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Wundbehandlung

Die wichtigsten Fragen und Antworten. Immer im Fokus: der Patient.

von Susanne Danzer (Autor:in)
192 Seiten

Zusammenfassung

Die Wundbehandlung ist eine ganzheitliche Versorgung,
bei der der Betroffene immer im Zentrum stehen
sollte. Seine Situation ist der Maßstab für die pflegerischen
Maßnahmen.
Wie groß die Anzahl der Wundversorgungsprodukte
auch sein mag – es muss immer ein Zusammenspiel von
Kausaltherapie, lokaler Therapie und der Mitarbeit des
Betroffenen und seiner Angehörigen erfolgen.
Wie das möglich ist, was dabei zu beachten ist und was
Pflegekräfte rund um die Wundbehandlung wissen
müssen – all das findet sich in diesem umfangreichen
Buch, das in der pflegerischen Praxis entstanden ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Die Entstehungsursache einer Wunde ist für die Therapie wichtig. Faktoren wie z. B. Durchblutungsstörungen oder Stauungszustände werden so erkannt und können behandelt werden.

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Info

Vor jeder erfolgreichen Lokaltherapie muss eine umfassende und klare Diagnostik stehen.

Die Wundbehandlung muss immer eine Kombination aus lokaler Wundbehandlung und Behandlung der zusätzlichen Erkrankungen des Patienten sein. Nur diese Kombination verbessert die Heilungschance, da bessere Voraussetzungen für die Wundheilung geschaffen werden.

Die lokale Wundbehandlung macht nur etwa 10 Prozent der Therapie aus, sodass die Kausalbehandlung (Ursachenbehandlung) der entscheidendere Faktor ist, was wiederum eine gute Diagnostik erfordert.

Bei chronischen Wunden kann es auch zu bösartigen Zellveränderungen kommen. Da der Körper versucht, die Wunde so schnell wie möglich zu schließen, um die Unversehrtheit der Körperoberfläche wiederherzustellen, handelt es sich bei der Wundheilung um einen Vorgang mit schnellen Zellteilungen. Dabei kann es zu Fehlern im Erbgut der neuen Zelle kommen, sozusagen zu einer fehlerhaften Kopie. Diese Zellmutationen können vom Reparatursystem des Körpers in der Regel nicht repariert werden, was zur Bildung von malignen Zellen führen kann.

Aufgrund schlechter Immunsituation, wie es bei Patienten mit chronischen Wunden die Regel ist, kann das Immunsystem die fehlerhaften Zellen nicht bekämpfen und zerstören. Dadurch kann es zu malignen Entartungen in der Wunde kommen.

1.1Welche Kriterien gehören zu einer Wunddokumentation?

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Info

Bei der Wunddokumentation ist es nicht ausschlaggebend, ob Sie einen von der Industrie gefertigten Bogen, einen selbst erstellten oder ein digitales Dokumentationssystem benutzen.

Wichtig ist vielmehr, dass in der Wunddokumentation die folgenden Kriterien aufgeführt bzw. enthalten sind:

Vollständiger Name und Geburtsdatum des Patienten,

Datum, an dem die Wunde zum ersten Mal beurteilt wurde,

Vor- und Zuname des Beurteilenden,

Lokalisation der Wunde (mit schematischer Darstellung zum Einzeichnen der betroffenen Stelle),

Art der Wunde (Dekubitalgeschwür, Ulcus cruris, postoperative Wundheilungsstörung usw.),

Alter der Wunde? Erst- oder Rezidivwunde? Wenn es sich um eine Rezidivwunde handelt, muss vermerkt werden, wie lange es bis zum Wiederauftreten der Wunde gedauert hat, das wievielte Rezidiv es ist und ob es sich hierbei um ein Symptom- oder Lokalrezidiv handelt.

Bei stationären Einrichtungen (insbesondere Kliniken und Pflegeeinrichtungen) sollte vermerkt werden, ob die Wunde bereits bei der Aufnahme bestand. Aber auch ambulante Pflegedienste sollten den Beginn der Wundbehandlung festhalten.

Zusätzliche Dispositionen des Patienten wie Stoffwechselerkrankungen, Tumorerkrankungen, arterielle Verschlusskrankheit, chronisch venöse Insuffizienz, Kachexie, Adipositas etc. sollte Teil der Wundanamnese sein. Ebenso therapiebedingte Einschränkungen des Alltags.

Bisherige Behandlung,

Allergien, insbesondere auf Verbandstoffe,

Schweregrad der Wunde (bei Benutzung einer für den Wundtyp festgelegten Klassifizierung, muss diese erwähnt werden, z. B. Dekubitus Kategorie 3 EPUAP),

Größe der Wunde (längste Länge, breiteste Breite, tiefste Tiefe) in cm,

Wundkriterien wie Nekrosen, Fibrinbelag, Granulationsgewebe usw. (hierbei wird das Kriterium/die Kriterien dokumentiert, welche die Wunde dominieren),

Vorhandensein von Wundtaschen/-höhlen oder Fisteln, Wundrandunterminierungen,

Aussehen von Wundrändern und Wundumgebung,

Aussehen und Menge des Exsudats,

Geruch (ja/nein),

Infektionszeichen, falls vorhanden, sowie die Angabe von vorhandenen resistenten Keimen (soweit bekannt),

Wundschmerzen (in Ruhe und Belastung, Schmerzstärke, Schmerzqualität, was lindert die Schmerzen, was verstärkt sie usw.),

zusätzliche Therapien (z. B. Zusatznahrung, Physio-/Kompressionstherapie),

Fotodokumentation,

aktuelles Behandlungsschema,

Möglichkeit, um Begebenheiten außerhalb des normalen Behandlungsschemas zu notieren (z. B. Débridement, Abstrichentnahme usw.),

Datum der Beurteilung,

Handzeichen als Bestätigung der Durchführung.

1.2Wie unterscheiden sich akute und chronische Wunden?

Die wesentliche Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Wunden liegt in der Entstehungsursache, der Abheilungsart, und der dafür benötigten Abheilungsdauer.

Während akute Wunden in der Regel nach einer Erstversorgung innerhalb kurzer Zeit komplikationslos im Rahmen der physiologischen Wundheilung zur Abheilung kommen, überschreiten chronische Wunden diesen Zeitrahmen deutlich.

Bei akuten Wunden handelt es sich um akute Verletzungen der Haut und/oder der darunterliegenden Gewebeschichten, deren Entstehung erst kurze Zeit zurückliegt.

Jede akute Wunde kann in eine Sekundärheilung übergehen oder chronifizieren.

Chronische Wunden sind solche, die nach acht Wochen nicht abgeheilt sind. Es gibt Wunden, die unabhängig von der zeitlich orientierten Definition von Beginn an als chronisch anzusehen sind. Ihre Behandlung erfordert eine Ursachentherapie. Dazu gehören etwa das diabetische Fußulcus, Wunden bei pAVK, Dekubitus oder das Ulcus cruris venosum.

1.2.1Was sind die Risikofaktoren für die Chronifizierung von Wunden?

Venöse Insuffizienz,

Arteriosklerose/pAVK,

Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

Druckeinwirkung auf den Wundbereich,

Wundinfektion,

Stoffwechselstörung (z. B. Diabetes mellitus),

Störungen des Immunsystems:

Psychosozialer Stress,

Medikamentöse Suppression,

Autoimmunerkrankungen,

Nikotinabusus (nikotinbedingte Gefäßsklerose),

Übergewicht,

Mangelernährung,

konsumierende Grunderkrankungen,

Wissensdefizit – mangelndes Krankheitsverständnis,

genetische Disposition,

Hauterkrankungen (z. B. Psoriasis),

fortgeschrittenes Alter.

1.2.2Was sind typische Kennzeichen einer chronischen Wunde?

