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Die Heilkraft der Atmung

86 Übungen für einen gesunden Körper und einen starken Geist

von Kay Bartrow (Autor:in)
160 Seiten

Zusammenfassung

Unsere Atmung kann viel mehr, als den Körper mit Sauerstoff zu ver-sorgen. Forschungen zeigen, dass kontrolliertes Atmen die Immun-abwehr stärkt, gegen Depressionen wirkt und unser Gehirn leistungsfähiger macht. Bei chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD verbessert die Atemtechnik nachweislich Lungen-funktion und Lebensqualität der Patienten. Aber auch Emotionen wie Aggressionen und Ängste können durch die Atmung kontrolliert werden. In seinem neuen Ratgeber erklärt Kay Bartrow, wie Atmung funktioniert und wie wir ihre heilende Kraft für unsere Gesundheit nutzen können. 86 Übungen und Atemtrainings helfen dabei, die Atmungsketten zu aktivieren, zu entspannen und eine bessere Körperwahrnehmung zu erreichen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

Atmen könnte ja so einfach sein. Wie machen Sie es? Erst einatmen – und dann ausatmen. Doch, wie so häufig im Leben, verbergen sich hinter den einfachsten Abläufen sehr komplexe Dinge, so wie von einem Eisberg nur die Spitze sichtbar ist und der gewaltige Rest sich unter Wasser verbirgt. Einerlei wie Sie zum Atmen sagen, ob umgangssprachlich hecheln, prusten, giemen, schnauben, schniefen, röcheln, schnaufen, japsen, ächzen oder gepflegt wissenschaftlich-medizinisch respirieren oder ventilieren, wichtig ist nur: Die Luft muss rein und wieder raus.

Atmen kann Ihr persönlicher Schlüssel für viele positive körperliche und seelische Effekte sein, und mit etwas Wissen und Verständnis für die Sache an sich können Sie diese Effekte zu Ihrem Vorteil und damit zu einer besseren Gesundheit einsetzen.

Die wichtigste Erkenntnis ist vermutlich diese: Bewegung und Aktivität sind die sichersten und wirkungsvollsten Mittel, um unseren Körper in Richtung Gesundheit zu verändern und zu verbessern. Im Atemsystem findet unter Bewegung ein Austausch von Stoffen statt, der zur Regulation des gesamten Körpers beiträgt und die Grundlage für eine funktionierende Energieversorgung, ein effektives Immunsystem und eine schnelle Anpassungsfähigkeit an körperliche und geistige Belastungssituationen liefert.

Atmen löst lebenswichtige Prozesse aus, hält diese in Gang und reguliert unzählige Körperfunktionen. Wie schnell, gut oder effektiv diese Anpassungen ablaufen, liegt zu einem großen Teil an uns und unserer Fähigkeit, unseren Atem flexibel und in unterschiedlichen Mustern einzusetzen. Atmen ist ein aktiver Vorgang und wir können ihn bewusst beeinflussen, vertiefen und anpassen und zu unserem gesundheitlichen Vorteil einsetzen. Lassen Sie uns atmen!

Gesunde Grüße

ÜBUNGSÜBERSICHT
SCHNELLZUGRIFF AUF IHR ATEMTRAINING

In diesem Buch finden Sie viele Übungen, die Sie für Ihre individuelle Atmung einsetzen können. Mit deren Hilfe erfahren Sie vertiefte Entspannung, eine bessere Wahrnehmung Ihrer Körperlichkeit und atmen Sie wahrhaft bewusster. Die Übungen können zur Verbesserung Ihrer Achtsamkeit, gezielt bei körperlichen oder seelischen Beschwerden oder direkt zur Verbesserung Ihrer Atemfähigkeit eingesetzt werden.

DIE ATMUNG DES MENSCHEN

Atmen ist Leben, Atem ist Energie. Hinter dem scheinbar simplen Ein- und Ausströmen der Luft verbirgt sich eine komplexe und faszinierende Mechanik. Und kein Bereich unseres Körpers bleibt davon unberührt. Entdecken Sie die heilsame Welt des richtigen Atmens – mit vielen Infos und konkreten Anleitungen.

Atmen ist die Grundlage unseres Lebens

Viele Sprichwörter halten die Bedeutung des Atems fest: „Einen langen Atem haben“ oder „Da geht mir die Luft aus“ kennen wir alle zu Genüge. Der lange Atem steht symbolhaft für eine stabile Ausdauer, außergewöhnliches Durchhaltevermögen und damit für eine große Widerstandsfähigkeit. Er hilft uns, an das ersehnte Ziel zu gelangen, egal ob es dabei ums Lernen geht, um 30 Minuten Joggen oder eine Falttechnik bei Origami. Wichtig ist allein das Durchhalten. Ganz anders, wenn uns die Luft ausgeht: Wir ermüden und müssen eine Aktivität vorzeitig abbrechen.

Beiden Sprichwörtern liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Atem die Grundlage unseres Lebens ist. Ohne Atem ist kein Leben möglich und eine schlechte Atmung führt zu gesundheitlichen Einbußen.

Unser Organismus braucht Sauerstoff

Meist werden mit der Ausdauer eher körperliche oder sportliche Betrachtungen verknüpft. Für gute und ausdauernde geistige Leistungen ist die Ausdauer allerdings ebenfalls relevant. Unser Nervensystem, als wichtigste Steuerzentrale, benötigt mindestens 20 bis 25 Prozent des aufgenommenen Sauerstoffs, je nach Aktivitätsgrad auch schon mal mehr. Da der Sauerstoff auf dem Blutweg transportiert wird, beansprucht unser Nervensystem auch einen Großteil der Blutversorgung für sich. Nerven sind also blutgierig und lechzen nach Sauerstoff – und das Nervensystem ist unsere oberste Schalt- und Regulationszentrale, es steht in der Priorität der Versorgungskette entsprechend weit oben.

