Lade Inhalt...

Nicht-medikamentöse Interventionen bei Schlafstörungen

Von A wie Aromatherapie bis Z wie Zubettgehen-Rituale. Besser schlafen - auch bei Demenz

von Ute Bogatzki (Autor:in) Alexander Bogatzki (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Fast jeder zweite Deutsche über 65 leidet an chronischen Schlafstörungen. Kommt dann noch eine Demenz hinzu, verschlimmern sich die Beschwerden: unruhiger Schlaf, nächtliches Umherwandern und Stürze stellen das pflegerische Fachpersonal vor große Herausforderungen.

Nicht immer ist ein Medikament die beste Idee. Gerade schlaffördernde Medikamente haben erhebliche Nebenwirkungen (wie Schwindel oder Bewusstseinstrübungen), die bei einer Demenz besonders ungünstig sind.

Was liegt also näher, als Schlafstörungen möglichst natürlich zu behandeln? Dieses Buch gibt Auskunft: Welche Interventionen wirken bei wem und? Was kann die Pflege tun, damit sich die Schlafqualität und das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen erhöhen lassen?

Kompakt zusammengefasst, leicht verständlich geschrieben – die ideale Kurzlektüre für Pflegekräfte, die wissen, dass guter Schlaf auch ein Qualitätsmerkmal einer professionellen Pflege ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Guter, erholsamer Schlaf ist eine Grundvoraussetzung für ein aktives und gesundes Leben – auch im höheren und hohen Alter. Menschen, die längere Zeit unter einem gestörten und nicht erholsamen Schlaf leiden, gefährden ihre Gesundheit.

Wenn Menschen eine solche gesundheitliche Beeinträchtigung erfahren, steigt die Gefahr, dass begleitend Schlafstörungen auftreten. Mit dem Alter steigt das Risiko gesundheitlicher Störungen an. Deshalb steigt auch die Prävalenz der Schlafstörungen mit dem Alter an. Rund 35 Prozent der über 65-Jährigen weisen Symptome einer Schlafstörung auf.1 Dies bedeutet, dass pflegebedürftige Menschen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine Schlafstörung zu erleiden oder bereits eine manifeste Störung des Schlafes haben. Viele schwerstpflegebedürftige Menschen leben im Pflegeheim und dementsprechend viele Menschen mit einem beeinträchtigten Schlaf. Pflegekräfte haben wenig konventionelle Problemlösungsansätze, um pflegebedürftige Menschen im Bereich Ruhen und Schlafen gezielt zu unterstützen.

image

Nicht-medikamentöse Interventionen bieten den Pflegekräften individuelle Problemlösungsansätze, die auch für eine Steigerung der Lebensqualität sorgen. Durch die sanften Anwendungsmethoden, wie wir sie hier im Buch schildern, sind kaum bis gar keine Nebenwirkungen zu erwarten und die Akzeptanz bei Pflegebedürftigen und den Ärzten ist hoch.

Dieses Buch richtet sich an Pflegekräfte, die Menschen ganzheitlich pflegen möchten, und zwar mit einfachen, leicht verfügbaren und die Lebensqualität steigernden Maßnahmen. Diese Interventionen können selbstverständlich auch in der ambulanten Pflege angewandt werden.

Der erste Teil des Buches widmet sich:

der Chronobiologie,

Warum wir schlafen müssen,

der pathologischen Veränderungen des Schlafes,

den Medikamenten, die den Schlaf beeinflussen.

Der zweite Teil des Buches widmet sich:

den Aufgaben einer Pflegekraft, um guten Schlaf zu ermöglichen,

dem Erkennen von Schlafstörungen,

den nicht-medikamentösen Interventionen.

Der dritte Teil des Buches widmet sich:

der strukturellen Gestaltung der nächtlichen Versorgung,

dem Projekt Nachtcafé,

hilfreichen Tipps für Nachtarbeit.

In jedem Buchteil finden Sie zudem Interviews mit Experten zum Thema Schlaf, u. a. vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und dem Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).

_________________

1 Vgl. Garms-Homolová V (2016): Schlaf- und Wachstörungen bei alten Menschen. Aktuelles Wissen für wirkungsvolle Interventionen. Gezielte Hilfe für einen besseren Schlaf. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft, S. 37

 

Teil 1

 

 

 

 

image

Ein Drittel unseres Lebens befinden wir uns in einem bewusstlosen Zustand und nicht nur wir. Fast alle Lebewesen müssen regelmäßig einen bewusstlosen bzw. einen Ruhezustand einnehmen. Jedoch ist dieser Zustand von außen betrachtet sehr unpraktisch und teilweise lebensgefährlich, da der Schlafende nicht auf nahende Gefahren reagieren kann.

