Nervenstoffwechsel. Unsere Ernährungsweise weist typischerweise eine ungesunde Zusammensetzung mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf. Sie ist meist reich an Omega-6-Fettsäuren, jedoch arm an Omega-3-Fettsäuren. Omega-6-Fettsäuren im Übermaß fördern die Bildung entzündungsfördernder Stoffe und spielen bei der Entstehung vieler chronischer Erkrankungen eine Rolle. Ein Übermaß an Omega-6-Fettsäuren kann zudem die Aktivität des Endocannabinoid-Systems negativ beeinflussen. Dies geschieht über eine Hemmung der Cannabinoid-Rezeptoren. Omega-3-Fettsäuren fördern hingegen die Tätigkeit von entsprechenden Rezeptoren, Endocannabinoiden und Enzymen. Zudem senken sie den Cholesterinspiegel, verbessern die Fließeigenschaften des Blutes und regulieren das Immunsystem.

Wer mindestens einmal wöchentlich fetten Fisch wie Makrele, Lachs, Kabeljau oder Hering verzehrt, führt seinem Körper viele Omega-3-Fettsäuren zu. Eine weitere gute Quelle sind Walnüsse und pflanzliche Öle wie Lein-, Hanf- oder Walnussöl. Im Winter können Vitamin-D-haltige Fischöle eine sinnvolle Ergänzung der täglichen Ernährung sein.

Omega-3-reiche Lebensmittel

LEBENSMITTEL GEHALT AN OMEGA-3-FETTSÄUREN (PRO 100 g)
Leinöl 66 g
Chiaöl 60 g
Leinsamen 25 g
Chiasamen 19 g
Hanföl 17 g
Walnussöl 13 g
Rapsöl 9 g
Walnüsse 8 g
Lachs 1,8 g
Sardine 1,4 g
Hering 1,2 g
Makrele 1 g

Chemikalien vermeiden

image

Chemikalien aus Lebensmitteln können das Endocannabinoid-System beeinträchtigen.

Diverse Chemikalien stören die Regulation des Endocannabinoid-Systems. Dazu zählen unter anderem Pestizide auf Diazinon- oder Chlorpyrifos-Basis. Der amerikanische Cannabis-Forscher Russo vermutet, dass eine chemikalienfreie biologische Ernährung die normale Funktion des Endocannabinoid-Systems fördert.

Die bei der Herstellung von Kunststoffen verwendeten Weichund Hartmacher können die Funktion des CB1-Rezeptors einschränken. Wir empfehlen, die Belastung durch chemische Weich- oder Hartmacher zu reduzieren. Dafür ist Ihnen die folgende Tabelle hilfreich.

Chemische Weich- und Hartmacher

PROBLEMATISCHE QUELLEN VON WEICH- UND HARTMACHERN LÖSUNG
PVC Weich-PVC (z. B. in Duschvorhängen) und PVC-haltige Materialien in Wohnräumen vermeiden.
PET-Flaschen PET-Flaschen meiden, Glasflaschen oder BPA-freie Getränkeflaschen verwenden.
Verpackung von Lebensmitteln Öfter mal frische und unverpackte Lebensmittel kaufen.
Baumaterial, Farben und Lacke Schadstofffreie Baumaterialen verwenden: entweder Naturmaterialien oder auf Gütesiegel wie Blauer Engel, TÜV-TOXPROOF-Zeichen, GuT-Siegel oder natureplus achten.
Kinderspielzeug und Gebrauchsgegenstände aus Plastik Generell gilt: Alles, was stark „chemisch“ oder „nach Plastik“ riecht, nicht kaufen. Nach BPA-freien Alternativen suchen.
Kunstleder Kunstleder vermeiden.
Plastikgeschirr Nur Plastikgeschirr mit PE- oder PP-Kennzeichnung kaufen.
Kosmetika Nutzen Sie die kostenlose App ToxFox, um Kosmetika auf gesundheitsgefährdende Stoffe zu prüfen.

Regelmäßig körperlich aktiv sein

Das Endocannabinoid-System liebt Sport. Die in Studien beobachteten Effekte sind teilweise beachtlich. Bereits ein halbstündiges Lauftraining führte in einer Studie zu einer Verdopplung des Endocannabinoids Anandamid im Blut. Wissenschaftler vermuten, dass der Anstieg von Anandamid wesentlich am sogenannten „Runner’s High“ beteiligt ist. Wer regelmäßig Sport betreibt, kann mit einem dauerhaften Anstieg von Endocannabinoiden belohnt werden.

image

Sportliche Betätigung fördert den Stoffwechsel der Endocannabinoide.