Die Muskeln treiben unseren Bewegungsapparat an und brauchen, wie könnte es anders sein, ebenfalls Sauerstoff, um ihre Kraft bereitzustellen. Eine gute Sauerstoffaufnahme und seine effektive Verteilung im gesamten Körper ist demnach eine wichtige Voraussetzung für unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und sichert unser tägliches Überleben.

Sicherlich gibt es viele Faktoren, die im Zusammenspiel unser Überleben sichern. Atmen ist aber der zentrale Punkt. Alle Systeme unseres Organismus sind auf der stetigen Suche nach einem Gleichgewicht. Die Atmung und alle damit verbundenen Vorgänge befähigen unseren Körper zur Aktivität, zur Regeneration und zur Regulation dieses komplizierten Gleichgewichtes.

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Der Mensch kann mehrere Wochen ohne Nahrung auskommen. Auch ohne Flüssigkeit können wir noch ein paar Tage überleben, ohne Sauerstoff verlieren wir, untrainiert, nach etwa zwei bis drei Minuten das Bewusstsein. Diese wenigen Minuten sind genau die Zeitspanne, in der wir in der Lage sind, Energie für die Vorgänge des Körpers und für Aktivität ohne Zufuhr von Sauerstoff zu generieren. Mehr als fünf bis acht Minuten Sauerstoffentzug hinterlassen dann auch schon bleibende und häufig irreparable Schäden an unserem Nervensystem und den inneren Organen und wirken darüber hinaus (ohne entsprechendes Training) definitiv tödlich.

Ohne Atmung keine Energie

Jede Bewegung unseres Körpers, jeden inneren Prozess und sogar jeden Gedanken bezahlen wir mit Energie. In unserer körperlichen Welt ist tatsächlich nichts umsonst. Die Energiewährung unseres Körpers, die wir für all diese Aktivitäten als Gegenleistung einsetzen müssen, ist das sogenannte Adenosintriphosphat ATP.

Unser Körper hat leider keine unbegrenzten Energiereserven, sondern muss diese ständig wieder neu herstellen. Dafür benötigt unser Organismus eine permanente Zufuhr von Sauerstoff über die Atmung, denn nur so werden unsere Zellen zur Produktion dieser Energielieferanten befähigt. Der ATP-Vorrat in unseren Muskeln reicht für die ersten Anspannungen von etwa 20 Sekunden Dauer. Mit allen energiereichen Phosphaten kommen wir auf eine durchschnittliche Aktivitätsdauer von etwa 30 bis 40 Sekunden ohne Sauerstoff. Bis zu zwei Minuten kann unser Organismus dann noch den Blutzucker (Glukose) verwerten und die Glukosespeicher der Organe anzapfen (ohne Sauerstoff), dann sind die Energiereserven erschöpft. Nach diesen zwei Minuten ist die Energieversorgung unseres Organismus nicht mehr gedeckt und es drohen Bewusstlosigkeit und bei längerer Dauer dieses Zustandes tatsächlich auch größere Schäden bis hin zum Tod.

Ohne Atmung kein Stoffwechsel

Hinter dem Begriff „Stoffwechsel“ steht tatsächlich erst einmal der Wechsel, also der Austausch und die Weiterverarbeitung von Stoffen. Man spricht auch von einer Verstoffwechslung von Nähr- und Baustoffen. Es geht dabei also um die Bereitstellung, Zufuhr und Nutzbarmachung der Stoffe, die unser Körper für alle inneren Prozesse braucht. Ein guter Stoffwechsel versorgt jede Zelle unseres Körpers mit allem, was diese Zelle zur Aktivität, zur Regeneration und letztlich zum Überleben benötigt, wie z. B. Kohlenhydrate oder Proteine und Hilfsstoffe wie Vitamine. Es müssen Hormone und Enzyme gebildet werden, um diese Nährstoffe zu verarbeiten und sie für unseren Körper nutzbar zu machen. Ein guter Stoffwechsel sorgt auch für den Abtransport von Abfallstoffen und Giften und reinigt mit diesen Vorgängen die Gewebe unseres Körpers – der Stoffwechsel hält uns gesund.

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Stoffwechsel ist ohne Atmung schlicht nicht möglich.

Das alles wäre ohne Atmung nicht einmal ansatzweise denkbar, denn für diese Vorgänge ist der Sauerstoff, den wir über die Atmung aufnehmen, die absolute Vorbedingung. Die Menge an benötigten Energielieferanten kann von unseren Zellen nur mit ausreichend Sauerstoff gewonnen werden. Die Erde ist momentan der einzige bekannte Planet mit genügend Sauerstoff in der Atmosphäre, um damit unser Leben zu gewährleisten. Ohne diesen Sauerstoff und unser Atemsystem wären wir jetzt nicht hier.

Atmung – Zahlen und Fakten

Oder: das Tennisfeld in deinem Brustkorb! Der menschliche Körper ist ein gigantisches Netzwerk, ein absoluter Superlativ in Sachen Konstruktion und durchdachter Funktionalität, und wartet mit unerwartet beeindruckenden Zahlen und Fakten auf.

Unser Körper ist modular aufgebaut und besteht aus einer Vielzahl an einzelnen Systemen. Im Zusammenspiel versorgen sie unsere Zellen und sichern unsere Gesundheit und damit auch unser Überleben. Dabei ist jedes System für sich erst einmal auf einen inneren Ausgleich ausgerichtet und stets bestrebt, ein Gleichgewicht herzustellen, in dem unser Körper mit den gegebenen Ressourcen haushalten und eine ausgeglichene Bilanz zwischen Energievorrat und Energieverbrauch anstreben kann.

Wichtige Systeme des menschlichen Körpers.