Es muss also einen oder mehrere wichtige Gründe geben, warum jedes höher entwickelte Lebewesen auf dieser Erde nicht ohne Schlaf auskommt. Schlaf ist ein elementarer Bestandteil für das Entwickeln von komplexen organischen Strukturen.2 Im Schlaf muss sich etwas ereignen, was im wachen Zustand nicht möglich ist. Ganz genau ist noch nicht geklärt, warum wir schlafen müssen, es gibt jedoch einige viel versprechende Theorien.

Theorie 1: Im Schlaf wird im Oberstübchen aufgeräumt! Wer je versucht hat, während einer rauschenden Party das Zimmer aufzuräumen, wird diese Theorie eingängig finden. Sind wir wach, findet in unserem Gehirn sozusagen eine Party statt. Jede Sekunde werden im Wachzustand Tausende von Sinneseindrücken empfangen, verarbeitet und ausgetauscht. Bei all der Arbeit in unserem Rechenzentrum fällt auch entsprechend »Müll« an (wie auch bei der Party), sprich: unnötige Informationen.

Allerdings haben wir im Hirn keine Deponie, die beständig wachsen kann. Unser Schädel ist begrenzt und irgendwann geht der Platz aus, wo der Müll zwischengelagert werden kann. Stattdessen wird regelmäßig durchgespült: Nervenzellen und ihre Synapsen ziehen sich zusammen und machen Platz, damit die Zwischenräume der Nervenzellen gespült werden können.3 Damit dies möglich ist, müssen die Nervenzellen ihre Arbeitsleistung drosseln. Genau dieser Mechanismus ist wahrscheinlich zum Großteil nur im Schlaf möglich.

Theorie Nr. 2: Im Schlaf wird Gelerntes abgespeichert! Schlaf ist ein notwendiger Mechanismus ist, um Informationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Einige Studien scheinen dies zu bestätigen4: Es zeigte sich, dass jene Menschen, die zwischen Lernen und Abfragen (etwa von Vokabeln) schliefen, besser abschnitten als diejenigen, die das nicht taten.

Ein weiteres Argument für den Schlaf ist die Regeneration und das Wachstum, denn während wir schlafen werden Wachstumshormone ausgeschüttet. Diese regen die Zellregeneration an und fördert das Zellwachstum. Sind wir wach, ist das Zellwachstum nicht bzw. nur eingeschränkt möglich.

Besonders deutlich wird das an der Knochenstruktur: Der Knochen muss einerseits robust sein, anderseits eine gewisse Flexibilität haben. Fehlt einer der beiden Faktoren, bricht der Knochen bzw. verformt sich unter Krafteinwirkung. Daher bestehen die großen Knochen in unserem Körper nicht aus einem massiven Knochenstück, sondern sind in ihrem Inneren von vielen kleinen Gängen durchzogen, ähnlich wie bei einem Schwamm. Diese Struktur verleiht dem Knochen seine Stabilität. Um diese Struktur aufrechtzuerhalten, gibt es in unserm Körper zwei verschiedene Knochenzellen: die Osteoblasten und die Osteoklasten.

Die Osteoblasten bilden neues Knochenmaterial, während die Osteoklasten Knochenmaterial abbauen. So kann sich der Knochen anpassen und auch wachsen.

Würden z. B. Kinder hauptsächlich tagsüber wachsen, während die Knochen sich also bewegen, wären sie ständigem Druck durch die Bewegung ausgesetzt. Dies führt dazu, dass die neuen, noch nicht fertigen Knochenstrukturen immer wieder einbrechen. Es würde zu Deformierungen kommen wie bei einem Knochenbruch, der nicht richtig zusammenwächst, da er nicht geschont wird. Doch während das Kind schläft, sind die Knochen einer viel geringeren Belastung ausgesetzt und die neuen Strukturen können sich festigen.

Diese Phänomene sind inzwischen sehr gut erforscht und belegen, dass Schlafphasen ein wichtiger Bestandteil unseres Organismus sind. Es gibt jedoch einige Phänomene, die noch nicht eindeutig erklärt werden können, das bekannteste unerklärte Phänomen ist wohl das Träumen.