Darmfreundschaften pflegen

Wir sind nie allein. In unseren Gedärmen tragen wir riesige Kolonien von Bakterien mit uns. Die meisten davon sind an einer Partnerschaft mit uns interessiert. Heute wissen wir, dass unser und ihr Wohlergehen voneinander abhängen. Auch das Endocannabinoid-System wird durch die Zusammensetzung unserer Darmflora beeinflusst. Eine hoher Anteil an positiven „Mitbewohnern“, sogenannten Darmsymbionten wie den Milchsäurebakterien, führte in Untersuchungen zu einer Zunahme von Cannabinoid-Rezeptoren im Verdauungstrakt.

Eine ballastoffreiche Ernährung und der Verzehr von milchsauer vergorenen Lebensmitteln und Säften führen zu einer Stärkung der Darmflora. Bei bestehenden Verdauungsbeschwerden kann eine zielgerichtete Therapie mit Probiotika sinnvoll sein.

image

Ballaststoffe und milchsauer vergorene Lebensmittel fördern Darmflora und Endocannabinoid-System.

Ernährungsfehler vermeiden

Zahlreiche Studien zeigen, dass ein hoher Zucker- und Fettkonsum mit unvorteilhaften Veränderungen des Endocannabinoid-Systems einhergeht. Er führt zu einer Abnahme von CB1-Rezeptoren und Endocannabinoiden. Diese Veränderungen stimulieren wiederum den Verzehr hochkalorischer Nahrungsmittel. Dieser Teufelskreis lässt sich durch Diät- oder Fastenperioden durchbrechen. Hierfür eignet sich zum Beispiel auch unser Prometheus-Programm, das wir in unserem Buch „Die Leber natürlich reinigen“ (siehe Anhang) vorstellen.

Große Mengen Alkohol und regelmäßiger Zigarettenkonsum können zu einer Abnahme wichtiger Endocannabinoide wie Anandamid führen.

Mit Entspannungstechniken Stress bewältigen

image

Entspannungstechniken wirken dem negativen Einfluss von chronischem Stress entgegen.

Chronischer Stress schadet dem Endocannabinoid-System und führt zu niedrigen Endocannabinoid-Werten. Entspannungstechniken können diesem Effekt entgegenwirken.

Schon kurzfristige Massagen sind sehr wirkungsvoll. In einer Studie steigerten entspannende Massagen die körpereigenen Anandamid-Werte um 170 Prozent. Andere Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training, Yoga oder Qigong dürften zu vergleichbaren Effekten führen.

Schokolade essen

Kakao kann glücklich machen. Mit ihm lassen sich unsere Anandamid-Werte beeinflussen. Er enthält zwar kein Anandamid, wie fälschlicherweise oft berichtet wird, aber er bildet zwei Stoffe, die das Enzym FAAH hemmen, das Anandamid abbaut. Dies führt zu einer Steigerung des aktiven Anandamids.

Besonders empfehlenswert sind Rohkakao oder aus diesem gefertigte Produkte. Als Snack für unterwegs eignen sich Rohkakao-Bohnen. Ebenfalls hemmend auf FAAH wirken Inhaltsstoffe aus dem Maca-Tee und der Galanga-Wurzel.

Der Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC)

Wäre Cannabis eine Rockband, THC wäre der Bandleader. THC, die Kurzform von Tetrahydrocannabinol, ist der bekannteste Inhaltsstoff von Cannabis und sorgt aufgrund seiner psychoaktiven Wirkung immer wieder für Kontroversen. Unter Ärzten wird seine psychoaktive Wirkung bisweilen als unerwünscht betrachtet, als ein Effekt, der in Kauf genommen werden muss. Für viele Patienten, die aufgrund einer schweren Erkrankung mit einer verminderten Lebensqualität und einem hohen Leidensdruck leben müssen, kann die psychoaktive Wirkung jedoch sehr wohltuend und befreiend sein.

THC wirkt jedoch nicht nur psychoaktiv. Das Cannabinoid interagiert mit Cannabinoid-Rezeptoren an verschiedenen Stellen im Körper. THC lindert Übelkeit und Erbrechen und gilt als schlaffördernd, schmerzstillend, entzündungshemmend, angstlösend, antidepressiv, antioxidativ, antitumoral, appetitanregend und krampflösend. Chronisch kranke Patienten profitieren meist von mehr als einer dieser Wirkungen. Bei Schmerzpatienten können zum Beispiel neben der schmerzstillenden auch die entzündungshemmende, antidepressive und schlaffördernde Wirkung eine Rolle spielen.

image

Chronisch kranke Patienten profitieren meist von mehr als einer der Wirkungen von THC.