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Unser Atemsystem – extrem gut vernetzt

Das Atemsystem – als Teil des gesamten Organismus – stellt mit der Aufnahme von Sauerstoff die Grundlage dafür, dass unser Körper Energie herstellen kann. Damit macht die Atmung alle weiteren Prozesse in den anderen Körpersystemen überhaupt erst möglich. Mit seiner groß angelegten Vernetzung ist es das wohl komplexeste Bauwerk auf diesem Planeten.

Das eigentliche Atemsystem besteht aus den oberen und unteren Luftwegen. Über die oberen Luftwege (Nasenhöhle und Mund-Rachen-Raum) kommt die Atemluft über die Luftröhre in die unteren Luftwege (die Bronchien) und verteilt sich dort bis in die kleinsten Lungenbläschen (die Alveolen). Allein die Bronchien mit all ihren Verzweigungen kommen dabei auf eine Länge von etwa 700 Metern. Diese Länge entspricht nahezu der doppelten Höhe des Berliner Fernsehturmes.

Die Lunge – Bläschen und Adern

Die Lunge hat nach der vollständigen Entwicklung eine überschaubare Länge von ca. 26 cm und einen relativ zierlichen Durchmesser von etwa 15 cm. Doch lassen Sie sich nicht von diesen unscheinbaren und kompakten Maßen in die Irre führen. Die Lunge ist alles andere als bescheiden. Im Inneren unserer Lunge tun sich erstaunliche Weiten und Größen auf, die nur darauf warten, von uns entdeckt und zur Optimierung unserer Stärke und Gesundheit genutzt zu werden.

In beiden Lungenflügeln stecken insgesamt etwa 300 Millionen Lungenbläschen, die eine gemeinsame Oberfläche von ca. 90 bis 110 m2 bilden. Das entspricht etwa der Größe eines halben Tennisfeldes. Diese riesige Fläche wird für den Gasaustausch zur Versorgung aller Zellen im Körper benötigt.

Hierfür wird das Blut in der Lunge mit Sauerstoff (O2) angereichert, bevor es vom Herzen zur Versorgung aller Systeme durch den ganzen Körper gepumpt wird. Das aus dem Körperkreislauf zurückkommende Blut gelangt wieder in die Lunge, das darin enthaltene Kohlendioxid (CO2) wird ausgeatmet. Das Kohlendioxid entsteht durch bei (körperlicher und geistiger) Aktivität ausgelöste Verbrennungsprozesse in unseren Zellen und muss aus dem Körperkreislauf entfernt werden. Um nun die wichtigen Atemgase (Sauerstoff und Kohlendioxid) möglichst schnell und effizient im Blutkreislauf austauschen zu können, ist eine sensationelle und groß angelegte Durchblutungssituation in der Lunge erforderlich. Dazu ist die Lunge in ihrem Feinbau (Bronchien, Bronchiolen, Lungenbläschen) mit einem feinen Netz aus kleinsten Kapillargefäßen durchzogen. Die Länge dieses versorgenden Kapillarnetzes der Lunge beträgt 1600 km. Nur durch diese enorme Länge an Blutgefäßen kann ein an die momentane Aktivität angepasster und schneller Gasaustausch, auch bei intensiver körperlicher Belastung, gewährleistet werden.

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Menschen sind Vielatmer

Lebewesen atmen häufig ein und aus – wie oft und welche Mengen an Luft dabei bewegt werden, zeigen die folgenden Zahlen. Die Anzahl der Atemzüge ist zunächst eine variable Größe und richtet sich immer nach unserem Energie- und Luftverbrauch. Im ruhigen Liegen oder im Schlaf benötigen wir die geringste Luftmenge. Mit zunehmender körperlicher oder auch geistiger Aktivität erhöht sich zwangsläufig der Energiebedarf und damit auch die zur Energieversorgung erforderliche Luftmenge. So steigert unser Körper in der Folge die Anzahl und die Tiefe der Atemzüge und passt gleichzeitig die Herzfrequenz an. Die Herzaktivität ist also direkt an den Luftverbrauch gekoppelt, da der eingeatmete Sauerstoff über den Blutweg verteilt werden muss. Beide Systeme beeinflussen sich direkt gegenseitig und stellen sich aufeinander ein.

Atemfrequenz verschiedener Lebewesen

LEBEWESEN ATEMZÜGE PRO MINUTE (ATEMFREQUENZ) IN RUHE
Erwachsene 12 bis 18
Babys 40 bis 50
Kolibri bis zu 250
Maus 100 bis 200
Elefanten 6

Herzfrequenz verschiedener Lebewesen

LEBEWESEN HERZSCHLÄGE PRO MINUTE (HERZFREQUENZ) IN RUHE
Erwachsene 60 bis 80
Babys 130 bis 190
Kolibri 400 bis 500
Maus 400 bis 600
Elefanten 20 bis 30

Bei intensiveren körperlichen Aktivitäten steigt der Luftverbrauch noch weiter an. Beispielsweise beim langsamen Joggen bereits auf ca. 40 Liter pro Minute und beim schnellen Treppensteigen auf bis zu 60 Liter pro Minute an. Bei sportlichen Höchstleistungen wie z. B. dem Alpenaufstieg bei der Tour de France oder einem Profi-Fußballspiel liegt der Luftverbrauch der Sportler dann bei sagenhaften 150 bis zu 250 Litern pro Minute. Diesen gestiegenen Bedarf an Sauerstoff und Energielieferanten deckt unser Organismus dann über eine größere Anzahl an Atemzügen, durch tiefere Atemzüge (gesteigertes Atemzugvolumen) und mit der Hilfe einer fantastischen Mehrdurchblutung.