1.1Jeder Mensch träumt

Selbst wenn Sie glauben, Sie würden nie träumen, irren Sie sich. Ob Sie sich an Ihren Traum erinnern können, hängt davon ab, in welcher Schlafphase Sie erwachen. Jede Schlafphase hat ihre eigenen Träume.5 Während des Einschlafens und des leichten Schlafs haben wir sehr realitätsnahe Träume, die häufig geprägt sind von Eindrücken, die wir unmittelbar vor dem Schlafen erlebt haben.

Im Tiefschlaf träumen wir sehr wenig und im sogenannten REM-Schlaf träumen wir sehr intensiv und meist sehr skurril, manchmal sogar albtraumartig. Die REM-Schlaf-Träume werden häufiger erinnert, als die meisten anderen Traumarten, da der REM-Schlaf vor allem in den frühen Morgenstunden bis zum Erwachen seine Hochphase hat. Sie sind immer noch davon überzeugt, niemals zu träumen? Dann lassen wir jetzt die Technik sprechen.

1.1.1 Elektroenzephalogramm (EEG)

Das EEG misst die Hirnströme. Ermöglicht wird dies durch den Umstand, dass Nervenzellen über elektrische Impulse untereinander Informationen austauschen. Diese elektrischen Impulse können von außen über Elektroden gemessen und grafisch durch eine Spannungskurve dargestellt werden. Je nachdem, wie aktiv unser Gehirn ist, desto schneller und stärker werden elektrische Impulse abgegeben. Dies spiegelt sich in der Spannungskurve als Welle wider.

Wenn wir wach sind, haben wir eine hohe Hirnaktivität und sehen im EEG hohe und schnelle Wellen. Wenn wir schlafen, haben wir (meistens) eine niedrige Hirnaktivität, d. h. auf dem EEG sind langsame und niedrige Wellen zu sehen. Sind wir während des Schlafs an ein EEG angeschlossen, so erwartet uns am nächsten Morgen ein überraschendes Bild: Wir sehen zwar überwiegend langsame und niedrige Wellen, die aber immer wieder von kurzen Episoden von starken und schnellen Wellen durchbrochen werden. In Experimenten6 hat sich herausgestellt, dass die kurzen Episoden hoher Hirnaktivität dann auftreten, wenn wir träumen.

In diesen Experimenten wurden die Versuchsprobanden immer geweckt, sobald diese hohe Hirnaktivität auftrat und die Probanden bestätigten den Forschern, dass sie soeben geträumt hatten.

Interessanterweise behaupteten einige Probanden nach dem Experiment, sie hätten nicht geträumt, obwohl sie während des Experiments aussagten, geträumt zu haben (was natürlich per Video festgehalten wurde). Das waren keine vorsätzlichen Lügen. Die Probanden konnten sich schlicht nach dem Erwachen am Morgen nicht mehr an ihre Träume erinnern.

Diese Amnesie tritt bei jedem Menschen auf und das ist auch gut so. Es würde uns kaum gefallen, wenn wir uns am Morgen daran erinnern könnten, wie oft wir uns im Schlaf gedreht haben (ca. 20–30 Drehungen pro Nacht), denn zum Drehen müssen wir kurz wach werden. Somit steht fest, jeder Mensch träumt, die Frage ist nur: warum?

1.1.2 Traumtheorien

Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Träume eine Aussagekraft haben, wie es unserem Unterbewusstsein geht, geschweige denn, was die Zukunft für uns bereithält. Zwar konnten teilweise Zusammenhänge zwischen den Trauminhalten und realen Stresssituationen aufgezeigt werden, jedoch gibt es hierfür wenig belastbare Studien.

Es könnte jedoch sein, dass wir in unseren Träumen reale Erlebnisse verarbeiten. Eine eindeutig bewiesene Traumtheorie liegt leider noch nicht vor. Es gibt jedoch einige Ansätze, die vielversprechend scheinen.

Träumen = Training?

Einige Theorien7 gehen davon aus, dass die Träume, die in der REM-Phase geschehen, ein urzeitliches Trainingsprogramm sind. Das Indiz für diese Theorie ist der Umstand, dass die Träume fast immer albtraumhafter Natur bzw. bewegungsreich sind. Dass diese Träume bewegungsreich sind, lässt sich sehr gut an Kleinstkinder erkennen. Diese haben keine Muskellähmung während der REM-Phase und bewegen sich daher sehr viel. Wieso sollte aber dies nun ein Training sein?