Vorhandensein pathophysiologischer Ursachen wie z. B. pAVK oder CVI,

langsame bis stagnierende (»stillstehende«) Heilung,

untypischer Ablauf der physiologischen Wundheilungsphasen oder Verharren in einer Wundheilungsphase,

gestörte Mikro- und Makrozirkulation, zum Beispiel aufgrund pathophysiologischer Ursachen,

lokale Abwehrstörung,

typischerweise Kontamination, Kolonisation, kritische Kolonisation bis Infektion, also das Vorhandensein von Keimen in der Wunde, oft in hoher Keimzahl,

Fibrinpersistenz als Zeichen der Chronifizierung,

Migrationsdefekt der Keratinozyten, das heißt die Epithelisation und das Einwandern neuer Epithelzellen ist gestört, sodass es nicht zum Wundverschluss kommen kann.

1.3Was sind die häufigsten chronischen Wunden?

Ulcus cruris venosum/arteriosum/mixtum (image Kap. 1.6),

Dekubitus,

postoperative Wundheilungsstörungen,

diabetisches Fußulcus (image Kap. 1.8),

Tumorwunden (z. B. exulzerierende Tumore oder Metastasen),

prätibiale Läsionen (image Kap. 1.9).

Unter allen chronischen Wunden ist wohl die häufigste das venöse Ulcus cruris, gefolgt vom Dekubitus. Nicht zu vergessen ist, dass die Zahl der Tumorwunden steigt, da die Patienten immer älter werden und die Häufigkeit der Tumorerkrankungen zunimmt.

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Bei einer Tumorwunde (malignom-assoziierten Wunde) handelt es sich nicht um eine klassische chronische Wunde. Vielmehr spiegelt sie den Zeitraum wieder, seitdem sie besteht und auch die Tatsache, dass es in der Regel keine Chance auf Abheilung gibt.

1.3.1Was ist eine Artefaktwunde?

Definition Artefaktwunde

Eine Artefaktwunde ist eine Wunde, die der Patient sich selbst zufügt und/oder durch Manipulation erhält und somit eine Abheilung verhindert.

Zumeist sind die Ursachen für solche Wunden im psychischen Bereich zu suchen. Häufig sind jüngere Menschen betroffen. Deshalb sollte bei der Behandlung neben einer lokalen Therapie auch eine psychologische/psychiatrische Betreuung durchgeführt werden.

Immer wieder kann es nötig werden, die Wunden für den Patienten unzugänglich zu machen, indem z. B. ein Gipsverband angelegt wird.

In der ambulanten Pflege kommt es immer wieder vor, dass Betroffene in ihren Wunden manipulieren, um diese zu erhalten. Hier kommen psychosoziale Aspekte zum Tragen, da eine abgeheilte Wunde dazu führt, dass niemand mehr kommt. Für die Betroffenen ist aber der tägliche bzw. mehrmals wöchentliche Kontakt wichtig, besonders im Hinblick auf die Vereinsamung älterer, alleinstehender Menschen. Deshalb ist es in einem solchen Fall sinnvoll, das Therapieziel anders auszurichten – Weg von der Abheilung, hin zum Statuserhalt und der Vermeidung von Komplikationen, wie z. B. die Entstehung einer Wundinfektion.

1.4Was ist eine Strahlenulzeration?

Definition Strahlenulzeration

Solche Ulzerationen sind, ähnlich wie ein Sonnenbrand, eine Verbrennung der Haut, die von oberflächlichen Verbrennungen bis hin zu tieferen Hautschichten reichen können. Die einzelnen Hautschichten werden je nach Bestrahlungstiefe nach der Bestrahlung schlechter durchblutet, was durch Gefäßschäden im Bereich der Kapillaren verursacht wird.

In der Folge atrophiert die Haut, wodurch sie dünner wird, Unterhautfettgewebe verschwindet, was Ulzerationen zur Folge hat. Strahlenschäden der Haut können irreversibel sein. Ihre Entstehung ist abhängig von der Strahlendosis. Muss ein Tumor mit einer höheren Dosis behandelt werden, kann es zu diesen Verbrennungen im Bestrahlungsgebiet kommen.

Glücklicherweise sind Strahlenulzerationen aufgrund der heute verwendeten Bestrahlungstechniken seltener geworden.

In welche Stadien teilt man Strahlenschäden ein?

Ob und wie ausgeprägt Strahlenschäden auftreten, hängt von der Strahlendosis, der Bestrahlungsdauer und der Hautbeschaffenheit des Betroffenen ab. Die Strahlenschäden lassen sich wie folgt unterscheiden:

Früherythem: Es kommt direkt nach der Bestrahlung zu einer leichten Hautrötung, anschließendem lokalen Haarausfall, Abschuppung der Haut und leichter Hyperpigmentierung. Dieses Stadium ist voll reversibel.

Dermatitis erythematodes: Die Symptome treten wie bei einer akuten Hautentzündung mit Ödemen, Spannungsgefühl und Schmerzen der Haut auf. Vorübergehender Haarausfall und Hyperpigmentierung können als Spätschäden auftreten. Ab einer Strahlendosis von 6 Gy (Gray) bzw. 600 rd (Rad).

Dermatitis bullosa: Es entstehen nicht nur Verbrennungen 2. Grades, sondern auch blasige Abhebungen der Epidermis sowie starke Erytheme. Es kommt zu einer dauerhaften Schädigung der Haut, wobei die betroffenen Hautkapillaren atrophisch werden. Haare und Talgdrüsen können nicht mehr regeneriert werden. Ab einer Strahlendosis von 8–10 Gy (Gray) bzw. 800–1000 rd (Rad).

Dermatitis gangraenosa: Dabei handelt es sich um Gewebe, das einer hohen Strahlendosis ausgesetzt wurde und nekrotisch geworden ist. Diese Strahlenulcera sind schwer zu therapieren und haben eine sehr schlechte bzw. keine Heilungstendenz. Zudem können sich daraus maligne Hauttumoren entwickeln.

RTOG/EORTC Late Radiation Morbidity Scoring Schema (2019)

Grad 0: Keine

Grad 1: Leichte Atrophie, Veränderungen der Pigmentierung, Verlust von einzelnen Haaren

Grad 2: Atrophie des Hautareals, moderate Teleangiektasie, vollständiger Haarverlust

Grad 3: deutliche Atrophie, ausgeprägte Teleangiektasie

Grad 4: Ulzeration

1.5Wie wird ein Dekubitus klassifiziert?

Tab. 3: Klassifizierung nach dem European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP)/National Pressure Injury Advisory Panel (NPIAP)/Pan Pacific Pressure Injury Alliance (PPPIA) 2014

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Die Einteilung nach Seiler ist veraltet und sollte durch die Internationale Einteilung ersetzt werden.

1.6Was ist ein Ulcus cruris?

Definition Ulcus cruris

Bei einem Ulcus cruris handelt es sich um eine Gewebeschädigung am Unterschenkel, die mindestens bis in die Dermis reicht und aufgrund verschiedener Ursachen auftreten und über sehr lange Zeit (manchmal über Jahre und Jahrzehnte) bestehen kann.

Bei der Bezeichnung »Ulcus cruris« handelt es sich nur um die Beschreibung eines Symptoms – nicht um eine Diagnose. Es wird erst zur Diagnose, wenn die Entstehungsursache mit bezeichnet wird, z. B. Ulcus cruris venosum.

1.6.1Was sind die häufigsten Ursachen für ein Ulcus cruris?

Mit 70 Prozent ist die chronisch venöse Insuffizienz (CVI) die häufigste Ursache für ein Ulcus cruris.

Andere Ursachen und ihre Häufigkeit:

Periphere arterielle Erkrankungen (10 Prozent)

Gemischt venös-arterielle Erkrankungen (10–15 Prozent)

Andere Ursachen (Diabetes mellitus, bösartige Erkrankungen, Vaskulitis) (5–10 Prozent)

Die Entstehungsursachen für ein Ulcus cruris sind vielfältig, wobei die chronisch venöse Insuffizienz die häufigste Ursache darstellt, gefolgt von arteriellen und gemischt venös-arteriellen Erkrankungen.

Weitere Ursachen:

Neoplasien (gut- oder bösartige Neubildung von Körpergewebe), malignom-assoziierte Wunden),

Traumata,

Infektionen, Parasiten, Mykosen,

dermatologische Erkrankungen,

lymphatische Erkrankungen,

Vaskulitis, Autoimmunerkrankungen,

Nervenschädigungen,

allergische Reaktionen,

metabolische Störungen,

hämatologische Erkrankungen.