So ganz nebenbei ein anschaulicher Größenvergleich der Atemkapazitäten: Der Ruheverbrauch von vier bis sechs Litern Atemluft pro Minute entspricht in etwa der Füllung eines Fußballs. Die 250 Liter pro Minute bei maximaler körperlicher Belastung entsprechen der Luftfüllung von etwa 40 Fußbällen. Alles eine Frage der Intensität.

Luftverbrauch bei verschiedenen Aktivitäten

AKTIVITÄT LUFTVERBRAUCH PRO MINUTE
Schlafen ca. 4,5 Liter
Ruhe 5 bis 6 Liter
Gehen 12 bis 15 Liter
schnelles Gehen 25 bis 30 Liter
Gehen 3 km/h bergauf, Putzen, Staubsaugen bis zu 40 Liter
Treppensteigen, Radfahren bis zu 15 km/h, langsames Joggen bis zu 45 Liter
schnelles Treppensteigen, Radfahren bis 20 km/h, schnelles Joggen bis zu 60 Liter
intensiver Sport 100 bis 250 Liter

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Im Durchschnitt machen wir Menschen 12 bis 18 Atemzüge pro Minute, wobei mit einem Atemzug einmal einatmen und einmal ausatmen gemeint ist. Nehmen wir die salomonische Mitte von 15 Atemzügen pro Minute und schauen uns das dabei entstehende Zahlenwerk einmal genauer an. Bei 15 Atemzügen pro Minute kommen auf einen ganzen Tag mehr als 21 000 Atemzüge. Mit einem durchschnittlichen Atemzug ziehen wir etwa einen halben Liter Luft in unsere Lungen. Das ist das sogenannte Atemzugvolumen. Pro Tag haben wir also mehr als 10 000 Liter Luft ein und ausgeatmet.

Zentrale Atemregulation und die Medulla oblongata

Medulla oblongata ist keine Stadt in Game of Thrones, es ist das Zentrum der Atemregulation, besteht aus einem Verbund von Neuronen und sitzt in unserem zentralen Nervensystem. Damit wir mit dem gigantischen Konstrukt unseres Atemsystems und der komplexen Steuerung wenig zu tun haben, erfolgt die Organisation dieses Systems weitgehend autonom und vor allem unbewusst.

Die Medulla oblongata liegt im Hirnstamm, am Übergang des Schädels in die Halswirbelsäule und erstreckt sich bis zum 2./3. Halswirbel. Dieser Teil unseres Gehirns ist für die Gesamtregulation und Koordination aller Vorgänge, wie z. B. der Aktivierung der Atemmuskeln, dem Stoffaustausch und dem rhythmischen Wechselspiel zwischen Einatmung und Ausatmung verantwortlich.

Unser Atemsystem und seine Bestandteile

Die Aufgaben der Lunge und der Atemwege beschränken sich nicht nur auf die Aufnahme von Sauerstoff und den anderen Atemgasen. Es steckt also weit mehr hinter der Lunge als schlichtes Ein- und Ausatmen. Mit der Hauptaufgabe „Sauerstoff rein“ wird lediglich die Energie in unseren Zellen gesichert. Vielmehr ist die Lunge Teil unseres ausgeklügelten Immunsystems. Die zuführenden Wege für die Atemluft zum Kerngebiet, also dem Allerheiligsten der Lunge, nämlich den Alveolen (Lungenbläschen), sind zu diesem Zweck mit Flimmerhärchen und einem speziellen Schleim ausgekleidet. So können mit der Atemluft eingedrungene Keime, Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger bereits kurz nach dem Einatmen schon wieder ausgefiltert, abgesondert und mit dem Schleim wieder nach draußen transportiert werden. In den Erkältungszeiträumen werden in diesem System etwa 10 000 Bakterien und 100 000 Viren pro Stunde gefiltert und entsorgt. Damit kann ein umfassender Schutz für unsere Gesundheit aufgebaut werden und Erreger, die für unseren Organismus schädlich oder krankmachend wirken, können bereits sehr früh unschädlich gemacht werden.

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Die Lunge ist wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems: Die Atemwege fungieren unter anderem als Filter und Entsorgungsorgan.

Ergänzend zu den Erklärungen finden Sie in diesem Kapitel bereits erste Übungen und Tipps, mit denen Sie das Funktionieren einzelner Teile des Atemsystems verbessern. Diese simplen Übungen können Ihnen eine große Hilfe für eine optimale Atemfunktion sein. Spüren Sie, wie ein wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung zu Ihrem Atemsystem selbstwirksame Veränderungen auslösen können. Die hier vorgestellten Übungen können Sie nach Bedarf einsetzen oder Sie etablieren für sich ein kleines Atemritual, das Sie regelmäßig anwenden.

Die oberen Luft-und Atemwege

Die oberen Atemwege bestehen aus der Nasenhöhle, den Nasennebenhöhlen und dem Mund-Rachen-Raum. Sie haben verschiedenste Aufgaben für den Transport der Atemluft und in der Luftversorgung unseres Organismus. Oft wissen wir zu wenig, was diese Bereiche der Atemwege für uns leisten und können daher auch nicht selten wenig zur optimalen Pflege beisteuern. Diese Situation wollen wir mit dem folgenden Kapitel verbessern.

Nasenhöhle

Mit dem Einatmen nimmt die Luft unter anderem den Weg über die Nasenhöhle. Dort wird die eingeatmete Luft angefeuchtet, erwärmt und gefiltert und so für die Weiterverarbeitung in der Lunge vorbereitet. Eingebettet in die Nasenschleimhaut liegen feinste Blutgefäße, die permanent Wärme an die Atemluft abgeben und diese im Optimalfall bis auf Körpertemperatur erwärmen. Die Nasenschleimhaut ist auch eine der ersten Instanzen unseres Immunsystems, sozusagen ein Vorposten der Körperabwehr. In der Schleimhaut werden bereits Bakterien, Viren und Fremdkörper von der Atemluft abgesondert und abtransportiert.