THC kann auf verschiedene Weise angewandt werden. Das Cannabinoid findet sich in natürlicher oder synthetischer Form in den Medikamenten Sativex und Canemes und in dem Rezepturbestandteil Dronabinol. Dronabinol kann vom Arzt in Form von Tropfen verordnet werden. Sehr beliebt ist die Therapie mit Cannabis-Blüten. Sie enthalten neben THC noch andere wertvolle Inhaltsstoffe. Wie wir bald sehen werden, können diese die Wirkung von THC positiv beeinflussen. In Deutschland sind verschiedene Sorten von Cannabis-Blüten verschreibungsfähig. Ihre THC-Gehalte reichen von 1 bis 22 Prozent.

Cannabis-Blüten richtig anwenden

Die gebräuchlichste Form der Anwendung von Cannabis-Blüten ist die Inhalation mittels Vaporizer. Mit einem Vaporizer werden zerkleinerte Cannabis-Blüten erhitzt und deren Inhaltsstoffe als Dampf eingeatmet. Hierbei entstehen keine giftigen Verbrennungsprodukte. Solche finden sich hingegen beim Rauchen von Cannabis-Blüten, das wir für die medizinische Nutzung nicht empfehlen. Vaporizer von sehr guter Qualität stellt die deutsche Firma Storz & Bickel her. Die Kosten für deren Vaporizer können theoretisch von der Krankenkasse übernommen werden. Die ideale Verdampfungstemperatur für Cannabis-Blüten liegt zwischen 190 und 210 ºC. Anwender können selbst testen, bei welcher Temperatur sie die beste Wirkung erzielen.

image

Während der Decarboxylierung wird aus der Vorstufe THCA THC.

Cannabis-Blüten können auch als Tee eingenommen werden. Vor der Teezubereitung sollten sie jedoch im Backofen bei 140 ºC zehn Minuten lang erhitzt werden. Durch die Hitze kommt es zur sogenannten Decarboxylierung, während der die THC-Vorstufe THCA in THC umgewandelt wird. Danach überbrüht man die Cannabis-Blüten mit siedendem Wasser und lässt sie zugedeckt zehn Minuten lang ziehen. Geben Sie vor dem Genuss etwas Fett in Form von Butter, Sahne, Kokosfett oder Milch zum Tee, dies erleichtert die Aufnahme der Cannabinoide.

Unterschiede bei den Anwendungsarten

INHALATION MITTELS VAPORIZER ORALE AUFNAHME ALS TEE
sofortiger Wirkeintritt Cannabinoide müssen erst im Darmtrakt aufgenommen werden – Wirkeintritt nach ein bis eineinhalb Stunden
ungefähr ein Drittel der Cannabinoide wird ins Blut aufgenommen ungefähr ein Neuntel der Cannabinoide wird ins Blut aufgenommen
sofortige starke Wirkung, die schneller nachlässt etwas schwächere Wirkung, die aber länger anhält

THC richtig dosieren

Grundsätzlich sollten sich Patienten an die Dosierungsempfehlungen ihres Arztes halten. In Absprache mit dem Arzt können Dosierungen individuell angepasst werden. Dies macht Sinn, denn jeder Mensch hat eine unterschiedliche Empfindlichkeit für THC. Bei manchen reichen geringe Dosen, andere verspüren erst nach mittleren oder großen Dosen die gewünschten Effekte.

image

Die Inhalation mit einem Vaporizer eignet sich besonders gut für die Dosisfindung.

Wir empfehlen, die Dosierung zu Beginn der Therapie möglichst klein zu halten und dann gegebenenfalls langsam zu steigern.

Beginnen Sie mit 1–2,5 mg THC und warten Sie die Wirkung ab. Wenn Sie THC inhaliert haben, können Sie den Effekt nach einer halben Stunde beurteilen. Bei der oralen Einnahme sollten Sie 90 Minuten warten.

Wiederholen Sie die Anwendung, wenn die erwünschte Wirkung nicht eintritt.

Therapie mit THC – das sollten Sie beachten

image

Kurzzeitige Therapiepausen sind bei Toleranzeffekten hilfreich.

Wer eine Therapie mit THC beginnt, sollte die folgenden Hinweise berücksichtigen.

Die Sensibilität für THC ist von Mensch zu Mensch verschieden. Manche benötigen sehr niedrige Dosierungen, andere hohe, um einen Effekt zu verspüren. Die Dosierung sollte deshalb immer individuell angepasst werden.

Bei einer täglichen Therapie mit THC kann es zu einem Toleranzeffekt kommen. Die üblichen Dosierungen wirken dann nicht mehr wie gewohnt. Eine regelmäßige Therapiepause von ein bis zwei Tagen wirkt diesem Effekt entgegen.

Die Anwendung von THC kann mit Nebenwirkungen einhergehen. Wie diese erkannt, vermieden oder behandelt werden können, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.