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Info

Die genauen Bezeichnungen bei einem Ulcus cruris lauten:

Ulcus cruris: Ein Ulcus an einem Unterschenkel.

Ulcera cruris: Mehrere Ulzera an einem Unterschenkel.

Ulcera crurum: Mehrere Ulzera an beiden Unterschenkeln.

1.6.2Wie entsteht ein Ulcus cruris venosum?

Bei einem Ulcus cruris venosum handelt es sich um das schwerste Symptom der chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Es kommt zu einer Stoffwechselstörung der Cutis und Subcutis und schließlich zum Untergang von Gewebe. Dieser wird verursacht, da die Venen das Blut nicht abtransportieren können. Es kommt so zu einem erhöhten Druck in den Venen, dadurch stellen sich die Gefäßwände weit, Erythrozyten treten aus und lagern sich in der Dermis ab, wo sie eine braune Verfärbung hinterlassen (Hämosiderose).

Die häufigste Lokalisation für ein Ulcus cruris venosum ist oberhalb des Innenknöchels. Es kann jedoch auch an anderen Stellen des Unterschenkels auftreten.

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Info

Die beste Prophylaxe eines Ulcus cruris venosum ist eine adäquate Kompressionstherapie mittels angepasstem Kompressionsstrumpf, um den venösen Rückfluss und den Gewebsstoffwechsel zu verbessern. Basistherapie eines Ulcus cruris venosum ist immer eine Kompressionstherapie.

1.7Wie entsteht eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)?

Bei einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit kommt es zu Veränderungen des arteriellen Gefäßsystems in der Peripherie. Das Lumen der arteriellen Gefäße verengt sich, z. B. durch Ablagerungen, die aufgrund von ständig hohen Blutzuckerwerten, Cholesterin etc. entstehen können. Die Verengung kann bis hin zum Verschluss des Gefäßes reichen, was wiederum zum Untergang des Gewebes im Versorgungsgebiet der betroffenen Arterie führt. Dieser Gewebsuntergang kann durch die mangelnde Durchblutung und des daraus resultierenden Sauerstoffmangels sehr schnell vonstattengehen.

1.7.1Welche pAVK-Stadien lassen sich unterscheiden?

Tab. 7: Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) nach Fontaine.

Stadium I Keine Beschwerden, evtl. leichte Ermüdbarkeit
Stadium II
Stadium II a
Stadium II b
Claudicatio intermittens (»Schaufensterkrankheit«)
Gehstrecke > 200 m
Gehstrecke < 200 m
Stadium III (nächtlicher) Ruheschmerz
Stadium IV Dauerschmerz, Gangrän und/oder Ulcus

Tab. 8: Einteilung der pAVK nach Fontaine/Rutherford

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Wie lässt sich ein Ulcus cruris aufgrund einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) von einem Ulcus cruris aufgrund einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) unterscheiden? Tabelle 9 gibt Auskunft!

1.7.2Wie entsteht ein Ulcus cruris arteriosum?

Ein Ulcus cruris arteriosum entsteht durch den Abbruch der Blutversorgung in der arteriellen Endstrombahn, meist aufgrund einer Arteriosklerose der großen und mittleren Gefäße. Es kommt zu einem Gewebsuntergang, einer Nekrose und zur Entstehung einer Wunde, dem Ulcus cruris arteriosum.

Die häufigsten Stellen arterieller Ulcera am Fuß sind die Endglieder der Zehen und Nägel, der jeweilige Bereich des Nagelbettes sowie die Köpfchen der Metatarsale I und II (Mittelfußknochen).

Tab. 4: Stadieneinteilung eines Ulcus cruris venosum

Stadium Aussehen Schmerzen
Akut Frische Wunde, evtl. mit Begleitphlebitis +++
Subakut Wunde mit deutlichen Granulationen +
Chronisch Alte Wunden mit Belägen (+)

Tab. 5: Stadieneinteilung der venösen Insuffizienz (Marschall und Wüstenberg 1994).

Grad Beschreibung
1 Corona phlebectatica paraplantaris, Phleb-Ödem
2 Zusätzlich trophische Störungen mit Ausnahme des Ulcus cruris (z. B. Dermatoliposklerose, Pigmentveränderungen, weiße Atrophie)
3 Ulcus cruris venosum
Grad 3a: abgeheiltes Ulcus cruris venosum
Grad 3b: florides (bestehendes) Ulcus cruris venosum

1.7.3Was ist ein Ulcus cruris hypertonicum?

Definition Ulcus cruris hypertonicum

Als Ulcus cruris hypertonicum wird das Auftreten ischämisch, schmerzhafter Nekrosen bei Patienten mit arterieller Hypertonie bezeichnet.

Davon sind mehr Frauen als Männer betroffen. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr.

Einem Ulcus cruris hypertonicum liegt eine arterielle Hypertonie zugrunde, die meist seit vielen Jahren besteht und schlecht eingestellt ist. Bei mehr als der Hälfte der Patienten besteht zudem ein Diabetes mellitus Typ 2. Die genaue Pathogenese eines Ulcus cruris hypertonicum ist noch nicht bekannt.

Es gibt keine spezifische Diagnostik für diese Art des Ulcus cruris, vielmehr handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose bei Betroffenen mit einer ausgeprägten bzw. therapierefraktären (= nicht auf eine Therapie ansprechenden) arteriellen Hypertonie. Typischerweise liegen die arteriellen diastolischen Drücke bei solchen Patienten dauerhaft über 95 mmHg.

Klinischer Befund

Es kommt zur Entstehung von äußerst schmerzhaften Ulzerationen, die einen polyzyklischen (griech. Polýs = mehrfach, mehrmals; kyklikós = kreisförmig, ringförmig) violett-schwarzen Rand haben und meist an den distalen Partien des Unterschenkels liegen, oberhalb des Malleolus lateralis (am oberen Sprunggelenk). Bei der Hälfte der Patienten kommt es zu einem beidseitigen Auftreten von Ulzera. Seltener findet man die Ulzerationen über der Achillessehne. Vereinzelt entstehen sie auch am Fußrücken.

Den Beginn beschreiben die Patienten mit einem spontanen Auftreten einer lividen Makula (Fleck, Hautverfärbung) oder eines Nodus (Knoten). Seltener tritt ein Ulcus cruris hypertonicum nach einem Minimaltrauma auf.

Die sich rasch ausbreitende Nekrosen, die aufgrund des Infarktgeschehens im Gewebe entstehen, reichen bis in die Subcutis, evtl. sogar bis zu den Faszien. Es gibt nahezu immer begleitende Ödeme.

Therapie

Beginn bzw. Anpassung der antihypertensiven Therapie, um normale Blutdruckwerte zu erreichen und den arteriellen Druck zu senken.

Die Betroffenen benötigen eine adäquate Schmerztherapie.

Die lokale Wundtherapie richtet sich nach dem aktuellen Wundzustand.

1.7.4Was ist der Ratschow-Test?

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Beim Ratschow-Test oder der sog. Ratschow-Probe handelt es sich um einen Test im Rahmen der Untersuchung der Beine zur Beurteilung einer arteriellen Durchblutungsstörung der Beine oder des Beckens.

Im ersten Teil des Tests liegt der Patient auf dem Rücken und hebt die Beine senkrecht an (evtl. mit Unterstützung). Dabei kreist er 2–5 Minuten mit den Füßen.

Physiologisch: 10 Minuten ist der Test ohne Probleme durchführbar.

Pathologisch: Beine erblassen und schmerzen und es kommt zur Ermüdung. Ab diesem Zeitpunkt wird dokumentiert.

Im zweiten Teil des Tests setzt der Betroffenen sich auf und lässt die Beine hängen. Die Zeit bis zur Venenfüllung wird gemessen.

Physiologisch: Sekunden nach dem Aufsetzen zeigt sich eine deutliche Rötung und nach 10–15 Sekunden sind die Venen wieder gefüllt.

Pathologisch: Die Venenfüllung tritt erst nach 15 Sekunden ein, ebenso besteht eine verzögerte Rötung (je später, desto peripherer liegt der Gefäßverschluss).