BESONDERE PFLEGEHINWEISE UND ÜBUNGSTIPPS

1 Forciertes Atmen durch die Nase: Konzentriert zu atmen verbessert den Lufttransport und aktiviert die wichtige Nasenschleimhaut. Führen Sie täglich konzentrierte Atemzüge durch die Nase durch: z. B. mehrmals täglich 8- bis 10-mal tief und langsam durch die Nase einatmen, als ob Sie etwas riechen würden. Das Ausatmen können Sie abwechselnd durch die Nase oder den Mund geschehen lassen. Werfen Sie dabei auch mal einen Blick auf die Uhr oder zählen Sie die Sekunden Ihrer Nasenatmung. Achten Sie dabei darauf, dass die Ausatmung etwas länger dauert als die Einatmung. Perfekt wären etwa 10 Sekunden pro Atemzug. Davon sollten etwa 4 Sekunden auf die Einatmung und 6 Sekunden auf die Ausatmung fallen.

2 Wechselatmung: Atmen Sie nur durch ein Nasenloch ein und durch das andere wieder aus. Beim Einatmen verschließen Sie einfach ein Nasenloch mit einem Finger und wechseln für das Ausatmen auf das andere Nasenloch. Führen Sie diese Atemtechnik 2- bis 3-mal täglich mit jeweils 8 bis 10 Atemzügen durch. Variieren Sie dabei immer wieder die Seite der Einatmung: z. B. 4 Atemzüge über das linke Nasenloch einatmen und rechts ausatmen, danach 4 Atemzüge über das rechte Nasenloch einatmen und links ausatmen.

3 Massagetechniken entlang der Nase: Eine Massage an den Nasenflügeln und über den Nasenrücken kann entspannend und wohltuend sein. Führen Sie mit den Fingern und dem Daumen kreisende und ausstreichende Bewegungen an, auf und um die Nase herum durch. Passen Sie den Druck an Ihre Bedürfnisse (Empfindlichkeit) an. Seien Sie sanft zu sich. Damit bewirken Sie eine örtliche stärkere Durchblutung der Nasenregion, die Nasenschleimhaut wird aktiviert und in der gesamten Nasenregion die Wahrnehmung für die Atmung verbessert.

4 Nasenduschen: Anfangs sicherlich gewöhnungsbedürftig, doch sehr hilfreich: Spülungen der Nase mit Salzwasser unterstützen die natürlichen Funktionen der Nasenhöhlen. Sie helfen dabei, Sekretansammlungen zu lösen, die Nasenhöhle wieder freizubekommen und dann auch wieder frei durchatmen zu können. Dazu gibt es spezielle Nasenspülsets, sog. Nasenduschen, die sich hervorragend dafür eignen.

Nasennebenhöhlen

Ein System von Hohlräumen und Gängen bilden die sogenannten Nasennebenhöhlen. Wenn wir die Atemfunktionen verstehen wollen, führt kein Weg an einer kleinen Höhlenforschung vorbei. Die Nasennebenhöhlen sind immer paarig, also seitengleich, in der rechten und linken Schädelhälfte angelegt und durch kleine dünne Gänge (den sogenannten Ostien) mit den Nasenhöhlen verbunden. Insgesamt haben wir vier Nasennebenhöhlen in jeder Schädelhälfte.

Ziemlich mittig in der Stirn, oberhalb der Nase und der Augenbrauen, liegen die Stirnhöhlen (Sinus frontales). Zwischen der Nase und dem inneren Augenwinkel liegen die Siebbeinzellen (Sinus ethmoidales). Dicht daran befinden sich die Keilbeinhöhlen (Sinus sphenoidales), die ziemlich in der Gesichtsmitte liegen und bis hinter die Augen reichen. Die größte der Nasennebenhöhlen, die Kieferhöhle (Sinus maxillaris), ist unter dem Auge im Oberkieferknochen eingebettet.

Da die Nasennebenhöhlen direkt mit der Nasenhöhle in Verbindung stehen, haben sie auch ähnliche und ergänzende Funktionen. Dies betrifft den Bereich der Lufterwärmung und der Immunabwehr. Auch die Nasennebenhöhlen sind mit einer Schleimhaut zur Abwehr von Erregern (Bakterien, Viren etc.) überzogen, die effektiv als Fremdkörperfilter eingesetzt wird.

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Die Nebenhöhlen verursachen häufig auch Veränderungen im Bereich der Druckverhältnisse im Schädel, z. B. durch Schwellungen der Schleimhäute. Damit sind sie nicht selten in komplexe Krankheitsgeschehen wie beispielsweise bei Kopfschmerzen und Gesichtsschmerzen involviert. Allein schon die Lage der Nebenhöhlen zeigt eine Übereinstimmung mit häufigen Schmerzorten bei bestehenden Kopf- und Gesichtsschmerzen. Bei einem einfachen Schnupfen schwellen die Nasenschleimhäute deutlich an und verhindern ein Abfließen des Schleims (Sekrets) aus den Nasennebenhöhlen.

BESONDERE PFLEGEHINWEISE UND ÜBUNGSTIPPS

5 Heißer Wasserdampf oder Kamillendampf löst festsitzendes Sekret und entspannt. Füllen Sie heiße Flüssigkeit in einen Kochtopf und lassen Sie das Ganze aufkochen. Dann halten Sie den Kopf darüber und bedecken ihn mit einem Handtuch. So können Sie den Dampf gezielt einatmen. Für die Nasennebenhöhlen ist es am effektivsten, wenn die Nase genau über dem Dampf positioniert ist und Sie gezielt durch die Nase einatmen.