Die Theorien besagen, dass diese Träume unsere neuronalen Reflexe trainieren, um so in gefährlichen Situationen intuitiv Aktionen durchführen zu können. Dass dies tatsächlich funktionieren könnte, zeigt das mentale Training, das viele Sportler nutzen. Beim Mentalen Training geht man gedanklich physische Aktivitäten durch und stellt sich vor, wie es ist, diese wirklich durchzuführen. In mehreren Studien zeigte sich, dass Sportler, die regelmäßig Mentales Training absolvieren, bei der tatsächlichen Durchführung der physischen Aktivität besser abschneiden.

Es gibt aber auch Forscher, die davon ausgehen, dass Träume nur eine Nebenwirkung des Aufräumprozesses im Gehirn sind. Sie glauben, dass die Hirnwellen der verschiedenen Schlafphasen durch ihre Wellenfrequenz Bilder projizieren, die dann bei kurzzeitigem Erwachen wahrgenommen werden. Dies würde erklären, warum wir uns nur kurz an unsere Träume erinnern können und warum Träume oft sehr wirr sind.

_________________

2 Vgl. Benedict C, Tunberger M (2019): Schlaf ist die beste Medizin. Schlau, schlank und gesund über Nacht – Schlafexperte Dr. Christian Benedict erklärt, wie es geht. 1. Auflage. Hamburg: Eden books

3 Vorster A (2019): Warum wir schlafen. Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens. Unter Mitarbeit von Nadine Roßa. München: Heyne Verlag

4 Vgl. Holzinger B, Klösch G (2018): Schlafstörungen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg

5 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 18–19

6 Vgl. Crönlein T, Galetke W, Young P (2017): Schlafmedizin 1×1. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg., S. 18–19

7 Vgl. Vorster 2019 Kapitel: Warum wir Träumen E-book.

image

Die meisten Lebewesen haben einen zyklischen Wechsel zwischen Ruhen und Wachsein, aber nur Säugetiere und Vögel schlafen. Das große Problem dabei: Im Schlaf sind sie extrem gefährdet und können nicht auf Gefahren reagieren. Dennoch hat sich der Schlafevolutionär durchgesetzt.8

Daher können wir davon ausgehen, dass die Physiologie des Schlafes ein optimierter Prozess unseres Körpers ist und somit notwendig für unser Überleben.

Schlaf ist komplex und es gibt mehrere Theorien, um ihn zu erklären. Eine davon ist das Zwei-Prozess-Modell von Alexander Borbély. Diese Theorie veranschaulicht das System zwischen Wachsein und Ruhen/Schlafen sehr gut, ohne dabei zu komplex zu werden. Daher beschränken wir uns hier auf dieses System.

Borbély beschreibt einen Wechsel zwischen Wachsein und Schlaf durch ein wechselwirkendes System, das aus zwei Prozessen besteht. Die zentrale Annahme für den ersten Prozess ist: Je länger ein Mensch wach ist, desto müder wird er. Es entsteht der Schlafdruck. Der Schlafdruck resultiert aus einer Schlafschuld, die entsteht, wenn über mehrere Nächte nicht genug geschlafen wurde. Gegenspieler des Schlafdrucks ist der Wachdruck. Der Wachdruck baut sich auf, je mehr wir geschlafen haben und er wird abgebaut, solange wir wach sind. Wir schlafen, wenn wir einen geringen Wachdruck und einen hohen Schlafdruck plus evtl. Schlafschuld haben. Je länger wir schlafen, umso mehr baut sich der Schlafdruck ab. Der Wachdruck erhöht sich solange, bis wir erwachen.

Der zweite Prozess kann als innere Uhr bezeichnet werden. Dieser Prozess wird von externen, also von außen kommenden, Zeitgebern, gesteuert. Diese sind vielfältig und bestehen u. a. aus sozialen/körperlichen Aktivitäten, Umweltfaktoren und unserem Lebensstil. Dieser Prozess würde erklären, warum einige unserer Organe trotz Wachheit zu Nachtzeiten ihre Aktivität reduzieren (z. B. sinkt die Körpertemperatur unabhängig von Wachheit oder Schlaf zwischen 02:00 und 04:00 Uhr nachts auf einen Tiefpunkt).9

Wenn wir dieser Theorie folgen, ist klar, warum wir abends müde werden und einschlafen und andererseits, warum wir selbstständig wachwerden – auch ohne Störfaktoren unserer Umwelt ausgesetzt zu sein. Wir haben also nun die Start- und Endbedingungen für einen normalen Schlaf geklärt. Doch was passiert mit uns, wenn wir schlafen?