Becken: 15-20 Sekunden

Femoral: 20–30 Sekunden

Unterschenkel: 30–60 Sekunden

Bei dunkelroter Verfärbung: Shunt, venöse Insuffizienz3

Tab. 10: Der Ratschow-Test

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1.7.5Wie kommt es zu der dünnen Haut bei pAVK?

Die Haut bei einem Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist aufgrund der schlechten Durchblutungssituation mangelernährt. Es gelangen keine ausreichenden Nährstoffe und Sauerstoff in diese Bezirke. Die Zellteilung und der Hautaufbau sind deshalb gestört und können nicht so umfassend erfolgen, wie dies bei intakter Durchblutung der Fall ist.

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Die Haut ist dünn, porös, kühl und reißt schon bei geringer Krafteinwirkung.

1.7.6Wie kommt es zu der bräunlichen Verfärbung der Haut bei einer chronisch venösen Insuffizienz?

Durch den hohen Druck auf das venöse Gefäßsystem kommt es zu einem »Auspressen« von Erythrozyten ins Gewebe, die dort verbleiben, da sie nicht mehr zurück ins Gefäßsystem gelangen können. Durch den Abbau des Hämoglobins entsteht Hämosiderin, das sich im Gewebe ablagert und zu dieser bräunlichen Verfärbung führt. Besteht die Verfärbung noch nicht sehr lange, kann sie sich durch eine konsequente Kompressionstherapie zur Verbesserung des venösen Rückflusses wieder zurückbilden. Besteht die Hyperpigmentierung der Haut über einen längeren Zeitraum, bildet sie sich nicht mehr zurück.

1.8Was ist das Diabetische Fußsyndrom?

Definition Diabetisches Fußsyndrom

Unter dem Begriff »Diabetisches Fußsyndrom« werden verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die eine Infektion, Ulzeration und/oder Destruktion tiefen Gewebes des Fußes eines Diabetikers umfassen, die mit neurologischen Auffälligkeiten und verschiedenen Graden einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in der unteren Extremität einhergehen (nach Definition der WHO).

Allerdings sollten hierzu auch bei Diabetikern häufig auftretende Pilzinfektionen der Füße und Nekrosen gezählt werden. Eine Komplikation des Diabetischen Fußsyndroms ist das Diabetische Fußulcus.

Tab. 11: Gradeinteilung des Diabetischen Fußsyndroms nach Wagner/Armstrong

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Diese Tabelle (image Tab. 11) zeigt an, in welchen Bereichen und bis zu welcher Gewebstiefe ein Defekt vorhanden ist. Zudem wird beschrieben, ob zusätzlich eine Infektion und/oder Ischämie vorliegt.

Tab. 12: Gradeinteilung nach Wagner (1981)

Grad 0 Keine Läsion, evtl. Fußdeformation oder Cellulitis
Grad 1 Oberflächliches Ulcus
Grad 2 Tiefes Ulcus bis zur Gelenkkapsel
Grad 3 Tiefes Ulcus mit Abszedierung, Osteomyelitis, Infektion der Gelenkkapsel
Grad 4 Begrenzte Vorfuß- oder Fersennekrose
Grad 5 Nekrose des gesamten Fußes

1.8.1Welche Anzeichen für Schädigungen zeigen sich am Fuß eines Diabetikers?

Neuropathieformen

Sensorisch: Hierunter versteht man den Verlust der Sensibilität der Nervenfasern, was zu einer mangelhaften bis schließlich fehlenden Wahrnehmung von Reizen, wie z. B. Reibung/Druck durch Schuhwerk oder Temperaturschwankungen führt. Der Patient hat eine reduzierte Schmerzwahrnehmung. Auch eine vorhandene Wunde am Fuß wird nicht wahrgenommen.

Autonom: Bei dieser Form kommt es zu einer verminderten Schweißbildung, wodurch trockene, rissige Haut entsteht. Da die nervale Regulation der Gefäßengstellung betroffen ist (Funktion des Sympatikus), führt dies zu einer Steigerung der Durchblutung und somit zu warmen Füßen auch bei niedrigen Temperaturen.

Motorisch: Durch die Fehlfunktion der motorischen Nerven zur Fußbewegung kommt es zur eingeschränkten Beweglichkeit des Sprunggelenks und somit zur Druckerhöhung auf die Fußsohle. Die motorische Neuropathie zeigt sich durch die Verformung des Fußes und der Zehen (Krallenzehen, Hammerzehen). Der Patient leidet unter Ganganomalien und ist deutlich sturzgefährdet.

Hinweise auf eine Nervenschädigung:

Empfindungsstörungen

Taubheitsgefühl, Brennen, Kribbeln in Zehen und Füßen

Schmerz bei ruhenden Füßen, vor allem nachts, und Schmerzlinderung bei Umhergehen oder Kühlen

Gelenkschwellung, sowie starke Neigung zum Verhornen der Haut und zu Nagelpilz

Verminderung oder Verlust von Temperatur- und Schmerzempfinden

Durchblutungsstörungen

Durchblutungsstörungen im Rahmen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) zeigen meist folgende Auffälligkeiten, wie

kalte Füße,

dünne, pergamentartige, blasse Haut,

Druckstellen (rötliche Verfärbungen, die sich nicht wegdrücken lassen),

Wadenschmerzen beim Gehen, Linderung durch Stehenbleiben (»Schaufensterkrankheit«),

Veränderungen des Nagelwuchses oder Nagelverlust,

Gewebszyanose,

Haarausfall auf den Großzehen, später am Unterschenkel (Alopezia cruris),

fehlender Hautschutzfilm, dadurch trockene Haut und erhöhtes Risiko für Fußpilz.

1.8.2Was ist die PEDIS-Klassifikation?

Bei der PEDIS-Klassifikation (image Tab. 13) handelt es sich um eine Facetten-Klassifikation, mit der ein diabetisches Fußulcus erfasst wird.

1.8.3Welche Infektionen treten beim diabetischen Fußsyndrom auf?

Unterschieden werden die Infektionen beim diabetischen Fußsyndrom in extemitätengefährdend und nicht-extremitätengefährdend.

1.Extremitätengefährdend: Hierbei handelt es sich um eine Infektion, die sich mehr als 2 cm über den Wundrand hinaus ausbreitet. Zudem liegt tastbarer Knochen im Wundbett vor und es besteht eine Gewebsischämie.

2.Nicht-Extremitätengefährdend: Hierbei handelt es sich um eine oberflächliche Infektion innerhalb von 2 cm um den Wundrand. Es ist keine signifikante Ischämie vorhanden und ebenfalls kein tastbarer Knochen im Wundbett.

Tab. 14: Klinische Klassifikation der Fußinfektionen DGfW (Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. nach Wagner 1981; Armstrong et al. 1998)

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1.8.4Welche Infektionszeichen treten bei einem diabetischen Fußsyndrom auf?

Unkontrollierbare Blutzuckerwerte oder Hyperglykämien (kann das erste Zeichen einer Infektion sein, da Diabetiker häufig keine typischen systemischen Zeichen zeigen),

4° bis 5° Temperaturunterschied zwischen den gleichen Fußbereichen (lokales Infektionszeichen),

Osteomyelitis in tiefen Wunden (sichtbarer oder tastbarer Knochen).

1.9Was ist eine prätibiale Läsion?

Prätibiale Läsionen finden sich vorwiegend bei älteren Menschen im Bereich der Unterschenkel in der Nähe der Tibia oder über der Tibia. Es handelt sich um eine traumatische Wunde.

Die häufigste Wundursache ist das Anstoßen an z. B. Möbelstücken, Gehhilfen oder sonstigen Kanten. Dabei kommt es aufgrund der dünnen Haut und der Kapillarbrüchigkeit bei älteren Menschen zu Einblutungen. Diese Einblutungen ins Gewebe bewirken Gewebsschädigungen und schließlich die Ulceration der Haut.

Die Traumata heilen aufgrund der schlechten Zellteilungsrate und der reduzierten Hauternährung und -durchblutung bei älteren Menschen schlechter ab.

1.10Wodurch entstehen postoperative Wundheilungsstörungen?