6 Trigger-Techniken mit dem Daumen oder Zeigefinger wirken lokal schmerzreduzierend und entspannend. Zudem gleichen die lokalen äußeren Druckanwendungen den Druck in den Nasennebenhöhlen aus und helfen, das Sekret zu lösen. Viele Betroffene machen es ganz instinktiv: Drücken Sie mit Daumen oder Zeigefinger auf die schmerzhaften Stellen an der Stirn, dem inneren Rand des Auges oder auf den Knochen direkt unter dem Auge. Suchen Sie in diesen Regionen mehrere Stellen mit dem Druck auf und bearbeiten Sie die Punkte, die besonders druckempfindlich sind. Halten Sie den Druck bis zu 90 Sekunden und fühlen Sie die Veränderungen.

7 Eine sanfte Massage in den Gesichtsbereichen der Nasennebenhöhlen kann Ihnen ebenfalls schmerzlindernde Effekte sowie eine gesteigerte Wahrnehmung bringen und für eine angenehme Entspannung sorgen. Führen Sie dazu kreisende oder streichende Bewegungen unter dem Auge oder entlang des oberen Augenwulstes durch und passen Sie den Druck Ihrem Empfinden an.

8 Druckausgleich: Halten Sie Ihre Nase mit Daumen und Zeigefinger zu und pusten Sie sanft die Luft gegen die geschlossene Nasenöffnung. Der Druckausgleich findet hier nicht nur in der Ohrtrompete statt, sondern auch die Nasennebenhöhlen werden so besser durchlüftet.

9 Wärme hilft dabei, festsitzendes Sekret zu lösen. Dazu eignet sich ein Kartoffelwickel, ein Kirschkernsäckchen oder eine einfache Wärmflasche. Bringen Sie die Wärmequelle direkt auf den schmerzenden Gesichtsbereich, z. B. die Stirn, die Innenseite der Augen neben der Nase oder auf den Bereich direkt unter dem Auge. Schützen Sie sich vor Verbrennungen: Die Haut im Gesichtsbereich ist sensibel, seien Sie also vorsichtig und legen Sie die Wärmequelle nicht zu heiß auf.

Mund-Rachen-Raum

Über den Mund nehmen wir neben Nahrung und Flüssigkeit auch Luft auf. Damit ist der Mund ebenfalls ein Teil unseres Atemsystems. Im Mund beginnt zudem die Verdauung (mit der Produktion von Speichelflüssigkeit) und damit findet auch hier eine erste Maßnahme zur Immunabwehr statt. Die natürliche Keimflora im Mund wirkt wie ein Schutzschild für Eindringlinge und Erreger, die mit der Nahrung oder der Atemluft aufgenommen werden. Der Rachen verbindet die Mundhöhle mit der Speiseröhre und die Nasenhöhle mit der Luftröhre. Hier kreuzen sich Luft- und Nahrungs- bzw. Flüssigkeitswege, und nicht selten kommt es während einer hektischen Schluck- und Atemaktion zu einem kleinen Durcheinander mit Verschlucken und anschließendem Husten. Im Rachen werden also Luft, Nahrung und Flüssigkeiten von Mund und Nase bis zum Kehlkopf transportiert. Im Rachen liegen auch die sogenannten Mandeln. Die Mandeln (Rachen-, Gaumen- und Zungenmandeln) bilden eine innere Schranke unseres Abwehrsystems gegen Keime, Bakterien, Viren und alle anderen Erreger.

BESONDERE PFLEGEHINWEISE UND ÜBUNGSTIPPS

10 Mit der Zunge den Mundraum erfahren und massieren: Fahren Sie mit der Zunge an den Zähnen entlang und versuchen Sie, die Innenund Außenseiten Ihrer Zähne abzutasten und dabei die Mundschleimhaut sanft zu massieren. Drücken Sie mit der Zunge sanft gegen den Gaumen und versuchen Sie am Gaumen entlang nach hinten zu fahren. Wechseln Sie die Stärke des Druckes Ihrer Zunge. Sie können mit der Zunge gerade nach hinten streichen, oder Sie führen kleine kreisende Bewegungen mit der Zungenspitze am Gaumen durch. Im Gaumen sitzen viele freie Nervenendigungen, die Sie mit dieser gezielten Bearbeitung stimulieren und für eine verbesserte Wahrnehmung einsetzen können. Variieren Sie dabei Druck und Ausmaß der Bewegungen und genießen Sie die eintretende Entspannung.

11 Achten Sie auf eine umfassende Zahnhygiene, um die Mundflora im Gleichgewicht zu halten. Denn Erreger, Keime, Bakterien und Viren im Mundraum können auch mit der Atemluft in die Lunge gelangen und dort Infektionen auslösen. Also gilt auch hier: besser vorbeugen als auskurieren.

12 Benutzen Sie ab und zu eine Mund-Rachen-Spülung. Gurgeln Sie mit lauwarmem Wasser, Kamillentee oder mit einer Mundspülung zur Reinigung des Mund-Rachen-Raumes.

Special: Wenn die Atmung Geräusche macht – Schnarchen

Eine besondere Form der Geräuschatmung, vor allem der ungeliebten, stellt das Schnarchen dar. Diese Geräusche entstehen in den oberen Atemwegen und liefern Gesprächsstoff, Zündstoff in der Partnerschaft und sorgen für Bewegung.

Meist schnarchen wir im Schlaf, unbemerkt von uns selbst, sehr zum Leidwesen unserer Bettgenossen. Als Ursache für diese Geräuschentwicklung sind weniger Boshaftigkeit oder Nachlässigkeit zu nennen als vielmehr die Summe der Veränderungen in den oberen Atemwegen. Diese beeinflussen dann den Luftstrom und machen ihn für alle in der näheren Umgebung geräuschhaft erfahrbar. Als Ursache kommt hier alles infrage, was den Atemweg enger macht. Also auch ein profanes Anschwellen der Nasenschleimhaut bei einem einfachen Schnupfen oder einer unspektakulären allergischen Reaktion (z. B. gegen Hausstaubmilben oder Pollen), vergrößerte Mandeln, Polypen, eine verkrümmte Nasenscheidewand oder ein Elastizitätsverlust der Gaumensegel und eine reduzierte Aktivität der Mundbodenmuskulatur. All diese Faktoren beeinflussen den Weg, den unsere Atemluft nimmt, und können für dabei entstehende Geräusche haftbar gemacht werden.