Schwere Persönlichkeitsstörungen und psychotische Erkrankungen gelten als Kontraindikationen für den Einsatz von THC. Sorgfältig bedacht werden sollte er bei Suchterkrankungen, schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (dies gilt insbesondere für Menschen mit Herzrhythmusstörungen oder mit gesteigertem Risiko für Herzinfarkte) und während der Schwangerschaft, Stillzeit und Pubertät. Forschungen legen nahe, dass THC über die Muttermilch an das Kind weitergegeben wird.

Bei Kindern und Jugendlichen kann THC die Entwicklung von Persönlichkeit und Gehirn beeinträchtigen.

THC kann die Wirkung von Beruhigungsmitteln, Opioiden und Schlafmitteln verstärken und die Wirkung von HIV-Medikamenten wie Indinavir, Ritonavir oder Nelfinavir beeinflussen.

THC erleichtert zwar das Einschlafen, beeinträchtigt unter Umständen aber die Schlafqualität. THC kann nämlich die wichtige REM-Schlafphase blockieren oder erschweren. Dadurch kommt die durch das Träumen wichtige emotionale Verarbeitung von Problemen des Alltags zu kurz. Wer regelmäßig Cannabis vor dem Einschlafen konsumiert, fühlt sich dadurch durch alltägliche Belastungen schneller überfordert. In Absprache mit den Ärzten kann es daher sinnvoll sein, Cannabis nicht direkt vor dem Zubettgehen, sondern tagsüber anzuwenden.

Mögliche Risiken bei langfristiger Therapie

Wie akute Nebenwirkungen vermieden oder behandelt werden können, erfahren Sie im nächsten Abschnitt. Hier wollen wir zunächst auf mögliche gesundheitliche Risiken hinweisen, die eine langfristige Therapie mit THC mit sich bringen kann. Cannabis ist zwar ein vergleichsweise sicheres und nebenwirkungsarmes Medikament. Eine längerfristige Einnahme kann dennoch psychische, körperliche und soziale Auswirkungen haben. Die Risiken eines langfristigen Konsums können jedoch minimiert werden. Dafür sollten die Anweisungen des Arztes befolgt und eventuelle Nebenwirkungen oder Unsicherheiten mit ihm besprochen werden.

image

Der regelmäßige Genuss von Cannabis kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Eine körperliche Abhängigkeit von Cannabis äußert sich meist erst beim Versuch, weniger oder gar kein Cannabis zu konsumieren. Auf der Internetseite www.drugcom.de können Konsumenten testen, ob eine Cannabis-Abhängigkeit vorliegt.

Langer und intensiver Cannabis-Konsum kann die Motivation und den inneren Antrieb beeinträchtigen. Dies scheint vor allem Menschen zu betreffen, die bereits vor dem Konsum zu Teilnahmslosigkeit und Passivität neigten.

Intensiver Cannabis-Konsum kann zu Wesensveränderungen führen. Hierfür ist die soziale Isolation des Betroffenen kennzeichnend – er beschäftigt sich lieber mit sich selbst als mit anderen. Anforderungen anderer werden als störend empfunden, für soziale Interaktionen fehlen Energie und Interesse.

Eine längerfristige Einnahme von THC kann das Gedächtnis und die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

Die Auswirkungen von Cannabis-Konsum auf das Entstehen von Psychosen werden zum Teil widersprüchlich beschrieben. Bei Menschen, die bereits ein erhöhtes Psychoserisiko haben, kann Cannabis eine Psychose auslösen, besonders wenn als zweiter Risikofaktor Stress hinzukommt.

Schädliche Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf die Atemwege treten nur auf, wenn Cannabis zusammen mit Tabak geraucht wird.

Details

Seiten
ISBN (eBook)
9783842629912
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Schlagworte
Cannabinoide Heilpflanzen Naturheilkunde CBD Rezepte Cannabis Hanfpflanze

Autoren

  • Anne Wanitschek (Autor:in)

  • Sebastian Vigl (Autor:in)

Die Heilpraktiker Anne Wanitschek und Sebastian Vigl führen eine eigene Praxis in Berlin und haben sich auf die Behandlung von Patienten mit diversen chronischen Erkrankungen spezialisiert. Sie bloggen regelmäßig zum Thema Cannabis als Medizin. In ihrer Praxis haben sie Erfahrung mit der Therapie mit Cannabinoiden gesammelt und betreuen als Heilpraktiker viele Patienten, die Cannabis als Therapie nutzen, liefern Hilfestellungen bei der Arztsuche und den häufig aufreibenden Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen. Autorenwebsite: https://ihre-heilpraktiker.berlin/
Zurück

Titel: Cannabis und Cannabidiol (CBD) richtig anwenden