Zu den Ursachen für postoperative Wundheilungsstörungen gehören Infektionen, Hämatome, Serome und Ödeme. Weitere Ursachen können ein zu frühes Entfernen von Nahtmaterial, eine Allergie auf das verwendete Nahtmaterial sowie eine verzögerte Wundheilung aufgrund von Medikamenten, wie z. B. die Dauereinnahme von Cortison, sein.

1.11Wie lassen sich Wunden erkennen, die durch Mykosen entstanden sind?

Wunden, die durch eine Mykose entstanden sind, haben häufig mazerierte, erhabene Wundränder, die Haut löst sich ab. Zudem betreffen diese Wunden zumeist nur die Epidermis. Die Papillen der Dermis bleiben sichtbar und unverletzt. Die Wunden sind in der Regel mit einem weißlich festsitzenden Belag bedeckt, der sich nicht entfernen lässt. Die Patienten klagen zumeist über ein Jucken und Brennen an den betroffenen Stellen.

Zumeist lässt sich eine Verfärbung der Haut erkennen, die sich nach Abheilung und im Laufe von Wochen langsam zurückbildet.

Sehr häufig treten diese Wunden bei immunabwehrgeschwächten Menschen auf, etwa bei onkologischen Patienten, Personen mit einer systemischen Infektion, intensivpflichtigen Patienten, immunsuppremierten Patienten und Menschen mit Autoimmunerkrankungen in akuten Schüben und bei Antibiotikatherapie. Aber auch alte Menschen, die zu den immuninkompetenten Personen zählen, neigen zu Mykosen.

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Wunden mykotischer Ursachen sind am häufigsten im Anal- und Sakrumbereich und in Hautfalten zu finden.

1.12Sind Wunden in der Analfalte immer ein Dekubitus?

Bei Wunden in der Analfalte handelt es sich in der Regel nicht um einen Dekubitus, sondern um eine Wunde, die aufgrund von zu viel Feuchtigkeit entstanden ist. Der Schwerpunkt des Körpers liegt am Sakrum, sodass bei einem Patienten, der auf dem Rücken liegt, dort der größte Druck einwirkt und nicht auf den Analbereich und die Analfalte. Ausnahme kann das Verwenden von Sitzringen sein, die bei Verrutschen Druck in diesem Bereich ausüben können.

1.13Was ist eine Feuchtigkeitsläsion?

Definition Feuchtigkeitsläsion

Bei einer Feuchtigkeitsläsion (feuchtigkeitsbedingte Läsion) handelt es sich um eine Wunde, die nicht aufgrund von Druck oder Scherkräften entstanden ist. Bei der Entstehung muss Feuchtigkeit vorhanden sein, z. B. durch Urin, Diarrhoe oder starkes Schwitzen. Die Feuchtigkeit führt – wenn sie über eine gewisse Zeit auf der Haut verbleibt und dadurch einwirken kann – zu einem Aufweichen der obersten Hautschicht.

Feuchtigkeitsläsionen sind zumeist oberflächlich (teilweiser Hautverlust), können sich aber beträchtlich im Umfang und in der Tiefe vergrößern, falls sie sich infizieren. Es lassen sich bei diesen Wunden keine Nekrosen finden. Sie besitzen oft diffuse oder unregelmäßige Wundränder, die Epidermis ist mazeriert und/oder eingerissen.

Bei Läsionen, die in der Analfalte liegen, auf diese beschränkt sind und eine lineare Form haben, handelt es sich in der Regel um eine Feuchtigkeitsläsion und nicht um einen Dekubitus. Liegen Rötungen und Hautirritationen im Analbereich vor, handelt es sich in der Regel um eine Feuchtigkeitsläsion infolge von Kontakt mit Stuhlgang.

Feuchtigkeitsbedingte Läsionen in Hautfalten entstehen durch eine Kombination von Feuchtigkeit und Reibung.

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Feuchtigkeitsläsionen werden oft fälschlicherweise als Dekubitus bezeichnet.

Wichtig ist, die Wunde vor einem weiteren Kontakt mit der Feuchtigkeit zu schützen, um sie so zur Abheilung zu bringen. Deshalb sollten Verbände benutzt werden, die semipermeabel sind und keine Feuchtigkeit/Flüssigkeit nach innen dringen lassen.

1.14Welche Ulcerationen entstehen durch Autoimmunerkrankungen?

Die häufigsten Autoimmunerkrankungen, die Ulcerationen der Haut auslösen:

Pyoderma gangraenosum,

Vaskulitis,

Sklerodermie.

Bei einer Pyoderma gangraenosum handelt es sich um ein chronisches, herdförmiges Hautgeschwür unbekannter Ursache. Nach der Abheilung entstehen typische atrophe hyper- und hypopigmentierte Narben.

Häufig treten bei der Ulcusbildung sterile eitrige Pusteln auf, wobei die Pustelherde destruierend nach peripher wachsen. Die Ulcerationen können sehr schmerzhaft sein. Sie zeigen sich als scharf begrenzte Wunden mit oft erhabenen violetten Rändern.

Das Pyoderma gangraenosum tritt gehäuft mit chronischen Erkrankungen wie z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Hepatitis, rheumatoide Arthritis, myeloproliferative Erkrankungen oder monoklonale Gammopathie auf. Bei 30–50 Prozent der Betroffenen findet sich jedoch keine Grunderkrankung.

Bei einer Vaskulitis handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der Blutgefäße, deren Entstehungsursachen größtenteils unbekannt sind. Dabei kann es zu unterschiedlichen Formen kommen.

Bei der Entstehung von Ulcerationen der Haut, kommt es zu einer Entzündung der kleinsten Gefäße, wobei das betroffene Organ – in diesem Fall die Haut – geschädigt wird. Es kommt zu fleckigen Hautrötungen (Purpura), netzförmigen Hautrötungen (Livedo reticularis) und schließlich geschwürig aufbrechenden, offenen Stellen (Ulcerationen).

Die Sklerodermie gehört zur Gruppe der Kollagenosen, also der chronisch-rheumatisch, entzündlichen Systemerkrankung, und führt zu einer Verhärtung (Sklerosierung) der Haut.

Dabei ist die Regulation der Fibroblasten gestört. Fibroblasten sind maßgeblich am Aufbau der Interzellularsubstanz des Kollagens beteiligt. Durch die Kollagenhäufung kommt es zu einer Fibrose (Sklerose) der Haut und zur Verengung von Blutgefäßen (oblitierende Angiopathie), was wiederum zur Ausbildung sogenannt digitaler Ulcerationen führen kann.

Eine Sonderform der Sklerodermie ist das sogenannte CREST-Syndrom:

Calcinosis cutis (Einlagerung von Kalk unter der Haut)

Raynaud-Syndrom (arterielle Durchblutungsstörung vorwiegend der Finger und Hände, was zu Nekrosebildung der Fingerendglieder führen kann).

Ösophagale (engl. esophageal) Dysfunktion (Schluckstörung)

Sklerodaktylie (dünne, blasse, verhärtete Finger)

Teleangiektasien (mit bloßem Auge sichtbare, erweiterte Kapillargefäße der Haut), vor allem im Gesicht und an den Händen.

1.15Was ist ein Gangrän?

Definition Gangrän

Als Gangrän wird eine periphere Gewebsnekrose aufgrund einer Ischämie und somit einer Sauerstoffunterversorgung des betroffenen Areals bezeichnet. Sie ist akral (Zehen, Fuß) lokalisiert und meist scharf begrenzt. Das Gangrän ist schwarz verfärbt, scharf demarkiert (abgegrenzt).

Trockenes Gangrän: Es besteht eine schwärzliche Verfärbung des nekrotischen Areals durch Blutabbauprodukte. Durch Verdunstung der Flüssigkeit aus dem Gewebe kommt es zur Schrumpfung und Vertrocknung (»Mumifizierung«) des Gewebes.

Feuchtes Gangrän (Faulbrand): Aufgrund einer Infektion mit Fäulnisbakterien verfärbt sich das nekrotische Areal durch Eiweißzersetzung (Proteolyse) und wird somit verflüssigt.

1.16Was sind die häufigsten Ursachen für Tumorwunden?