Schnarchen entsteht meist beim Schlafen auf dem Rücken. In Rückenlage kann sich der Unterkiefer nach hinten verlagern (er folgt einfach dem Ruf der Schwerkraft) und so die Atemwege enger machen. In diesen Fällen kann eine spezielle zahnmedizinische Aufbiss-Schiene, eine Protrusionsschiene, die den Unterkiefer wieder etwas nach vorne holt und hält, dabei helfen, die Geräusche zu reduzieren.

Mit zunehmendem Lebensalter verlieren viele unserer Körpergewebe auch noch an Elastizität und Spannkraft. So auch die Gaumensegel. Dies ist ein weiterer Grund dafür, weshalb das Schnarchen mit vermehrter Lebenserfahrung zunimmt.

Auch gegen die lästigen Atemgeräusche während des Schlafens können gezielte Übungen das Leiden für alle Beteiligten reduzieren und dabei helfen, den Frieden während der Nachtruhe wiederherzustellen. Das Ziel des Trainings ist hierbei, eine Verbesserung des Luftstromes durch die oberen Atemwege zu erreichen. Dazu zählt vor allem die Kontrolle über die Zunge, die Gaumensegel, die Mundboden- und die Kiefergelenksmuskeln. Entsprechende Studien zeigen, dass z. B. spezielle Zungenübungen das Schnarchen reduzieren können.

ZUNGENÜBUNGEN

Zur Verbesserung der Elastizität der Mundbodenmuskulatur und Aktivierung der Gaumensegelmuskeln.

13 Zunge an der Innenseite der Zähne: Legen Sie Ihre Zunge von innen an die oberen Schneidezähne. Nun bewegen Sie Ihre Zunge abwechselnd an den linken und rechten Eckzahn. Nach jedem Eckzahnkontakt legen Sie Ihre Zunge wieder kurz an die Schneidezähne. Berühren Sie jeden Eckzahn 10-mal mit Ihrer Zungenspitze und wiederholen Sie dies für jeden Eckzahn 2-bis 3-mal.

14 Mit der Zunge auf der Kaufläche der Zähne: Dabei fahren Sie auf der Kaufläche Ihrer Zähne bis an den letzten Backenzahn, variieren dabei den Druck der Zunge auf die Zähne und kehren wieder nach vorne, an die Schneidezähne zurück. Diese Bewegung führen Sie im Oberkiefer und im Unterkiefer 2-bis 3-mal nach rechts und links durch.

15 Koordination: Legen Sie Ihre Zunge an den rechten oberen Eckzahn. Bewegen Sie nun Ihren Unterkiefer mittig unter die Zunge. Der Unterkiefer bleibt nun in dieser Position, während sich die Zunge vom rechten oberen Eckzahn löst und an den linken oberen Eckzahn wandert. Erst jetzt folgen Sie mit Ihrem Unterkiefer wieder unter die Zunge und den linken oberen Eckzahn. Machen Sie in jede Richtung dieselbe Anzahl an Bewegungen.

GAUMENÜBUNGEN

Eine Aktivierung der Gaumensegelmuskeln kann ebenfalls gezielt durch einfache Übungen oder Aktivitäten unterstützt und verbessert werden. Da die Atmung – und dabei das aktive Gaumensegel – ein Automatismus in unserem Körper ist, müssen wir hier lediglich für einen verstärkten Gebrauch sorgen. Dann treten auch Trainingseffekte ein. Mit diesen einfachen Tipps aktivieren Sie Ihre Gaumensegel effektiv:

16 Singen: Tägliches Singen kann Schnarchen stoppen oder zumindest reduzieren. Beim Singen spielen wir mit der Stärke und der Tonvielfalt unserer Stimme. In den Nasennebenhöhlen findet eine verstärkte Durchlüftung statt und die Gaumensegel werden automatisch mit aktiviert.

17 Zudem helfen auch einfache körperliche Aktivierungen dabei, die Gaumensegel verstärkt in Bewegung zu bringen. Das Anheben des Gaumensegels kann beispielsweise durch einfachste Bewegungsübungen, die tendenziell vom Körper weg gerichtet sind, besonders forciert werden: einen Ball prellen, sich einen Ball zuwerfen, Ball an eine Wand werfen, beim Spazierengehen Steine auf den Weg nach vorne werfen, Liegestütze (Steigerung: an Wand, am Tisch, am Boden), Stuhl durch das Zimmer schieben.

18 Das Absenken des Gaumensegels kann ebenfalls durch Bewegungsaktivitäten, die zum Körper hin gerichtet sind, wie Tauziehen, Rechen und Harken in Garten, verbessert werden.

Wichtig: Für einen optimalen Effekt auf die Aktivität der Gaumensegelmuskeln sollten Sie diese Übungen mit geschlossenem Mund machen.

KIEFERÜBUNG

Auch Kieferübungen können durch die Aktivierung der Mundbodenmuskeln, der Kaumuskeln und der Gaumensegel eine Reduzierung von Schnarchgeräuschen bewirken und so für eine entspannte Schlafsituation sorgen.