2.1Wir schlafen in Phasen

Endlich geht’s ins Bett! Der Tag war lang, Sie sind müde und strecken sich nun gemütlich aus. Wahrscheinlich schlafen Sie nicht sofort ein, sondern wälzen sich ein wenig hin und her, werden allmählich ruhiger, atmen langsamer und schlummern ein. Sie haben die erste Phase des Schlafes erreicht: die Einschlafphase.10

Die Einschlafphase bzw. das Schlafstadium N1 ist der fließende Übergang vom Wachen ins Schlafen. Diese Schlafphase zeichnet sich durch Träume aus, die sehr realistisch sind und von unserem Alltag beeinflusst werden. In dieser Schlafphase treten bei vielen Menschen leichte Zuckungen der Gliedmaßen auf (Einschlafmyoklonien) was häufig zu einem Aufwachen führt, aber harmlos ist und ein Zeichen dafür, dass unser Körper immer weiter vom Wachen ins Schlafen übergeht. Da die Schlafphase N1 eine Übergangsphase ist, erwachen wir in dieser Phase sehr leicht, wenn uns Geräusche oder andere Reize stören. Bei manchen Menschen treten auch periodische Beinbewegungen auf, die als störend empfunden werden können.11

image

Info

Die Einschlafphase (N1) und der leichte Schlaf (N2) sind nah beieinander und werden daher häufig als leichter Schlaf (N2) zusammengefasst.

In der zweiten Phase des Schlafes, dem leichten Schlaf (N2), sieht man unter dem EEG Alphawellen, die immer wieder von K-Komplexen (eine schnell, weit ausschlagende Welle die langsamer und kleiner wird) und Schlafspindeln (sehr kurze, aber sehr schnelle Hirnwellen) unterbrochen werden. K-Komplexe und Schlafspindeln sind sichere Zeichen für die Schlafphase N2.

Die K-Komplexe entstehen durch kurze Wachphasen, die durch äußere und innere Reize verursacht werden, an die wir uns aber später nicht mehr erinnern. Diese K-Komplexe können auch oftmals von außen beobachtet werden, da sie oft mit Bewegungen kombiniert sind (wie z. B. das Drehen auf die andere Körperseite). Da diese Wachphasen nur von sehr kurzer Dauer sind, stören sie unseren Schlaf im Normalfall nicht. Die Schlafspindeln hingegen können noch nicht eindeutig erklärt werden. Jedoch scheinen sie einen positiven Effekt auf das Abspeichern von Informationen zu haben. In einigen Studien zeigte sich, dass Versuchspersonen sich Lernaufgaben besser merken konnten, wenn sie im Schlaf mehr Schlafspindeln aufwiesen als andere Probanden.12

Nach dem ganzen Hin- und Herdrehen während der Einschlafphase werden unsere Bewegungen nach einer gewissen Zeit immer sporadischer, Puls und Atmung verlangsamen sich deutlich. Wir befinden uns im Tiefschlaf, der Schlafphase N3.

Im Tiefschlaf (N3) reduziert sich die Hirnaktivität weiter. Im EEG sind Hirnwellen mit einer niedrigen Frequenz (4 Hz) sichtbar. Werden wir jetzt geweckt, erwachen wir orientierungslos und benommen, weil sich unser Hirn erst wieder auf sein normales Aktivitätsniveau hochfahren muss. Dass der Tiefschlaf allein zuständig ist für einen erholsamen Schlaf ist allerdings ein Mythos. Dennoch ist der Tiefschlaf ein wichtiger Bestandteil eines erholsamen Schlafes.13

Der Tiefschlaf führt zu einem starken Abbau des Schlafdrucks, hat zellregenerierende Eigenschaften und führt zu einer erhöhten Ausschüttung der Wachstumshormone. So lässt sich auch erklären, warum Kinder und vor allem Pubertierende mehr Tiefschlaf brauchen als Erwachsene.14 Was allerdings nicht heißt, dass Erwachsene keinen Tiefschlaf benötigen! Würde uns der Tiefschlaf fehlen, würde kaum Zellregeneration stattfinden. Das aber würde Krankheiten wie Osteoporose oder Wundheilungsstörungen begünstigen und den allgemeinen Alterungsprozess beschleunigen.

Während wir nun in einem tiefen und festen Schlaf im Bett liegen, passiert etwas äußerst Seltsames: Fast die gesamte Skelettmuskulatur erschlafft, während im EEG hohe Hirnaktivität gemessen wird und unsere Augen sich hinter den geschlossen Lieder hin und her bewegen als würden wir uns im Schlaf intensiv umschauen (rapid eye movement). Was ist passiert?