Zu den häufigsten Ursachen für die Entstehung einer Tumorwunde (malignom-assoziierte Wunde) zählen:

Invasion der Haut (direkte Tumorinfiltration) durch einen darunterliegenden lokalen fortgeschrittenen Primär- oder Rezidivtumor, z. B. Mamma-Carcinom, kutanes T-Zell-Lymphom,

primärer Hauttumor (im speziellen ein unbehandeltes oder wiederkehrendes Plattenepithelkarzinom oder Melanom),

Tumorwachstum,

Tumorzerfall,

Fernmetastasierung eines Tumors über Blut- und Lymphgefäße, lokale Metastasen,

Verletzung im Bereich des Tumors,

Entartung einer langbestehenden chronischen Wunde, z. B. bei Ulcus cruris,

Implantation oder »Einpflanzung« während einer Operation,

Defizit zwischen ungehemmten Zellwachstum und tumoreigener Blutversorgung.

1.17Was sind die häufigsten Probleme bei Patienten mit Tumorwunden?

Teilweise sehr starke Exsudation,

Tumorblutungen,

Wundinfektionen,

Geruch,

Schmerz,

Ernährungsdefizit,

psychische Belastung,

Reaktive/brüchige/verletzliche Wundumgebungshaut,

Juckreiz.

image

Tumorwunden lassen sich oft bei Menschen in Palliativsituationen finden, die zumeist nicht mehr kurativ behandelt werden können. Wichtig sind hierbei die Steigerung und die Erhaltung der Lebensqualität des Betroffenen. Die Wundheilung steht hierbei nicht im Vordergrund.

1.17.1Was kennzeichnet die Wundbehandlung von Tumorwunden?

Bei der Wundversorgung von Tumorwunden ist es wichtig, mit äußerster Vorsicht vorzugehen, da:

diese Wunden zu starken Blutungen neigen,

das Tumorgewebe einerseits sehr brüchig und

andererseits – durch das ausgeprägte Gefäßwachstum im Tumor selbst – stark durchblutet ist.

Ein Débridement (image Kap. 5.2) sollte nur in Ausnahmefällen vorgenommen und sehr vorsichtig ausgeführt werden. Festhaftende Nekrosen sollten lieber belassen werden. Vor einem Débridement ist es ratsam den Gerinnungsstatus des Patienten zu bestimmen.

Spülungen von Tumorwunden dürfen keinesfalls mit hohem Druck erfolgen, da dies zu einer Verletzung des Gewebes und somit zu einer Tumorblutung führen kann.

Jede Verletzung des Tumorgewebes führt neben einer Blutung zur Vergrößerung der Wundoberfläche und bietet somit Keimen eine größere Eintrittspforte.

Einer der wichtigsten Aspekte ist die Infektionsprophylaxe und die Infektionsbehandlung, da jeder Wundinfekt aufgrund der schlechten Immunsituation des Patienten zu einer lebensbedrohlichen Situation führen kann. Hier ist es wichtig antiseptisch (z. B. mit Octenisept®, Serasept®), unter Berücksichtigung der Einwirkzeit, zu arbeiten und lieber frühzeitig silberhaltige Verbandstoffe oder bakterienbindende Fasern einzusetzen.

Ein gutes Exsudatmanagement ist wichtig, da Tumore teilweise zu sehr starker Exsudation neigen. Hier haben sich superabsorbierende Kompressen gut bewährt, die Polyacrylatgranulat enthalten und große Mengen an Flüssigkeit aufnehmen können. Zudem hat das Polyacrylatgranulat den Vorteil, dass es durch seine Bindungsfähigkeit von eiweißhaltigen Stoffen, wie z. B. Zelltrümmer oder Bakterien, für eine Reduzierung des Geruchs sorgt.

Der Schutz der Wundränder und der Wundumgebung bei Tumorwunden ist wichtig, da diese Areale sehr empfindlich sind und insbesondere durch Exsudat sehr schnell angegriffen werden können. Dies passiert schneller als bei intakten Hautbezirken, die in der Regel widerstandsfähiger sind. Gut zum Hautschutz eignen sich transparente Hautschutzfilme. Diese decken die Wundränder mit einem dünnen, durchsichtigen Film ab. So lassen sich die Wundränder immer noch gut beurteilen. Bei Verwendung von Zinkpaste besteht das Problem, dass die Wundränder undurchsichtig abgedeckt und nicht mehr beurteilbar sind. Eine Rötung als erstes Zeichen für eine beginnende Wundinfektion kann dann nicht mehr erkannt werden. Zudem haften Pasten sehr stark, führen zur vollständigen Abdeckung der Haut und lassen sich nur schwer wieder entfernen, häufig nur unter starker Reibung, was zu einer Verletzung der empfindlichen, brüchigen Wundumgebung von Tumorwunden führen kann.

Jegliche Manipulationen in der Wunde sollten im Hinblick auf Blutungsneigung und Infektionsrisiko vermieden werden.

Diese Verbandsstoffe lassen sich auch gut unter superabsorbierenden Kompressen verwenden, um ein Ankleben zu verhindern. Ebenfalls eignet sich die Verwendung eines kombinierten Verbandstoffes, wie z. B. Cutimed® Sorbion® Sana, Zetuvit® Plus Silicone.

1.17.2Wie lassen sich Tumorblutungen behandeln?

Tumorblutungen können verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann ein invasives Tumorwachstum vorliegen, insbesondere auch in Blutgefäße infiltrierend, was zu Blutungen führt. Zusätzlich ist das Tumorgewebe sehr anfällig schon durch kleinste Verletzungen zu bluten, da es brüchig ist. Zudem sind viele Patienten aufgrund von Therapien wie Bestrahlung oder Chemotherapie in einem schlechten Allgemeinzustand. Ihre Gerinnung ist daher oft schlecht.

Primär hilft eine sanfte Kompression für 5–15 Minuten, um die Blutung physikalisch zu stoppen und die anlaufende Blutgerinnung zu unterstützen. Zu viele Kompressen oder gar Tücher wirken durch ihre Saugkraft eher blutungsfördernd als blutstillend. Empfehlenswert ist es, die lokale Kompression nur mit einem Handschuh auszuführen, da diese eine glatte Oberfläche besitzen und nicht so leicht mit dem Wundgrund verkleben können, wie dies bei einer Kompresse der Fall ist.

Kühlung, z. B. mithilfe von Eiswürfeln, sorgt zur Konstriktion der Gefäße. Dadurch lässt die Blutung nach. Wichtig ist dabei zu beachten, dass nur kurzfristig gekühlt wird. Sinkt die Temperatur im Gewebe zu weit ab, kommt es ansonsten anschließend zu einer Hyperämie und dadurch wieder zu einem erhöhten Blutungsrisiko.

Bei schwachen Tumorblutungen kann ein Alginat auf die Wunde aufgelegt werden. Aufgrund des hohen Anteils an Calcium im Alginat, kommt es zu einer hämostyptischen Wirkung durch die Aktivierung der Blutgerinnung. Das Alginat kann beim nächsten Verbandwechsel vorsichtig ausgespült werden, was einen atraumatischen Verbandwechsel ermöglicht.

Eine weitere Möglichkeit ist, eine mit Salbeitee getränkte Kompressen unter Kompression (max. für 10 Minuten) auf das blutende Areal aufzubringen. Salbei verfügt über eine adstringende (zusammenziehende) Wirkung auf die Blutgefäße. Zudem besitzt Salbei antibakterielle und antimykotische Eigenschaften.

Bei stärkeren Tumorblutungen besteht die Möglichkeit Hämostyptika (z. B. Tabotamp®) zu verwenden. Da diese mit der blutenden Stelle fest verkleben, sollte nicht versucht werden, diese wieder zu entfernen. Das würde zu neuen Blutungen führen.

Nasentropfen, die Xylometazolin oder Naphazolinnitrat enthalten, können auf Kompressen gegeben und so auf die Wunde gebracht werden. Durch die adrenalinähnliche Wirkung, kommt es zum Zusammenziehen der Gefäße.

Eine weitere Möglichkeit ist, adrenalingetränkte Kompressen (in der Verdünnung 1:10) unter Kompression auf die Blutungsquelle zu bringen. Adrenalin besitzt vasokonstritive (gefäßverengende) Eigenschaften.