19 Seitbewegung des Unterkiefers: Zeigen Sie sich selbst die Zähne vor einem Spiegel. Öffnen Sie den Mund etwas. Bewegen Sie Ihren Unterkiefer zuerst 20-mal nach rechts und dann 20-mal nach links. Stoppen Sie immer in der Mitte und verhindern Sie ein Bewegen von ganz rechts nach ganz links. Zur Orientierung können Sie die Mittellinie zwischen den Schneidezähnen Ihres Ober- und Unterkiefers heranziehen. Stoppen Sie die Bewegung in der Mitte immer dann, wenn die Mittellinie der unteren Zähne genau unter der Mittellinie der oberen Zähne steht. Machen Sie 20 Wiederholungen von dieser Übung in drei Durchgängen in jede Richtung.

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Unterkiefer nach links und rechts verschieben

Diese Übung sollten Sie anfangs vor einem Spiegel machen. So erreichen Sie eine bessere Bewegungskontrolle. Nach 2 bis 3 Tagen können Sie die Übung dann meist schon korrekt überall durchführen, z. B. beim Autofahren, Spazierengehen oder, für ganz Mutige, beim Anstehen in der Warteschlange beim Einkaufen.

Die unteren Atemwege

Die unteren Atemwege beginnen mit dem Kehlkopf und umfassen die Luftröhre, die Bronchien mit den kleineren Verzweigungen der Bronchiolen und letztlich die Alveolen – also die kleinen Lungenbläschen, in denen der Austausch der Atemgase stattfindet.

Kehlkopf

Der Kehlkopf stellt den Übergang der oberen Atemwege in die unteren Atemwege dar, hier werden Luft, Nahrung und Flüssigkeiten in den richtigen Transportweg geleitet. Zudem ist es der Ort der Stimmbildung. Bei der Atmung ist der Kehldeckel nach oben gestreckt und lässt so die von hinten kommende Luft aus der Nasenhöhle in die Luftröhre passieren. Beim Schlucken klappt sich der Kehldeckel nach unten, verschließt die Luftröhre und schützt so die unteren Atemwege vor einem versehentlichen Eintritt von Speisebrei und Flüssigkeiten. Diese gelangen über die Speiseröhre in den Verdauungstrakt. Die Klappbewegung des Kehldeckels wird durch das Anheben der Gaumensegel und die Anspannung der Mundbodenmuskulatur ausgelöst. Dieser Mechanismus schützt uns davor, dass der Speisebrei einen falschen Weg nimmt und wir uns verschlucken.

BESONDERE PFLEGEHINWEISE UND ÜBUNGSTIPPS

20 Tasten Sie Ihren Kehlkopf mit den Fingerspitzen an der Vorderseite Ihres Halses und halten Sie ihn sanft seitlich fest. Nun strecken Sie den Kopf in den Nacken und fühlen dabei das Straffen der Halsregion und das „Ziehen“ am Kehlkopf. Wenn Sie das Gewebe hierbei sanft halten, spüren Sie, wie es sich beim Anheben des Kopfes Ihrem Griff entzieht – so entsteht ein kontrollierter Massageeffekt. Beim Beugen des Kopfes nach vorne (zum Brustbein hin) bewegen sich die Halsmuskeln und -faszien gegen den Kehlkopf nach unten. Spüren Sie die Bewegungen um den Kehlkopf und die Bewegungen des Kehlkopfes selbst. Allein mit diesen kleinen Kopf- und Nackenbewegungen und einem variablen Druck oder Halten der Hand am Kehlkopf können Sie den gesamten Bereich herrlich lösen und beweglich machen.

21 Sanfte Massagen am Kehlkopf: Tasten Sie die Spangen des Kehlkopfes von außen sanft ab. Versuchen Sie nun den Kehlkopf sanft nach rechts und links zu verschieben. Spüren Sie, wie weit sich Ihr Kehlkopf nach rechts und links verlagern lässt, und vergleichen Sie die Beweglichkeit. Bei dieser Bewegung kann, durch die Spangen des Kehlkopfes, ein „Rumpeln“ entstehen. Das ist normal.

22 Lassen Sie Ihre Arme baumeln und schütteln Sie die Hände und Unterarme wechselseitig aus. Atmen Sie auf den Laut „brrrr …“ langsam und kontrolliert aus und fühlen Sie die Entspannung der Kehlkopfregion. Variieren Sie die Länge und die Lautstärke (Intensität) des Ausatemlauts („brrrr …“) dabei.

23 Gurgeln Sie mit lauwarmem Wasser oder Tee. Kräutertee, wie z. B. Salbei- oder Kamillentee, ist für seine entspannende Wirkung besonders bekannt.

Luftröhre

Direkt unterhalb des Kehlkopfes beginnt die 10 bis 12 cm lange Luftröhre, die unsere Atemluft in die Bronchien und in die Lunge leitet. Diese Verbindungsröhre kann sich dank ihrer großen Flexibilität und Beweglichkeit allen Körperhaltungen und Bewegungen anpassen. Dabei wird sie von Knorpelspangen stabilisiert. In etwa der Höhe des fünften Brustwirbels geht die Luftröhre in die Bronchien über und leitet die Luft weiter in Richtung der Alveolen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842629738
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Atemtechniken Atem-Workout Balance innere Balance Selbsthilfe innere Stille

Autor

  • Kay Bartrow (Autor:in)

Kay Bartrow ist seit 1997 als Physiotherapeut tätig, von 2002 bis 2019 auch als Fachlehrer in der beruflichen Ausbildung. Er hält zertifizierte Fortbildungen in den Bereichen der Trainingstherapie, Faszientherapie, neuralen Mobilisation und Kiefertherapie. Zudem gibt er sein Wissen und seine praktischen Erfahrungen in Vorträgen zu vielfältigen gesundheitlichen Themen sowie in seinen zahlreichen Ratgebern weiter. Bei humboldt ist von ihm bereits der Titel "Fit als Vielsitzer" erschienen.
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Titel: Die Heilkraft der Atmung