Wir sind in der wahrscheinlich merkwürdigsten Schlafphase angelangt, dem sogenannten Rapid Eye Movement-Schlaf (REM-Schlaf). Der REM-Schlaf wird von vielen als die Schlafphase bezeichnet, in der wir träumen. Dies stimmt jedoch nur zum Teil, denn auch in den anderen Schlafphasen wird geträumt, jedoch sind die Träume in der REM-Phase eindrücklicher und oftmals mit Albträumen assoziiert.

Die Hirnaktivität ist in dieser Schlafphase hoch und ähnelt der Wachphase.15 Im EEG sind im Wechsel schnelle Frequenzen (Beta-Wellen [>13 Hz]) und langsame Frequenzen (Alpha-Wellen [8–12 Hz] und Theta-Wellen [4–7 Hz]) sichtbar.16 Diese Phase endet nach einer gewissen Zeit und wir beginnen erneut mit der N1-Phase des Schlafes.

Die Kombination aller Schlafstadien (N1, N2, N3 und REM) ergeben den Schlafzyklus. Ein Zyklus dauert ca. 90–120 Minuten. Bei einer ungestört verbrachten Nacht durchleben wir zwischen fünf bis sechs dieser Zyklen. Nach jedem Durchlauf eines Zyklus kommt es zu einer kurzen Wachreaktion, an die wir uns aber meist nicht mehr erinnern.17

Nach der Wachreaktion beginnt wieder die Einschlafphase N1 gefolgt vom leichten Schlaf N2 hin zum Tiefenschlaf N3 und endet wieder im REM-Schlaf. Zu Beginn des Schlafs ist die Tiefschlafphase länger als die REM-Phase, jedoch nimmt die Dauer des Tiefschlafs ab, je öfter sich der Zyklus wiederholt, der REM-Schlaf hingegen nimmt zu.18 Daher kommt auch der Mythos, dass der Schlaf vor Mitternacht der erholsamere Schlaf ist, da wir zu dieser Zeit noch höhere Tiefschlafanteile haben. Jedoch ist der Schlaf nur dann wirklich erholsam, wenn wir die für unseren Körper nötige Anzahl an Zyklen durchlebt haben. Ob wir unseren Schlaf als erholsam empfinden oder nicht, wird von mehr Faktoren bestimmt als der Menge an durchlebten Schlafzyklen oder an Tiefschlaf.

2.2Wie viel Schlaf brauchen wir?

Es gibt Menschen, die sich nach sechs Stunden Schlaf kaum ausgeschlafen fühlen, während andere nach fünf Stunden Schlaf topfit sind. Daher ist die richtige Schlafmenge nur schwer zu bestimmen, jedoch sollte der normale Schlaf mindestens vier Stunden betragen und nicht mehr als zehn Stunden (für Erwachsene). Die empfohlene Schlafmenge richtet sich auch nach anderen Faktoren, z. B. Geschlecht, Tätigkeit oder Krankheiten. Die meisten Menschen können jedoch meist gut bestimmen, ob sie ausgeschlafen und erholt sind oder nicht. Das ist meist der bessere Richtwert als die Qualität des Schlafes. Es wird jedoch häufig der Fehler gemacht, die Schlafmenge mit der Qualität gleichzusetzen.

Schlafwahrnehmung bezeichnet die Fähigkeit, die tatsächliche Schlafdauer korrekt einzuschätzen. Der Begriff ist irritierend, da im Schlaf ein bewusstloser Zustand herrscht und somit keine bewusste Wahrnehmung stattfindet. Daher kommt es auch häufig zu Unstimmigkeiten bzgl. der Schlaferinnerung und der tatsächlich gemessenen Schlafdauer.19

Die wichtigste Frage ergibt sich nun aus der subjektiven Wahrnehmung und der Qualität des Schlafes: Wie können wir unseren bzw. den Schlaf anderer verbessern?

Doch um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst die inneren und äußeren Faktoren, die den Schlaf beeinflussen, kennenlernen und verstehen. Bisher haben wir nur betrachtet was passiert, wenn wir schlafen. Aber wir wissen noch nicht, welche Folgen der Schlaf für unseren Körper hat und wir wissen auch noch nicht, wer bestimmt, wann wir müde werden und wann wir wach werden. Den ersten Hinweis darauf hat uns das Zwei-Prozess-Modell von Borbély (image Kap. 2.1) gegeben. Vor allem den zweiten Prozess schauen wir uns nun genauer an.