Insbesondere bei exulcerierenden Tumoren im Bereich des Halses mit Nähe zur Arteria carotis oder in Nachbarschaft zu andere großen Gefäßen besteht die Gefahr des Verblutens. Sollte es zu starken Blutungen kommen, ist es ratsam dunkle Tücher bereitzulegen. Auf dunklen Stoffen ist Blut nicht so stark sichtbar, wie auf hellen bzw. weißen Materialien – der Patient wird so nicht zusätzlich durch den Anblick des vielen Blutes belastet und gestresst. Ebenso sollten, wann immer möglich, Sedativa bereitgehalten werden, um dem Patienten durch die beruhigende Wirkung die Panik zu nehmen.

Sonstige Möglichkeiten sind, z. B.:

Alaun-Lösung,

Silbernitrat-Stäbchen (»Höllenstifte«),

Tetryzolin (Augentropfen),

Tranexamsäure,

Marmor D6/Stibium D6 (»Marmorwasser«),

Resorbierbare Hämostyptika (Kollagen, Gelatine),

Acute event dressing (Hämostyptikum).

Bei den Mitteln, die zur Blutstillung bei Tumorwunden eingesetzt werden, handelt es sich zumeist um einen Off-label-use.

1.17.3Was kann man bei riechenden Tumorwunden tun?

Die häufigste Ursache für übelriechende Tumorwunden ist – neben dem Vorhandensein von Exsudat und zerfallendem Tumorgewebe – die Besiedelung und Vermehrung von anaeroben Keimen.

Möglichkeiten zur Geruchsreduktion sind, z. B.:

Die Geruchsbildung bei Tumorwunden lässt sich mit der Anwendung von kohlehaltigen Verbänden eindämmen. Dabei ist es bei der Anwendung von mehrschichtigen kohlehaltigen Verbänden wichtig, dass die Kohleschicht nicht auf die Wunde gelegt wird, sondern ähnlich einem Kohlefilter die obere, der Wunde abgewandte Schicht bildet. Nur so ist die Filterwirkung gegeben. Läge die Kohleseite direkt auf der Wunde, wäre sie zu schnell mit Exsudat durchfeuchtet und verlöre dadurch ihre Filterwirkung.

Ggf. können auch Kohleverbände eingesetzt werden, die zusätzlich Silber enthalten (z. B. Vliwaktiv® Ag, ACTISORB™ SILVER 220), da dadurch eine Keimreduzierung auf der Tumorwunde und so eine Geruchsreduzierung erreicht wird.

Eine 2 %ige Chlorophyll-Lösung wirkt desodorierend, allerdings kann es unter der Anwendung zu einer Grünfärbung im Wundbereich kommen. Besser eignet sich die systemische Gabe von Chlorophyll zur Geruchsreduktion, z. B. Stozzon®-Dragees.

Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Nilodor®. Hierbei handelt es sich um einen synthetisch hergestellten Geruchsbinder. Dieser darf nicht direkt in die Wunde gegeben werden, da es sich eigentlich um einen Geruchsbinder für Räumlichkeiten handelt. Er wird daher nur auf den geschlossenen Verband aufgebracht – wenige Tropfen sind ausreichend!

Um eine weitere Geruchsreduktion zu erreichen, besteht die Möglichkeit den aufgebrachten Verband mit Folie Haushaltsfolie oder einem Moltex zu verdecken und so den Geruch »einzuschließen«. Wichtig: Für die Fixierung ausschließlich hautfreundliches Pflaster verwenden! Dies ist nur eine kurzfristige Methode, um dem Betroffenen Sicherheit zu geben, zum Beispiel wenn er Besuch erwartet und befürchtet dieser könnte den Geruch der Wunde wahrnehmen. Weder Folien noch Moltex atmungsaktiv sind, deshalb müssen sie entfernt werden sobald dies möglich ist, um die Bildung einer feuchten Kammer zu vermeiden.

Eine kurzfristige Therapie mit Metronidazol-Lösung oder -Gel minimiert die Geruchsbildung durch das Abtöten der anearoben Keime. Die Behandlung sollte 5–7 Tage betragen und kann bei Bedarf wiederholt werden. Die Geruchsreduktion bei Tumorwunden ist die einzige Indikation für eine lokale Anwendung von Antibiotika in der Wundbehandlung.

Auch die Gabe von Clindamycin (z. B. Sobelin®) oder Metronidazol oral oder intravenös kann den Geruch vermindern.

Eine zusätzliche Möglichkeit ist der Einsatz von Aromatherapie und ätherischen Ölen. Wichtig ist, darauf zu achten, dass im stationären Bereich – oder im häuslichen Bereich bei gleichzeitiger Sauerstofftherapie (Brandgefahr!) – nur elektrische Duftlampen verwendet werden dürfen.

Kleine Einreibungen von Händen und Füßen mit wohlriechenden ätherischen Ölen eignen sich zur Entspannung. Der Patient kann danach an seinen Händen schnuppern, um sein Geruchsempfinden zu verbessern. Das trifft ebenso auf Waschungen mit in Wasser gelösten Ölen zu.

Bei Aromatherapie, Einreibungen und Waschungen sollten frische Düfte wie z. B. Zitrone, Orange, Apfel, Lemongras verwendet werden, wobei natürlich die Vorlieben des Patienten zu beachten sind. Wichtig: Nicht mehrere Düfte gleichzeitig anwenden, da ein solcher Geruchsmix Übelkeit verursachen kann.

Generell ist es wichtig, die Räumlichkeiten, in denen sich die Patienten aufhalten, regelmäßig großzügig zu lüften.

Der Einsatz von Wundantiseptika oder dekontaminierenden Wundspüllösugen oder -gelen, kann durch Verringerung der Keimlast in der Tumorwunde zur Geruchsreduktion führen.

Honig (Medizinprodukte) besitzt geruchsreduzierende Eigenschaften.

Grüner Tee eignet sich zur Geruchshemmung. Besonders für den häuslichen Bereich ist dies eine einfache und kostengünstige Methode. Hierbei werden entweder Teebeutel auf den geschlossenen Verband aufgelegt oder mit grünem Tee getränkte Kompressen kurzfristig auf die Wunde aufgebracht.

Superabsorber, die Polyacrylatgranulat enthalten, können eiweißhaltige Stoffe einschließen und vermindern so die Geruchsbildung.

Eine einfache Methode ist das Aufstellen von Schälchen mit Kaffeepulver, Backpulver, Katzenstreu oder Rasierschaum. Diese werden in der Nähe des Betroffenen aufgestellt und bei Bedarf erneuert. Auch das Auflegen und Fixieren eines Kaffeepads über dem geschlossenen Verband, ist eine Möglichkeit den Geruch zu minimieren.

Während der Wundheilung kommt es zu einer Abnahme der Exsudationsmenge. Zudem zieht sich die Wunde von den Wundrändern her zusammen (Wundkontraktion) und verringert somit die Wundgröße. Die Wundtiefe nähert sich durch die Bildung von Granulationsgewebe immer mehr dem Niveau der Haut an, und von den Wundrändern her kommt es zu einer Epithelisierung der Wunde vom Wundrand aus.

2.1Welche Wundheilungen gibt es?

1.Primärheilung: Ist das komplikationslose Abheilen einer Wunde durch primären Verschluss, durch das Adaptieren der Gewebeschichten und der Wundränder mithilfe von Naht, Klammer, Wundnahtstreifen (»Klammerpflaster«) oder Gewebekleber.

Die primäre Wundheilung ist in der Regel nach 6 bis 10 Tagen abgeschlossen. Dabei bildet sich nur minimal Narbengewebe.

Typische primär heilende Wunden sind Operationswunden, aber auch z. B. Schnittwunden oder Platzwunden, die sich gut verschließen lassen und somit unproblematisch abheilen.

2.Sekundärheilung: Bei der Sekundärheilung schließt der Körper den Defekt selbst: von unten nach oben und von außen nach innen, bis zur vollständigen Abheilung.

Je nach Wundgröße und der vorhandenen Gewebeschädigung, ist die Zeit bis zur Abheilung unterschiedlich lang.

3.Tertiärheilung (auch verzögerte Primärheilung): Die Wunde heilt durch den zeitlich verzögerten primären Verschluss durch Adaptieren der Gewebeschichten und der Wundränder ab.

Alle drei Wundheilungsarten sind reparativ und heilen unter Narbenbildung ab.

2.2Was passiert in den physiologischen Wundheilungsphasen?

2.2.1Hämostase (Blutstillung)

Die Blutstillung wird unmittelbar und direkt als Reaktion auf eine Verletzung eingeleitet. Es erfolgt durch Austritt von Blut und Plasma aus den verletzten Gefäßen eine Aktivierung der Blutgerinnung und ein Verkleben der Wunde mit Fibrin.

Durch die Verengung der Kapillaren und anschließende Vasokonstriktion größerer Gefäße, lässt der Blutstrom im Wundgebiet nach.

Durch Zusammenballen und Verkleben von Erythrozyten und Thrombozyten bildet sich ein Pfropf, der die verletzte Stelle verschließt, wodurch eine Blutstillung erfolgt.

Fazit Hämostase

Unmittelbare Reaktion auf Verletzung.

Es erfolgt die Aktivierung der Gerinnungskaskade.

Das Zusammenziehen der Kapillaren verlangsamt den Blutfluss im verletzten Gebiet.

Eine Vasokonstriktion (= Zusammenziehen größerer Gefäße) verlangsamt den Blutstrom weiter.

Erythrozyten und Thrombozyten bilden einen »Reparaturthrombus«.

Fibrinfäden schlingen sich um Thrombozytenpfropf und bilden die Grundlage für den Thrombus.

Der Thrombus bildet Grundlage für Haftung, Wanderung und Proliferation für beginnenden Reparationsprozess.

Der anfänglichen Vasokonstriktion folgt eine Vasodilatation → diese führt zu Rötung + Überwärmung als Zeichen einer Hyperämisierung.

Die Gefäßpermeabilität (Durchlässigkeit des Gefäßes) nimmt zu → dadurch kommt es zur Entstehung eines Wundödems.

Thrombozyten sezernieren zahlreiche Wachstumsfaktoren.

2.2.2Exsudationsphase

In der Reinigungsphase (Inflammatorische Phase, Entzündungsphase) kommt es durch eine lokale Entzündungsreaktion zu einer verstärkten Exsudation. Die im Exsudat enthaltenen Makrophagen und Granulozyten beginnen mit der Wundreinigung.

Aufgrund der lokalen Entzündungsreaktion kommt es zu einer starken Exsudation mit eiweißreichem Wundexsudat. Gleichzeitig wandern Fibroblasten (»Bauarbeiter« der Wunde) aus der Wundumgebung in die Wunde ein.

Fazit Exsudationsphase

Eine starke Exsudation ist vorhanden.

Es besteht eine ablaufende Entzündungsreaktion mit den typischen Entzündungszeichen.

Einwanderung von Makrophagen und Granulozyten (nach wenigen Tagen auch Monozyten und Lymphozyten) in das Wundgebiet.

Keimabwehr + Abbau von Zelltrümmern durch Phagozytose (durch Granulozyten + Makrophagen = aktive Wundreinigung → Autolyse.

Es kommt zu einer gesteigerten Zellaktivität.

Bestehendes Ödem im Wundgebiet.

Abgestorbene Leukozyten setzen proteolytische Enzyme frei (Kollagenasen und Elastasen).

2.2.3Granulationsphase

In dieser Proliferationsphase setzen Makrophagen und Granulozyten Faktoren im Wundgebiet frei, die eine verstärkte Einwanderung von Fibroblasten in das Wundgebiet anregen. Sie beginnen mit der Bildung von Kollagen, das die Wunde nach und nach in Form von Granulationsgewebe auffüllt. Das gebildete Granulationsgewebe ist gefäß-, zell- und kollagenreich und rotglänzend. Die Exsudation lässt nach.

Endothelzellen wandern an die Spitzen der verletzten Gefäße und bilden dort neue Kapillarschleifen. Es kommt zu einer Neubildung von Gefäßen im Wundgebiet, der sogenannten Neoangiogenese.

Myofibroblasten lösen eine vom Wundrand ausgehende Wundkontraktion aus, wodurch es zu einer Verringerung der Wundoberfläche kommt. Gleichzeitig beginnt die Epithelisierung vom Wundrand aus durch Wanderung und Teilung von Epithelzellen.

Fazit Granulationsphase (Proliferationsphase)

Es findet ein Aufbau von Granulationsgewebe (gefäß-, zell-, kollagenreich) durch Fibroblasten statt = Defektauffüllung.

Neubildung von Gefäßen = Neoangiogenese.

Wundkontraktion durch Myofibroblasten.

Nachlassende Exsudation.

Beginnende Epithelisierung vom Wundrand aus → »Überhäutung« der Wunde.

Makrophagen setzen kontinuierlich Wachstumsfaktoren frei → Regulation und Stimulation des Gewebeaufbaus

2.2.4Epithelisierungsphase

In der Regenerationsphase verarmt das in der Wunde vorhandene Granulationsgewebe an Gewebswasser und durch Ausreifung der Kollagenfasern entsteht das erste Narbengewebe. Eine anhaltende Wundkontraktion führt zu einer weiteren Verkleinerung der Wunde. Die Epithelisierung ist abgeschlossen, sobald die gesamte Wundoberfläche mit Epithel bedeckt ist.

Fazit Epithelisierungsphase

Weiter nachlassende Exsudation → Abtrocknung des Granulationsgewebes.

Neubildung von Epithel.

Ausreifung Kollagenfasern.

Entstehung von erstem Narbengewebe (zell- und gefäßarm).

Migration, Proliferation und Differenzierung der Keratinozyten.

2.2.5Reifungsphase

Diese Phase (auch Remodulierungsphase oder Maturation) ist wichtig für die Entwicklung der Reißfestigkeit und somit die Stabilität des Gewebes. Es kommt zu einer Reorganisation von Kollagen, dessen Fasern sich verstärkt nach den Spannungslinien auf das frische Narbengewebe ausrichten, wodurch das Gewebe belastungsstabiler wird. Dort, wo der meiste Zug auf das Gewebe stattfindet, wird das Narbengewebe am dichtesten und stabilsten angelegt.

Erst nach Abschluss der Reorganisation des Kollagens ist das Narbengebiet voll belastbar und reißfest.

Die physiologischen Wundheilungsphasen können sich in einer Wunde durchmischen. So kann die Wunde noch stärker exsudieren, als während der Exsudationsphase, trotzdem bereits im Übergang zur Granulationsphase sein. Ebenso ist ein Rückschritt in eine frühere Phase möglich.

Bei einer Gewebsverletzung während des Verbandswechsels geht die Wunde stets in die Phase der Hämostase über.

2.3Welche Faktoren fördern die Wundheilung?

Faktoren wie Ernährung und Bewegung spielen für die Wundheilung eine große Rolle. Durch eine ausgewogene Ernährung, die von Ergänzungspräparaten unterstützt wird, werden dem Körper ausreichend Bausteine für die Wundheilung zugeführt, die dringend für den intensiven und energiebedürftigen Wundstoffwechsel benötigt werden.

Durch Bewegung kommt es zu einer verbesserten Durchblutung des Gewebes und somit zu einer besseren Versorgung des Wundgebietes mit Nährstoffen und Sauerstoff, einer höheren Anzahl von Abwehrzellen im Wundgebiet, einem besseren Abtransport von Kohlendioxid und Schlackenstoffen und zu einem verbesserten Aufbau von stabilerem Kollagen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690486
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Altenpflege Versorgung Wunden

Autor

  • Susanne Danzer (Autor:in)

Susanne Danzer ist Krankenschwester, Fachautorin/Fachreferentin, Fachliche Leitung Wundmitte GmbH, Pflegetherapeutin Wunde ICW®, Zertifizierte Wundexpertin ICW®, Geprüfte Wundberaterin AWM®, Pflegeexpertin palliative Wundversorgung WMAK, Pflegeexpertin Haut WMAK, Pflegeexpertin Kompression WMAK, Pain Nurse & Pain Nurse Plus
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Titel: Wundbehandlung