2.3Der zirkadiane Rhythmus

Alle Lebewesen haben einen biologischen Rhythmus, der ungefähr 24 Stunden andauert, bis er sich wiederholt. Dieser zirkadiane Rhythmus ist selbst in Einzellern vorzufinden. Zirkadian ist ein Adjektiv, das sich aus den lateinischen Worten »circa« (um … herum) und »dies« (Tag) zusammensetzt. Auslöser dieses speziellen Rhythmus sind sogenannte Uhren-Gene. Beim Menschen und anderen Säugetieren findet die Koordination dieser Gene im Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus statt. Dieser Bereich im Hypothalamus wird auch Master Clock oder Schrittmacher genannt.

image

Zirkadiane Rhythmen sind dafür zuständig, die Aktivität einer Zelle zu bestimmen. Somit regulieren sie alle biologischen Systeme, indem sie bestimmen, ob eine (oder mehrere) Zellen aktiv oder inaktiv sind.

Der zirkadiane Rhythmus des Menschen dauert im Durchschnitt etwas mehr als 24 Stunden an und jeder Mensch besitzt seinen eigenen zirkadianen Rhythmus, der länger oder kürzer ist. Der zirkadiane Rhythmus ist kein festes Konstrukt, sondern passt sich an Umwelteinflüsse an. So finden sich z. B. in der Retina des Auges Ganglienzellen, die ein lichtempfindliches Protein (Melanopsin) enthalten und über einen direkten Nervenkanal (Tractus retinohypothalamicus) mit dem SCN verbunden sind. Durch das Melanopsin kann sich der zirkadiane Rhythmus mit der Tageszeit synchronisieren.

Der zirkadiane Rhythmus wird auch beeinflusst durch das Hormon Melatonin. Melatonin wird in der Epiphyse produziert und führt bei hoher Konzentration dazu, dass Müdigkeit und Schläfrigkeit steigen. Die Melatoninsekretion wird gehemmt, sobald das Auge (Sonnen)Licht ausgesetzt ist. Daher ist der Melatoninspiegel vor allem in der Nacht besonders hoch und tagsüber niedrig.20

Je nachdem, zu welchem Typen man gehört, ist der eigene zirkadiane Rhythmus nach vorn, normal oder nach hinten verschoben. Der Morgentyp hat einen leicht nach vorn verschobenem Rhythmus und ist daher früher wach und sein Leistungshoch ist am Morgen und Vormittag. Dafür wird er abends schnell müde.

Der Abendtyp hat einen leicht nach hinten verschobenem Rhythmus, ist später wach, hat sein Leistungshoch am Nachmittag und wird erst spätabends müde.

Der Normaltyp liegt genau dazwischen. Es gibt wenige extreme Fälle von sehr stark ausgeprägten Abend- bzw. Morgen-Typen. In der Regel sind die meisten Menschen entweder Morgen- oder Abend- bzw. Normaltypen.21

Aber nicht nur der Mensch hat einen zirkadianen Rhythmus. Im Grunde genommen hat jedes Organ seinen eigenen Rhythmus. Daher weist ein Großteil unserer Körperfunktionen einen zirkadianen Rhythmus auf, d. h. innerhalb von 24 Stunden verändert sich das Aktivitätsmuster ein- oder mehrmals in festen zeitlichen Abständen, z. B. der Schlaf-/Wach-Rhythmus. Die zirkadianen Rhythmen in unserem Körper werden über unsere inneren Uhren gesteuert.

Diese Uhren finden sich im Nucleus suprachiasmaticus, im vorderen Teil des Hypothalamus nahe den Sehnerven.22 Diese Zellen sind von großer Bedeutung, denn sie sind der Taktgeber unseres Körpers. Sie beeinflussen Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung, Hormonausschüttung, Hungergefühl sowie die Körperkerntemperatur. Diese speziellen Zellen finden sich im Nucleus suprachiasmaticus.

Neben dem Nucleus suprachiasmaticus beeinflussen auch die Epiphyse, der Hypothalamus und die Hypophyse unsere zirkadianen Rhythmen. Das Schlafhormon Melatonin wird in der Epiphyse gebildet, in der Hypophyse werden durch die Stimulation des Nucleus suprachiasmaticus Hormone wie Oxytocin (Bindungs- oder »Kuschel-«Hormon), Orexin (appetit- und aktivitätsfördernd), Wachstumshormone und Sexualsteroide (Testosteron) ausgeschüttet. Ebenso wird durch die Hypophyse die Nebennierenrinde aktiviert bzw. gehemmt und somit die Steuerung des Cortisolspiegels bestimmt (Um 02:00–03.00 Uhr nachts ist der niedrigste Cortisolspiegel erreicht, danach steigt er rapide an).23 Ebenso wurde festgestellt, dass die Konzentration des appetithemmenden Leptin im Blut mit zunehmender Schlafdauer steigt, während zeitgleich die Konzentration des appetitsteigernden Hormons Ghrelin abnimmt.

Allein diese kurzen Beschreibungen zeigen deutlich, welche negativen Folgen Schlafstörungen auf unseren Körper haben.

Während wir einerseits die Veränderungen des Hormonhaushalts im Schlaf feststellen, können wir andererseits (teilweise bedingt durch den veränderten Hormonhaushalt) physiologische Veränderungen im Nerven- und Herz-Kreislauf-System feststellen.

Zum einen liegen die meisten Menschen, während sie schlafen. Dadurch wird der venöse Rückfluss gefördert, es kommt aber auch zu einer Beeinflussung des Herzschlages durch das vegetative Nervensystem, da im Schlaf der Sympathikustonus abnimmt, je tiefer der Schlaf ist. Der Parasympathikus nimmt zu (außer im REM-Schlaf) und das führt zur einer Senkung der Herzschlagfrequenz und des arteriellen Blutdrucks (im REM-Schlaf eher erhöht).

Neben diesen Veränderungen hat der zirkadiane Rhythmus auch noch Einfluss auf unsere Körpertemperatur. Die Körpertemperatur verändert sich im Laufe des Tages und dies im beachtlichen Maße! So kann sich die Temperatur um bis zu +/-1 °C Grad verändern. Ab den frühen Morgenstunden bis zum Mittag steigt die Temperatur an, bleibt dann bis zum Abend konstant und beginnt zu sinken. Den Tiefpunkt erreicht sie meist zwischen 02:00 und 04:00 Uhr morgens. Es lässt sich auch eine Korrelation zwischen Schläfrigkeit und Körpertemperatur feststellen: Je niedriger die Körpertemperatur ist, desto höher ist die Schläfrigkeit.24

_________________

8 Vgl. Stuck BA, Maurer JT, Schlarb AA, Schredl M, Weeß HG (2018): Praxis der Schlafmedizin. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg., S. 10

9 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 15–16

10 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 23

11 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 18

12 Vgl. Vorster A (2019): Warum wir schlafen. Weshalb unsere Beine manchmal keinen Schlaf finden, auch Schnecken sich schlau schlummern und andere faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens. Unter Mitarbeit von Nadine Roßa. München: Heyne Verlag.

13 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 16–18

14 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 19

15 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 18–19

16 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 18

17 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 15

18 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 19

19 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 25–26

20 Vgl. Stuck et al. 2018, S. 13–14

21 Vgl. Crönlein et al. 2017, S. 32

22 Vgl. Holzinger & Klösch 2018, S. 21

23 Vgl. ebd., S. 22

24 Vgl. Stuck et al. 2018, S. 12–13

image

Prof. Dr. med. Dipl. Phys. Karl-Otto Steinmetz studierte Physik und Humanmedizin. Nach der Weiterbildung zum Internisten mit Schwerpunkt Lunge ist er seit 1988 niedergelassener Arzt mit den Schwerpunkten Pneumologie, Allergologie und Somnologie. Er übt seit 2006 eine Lehrtätigkeit im Bereich Wirtschaftsmathematik und ambulanter ärztlicher Versorgung aus.

Prof. Dr. Steinmetz, Sie als Schlafmediziner wissen um die Wichtigkeit des Schlafes des alten Menschen. Wie unterscheidet sich der Schlaf des alten Menschen vom Schlaf des Erwachsenen im mittleren Alter?

Der Schlaf des Menschen ist in hohem Maße »geordnet«. Das bedeutet, er läuft nach relativ festen Regeln ab. Aber diese Regeln ändern sich im Laufe des Lebens. Säuglinge schlafen im Schnitt ca. 15–17 Stunden pro Tag und etwa die Hälfte davon ist sog. REM-Schlaf. Außerdem zeigen Säuglinge ein polyphasisches Schlafverhalten; das heißt, sie haben über 24 Stunden mehrere Schlaf- und Wachphasen (nicht zur Entzückung ihrer Eltern!).

Dies ändert sich im mittleren Lebensalter bei Gesunden erheblich. Die Schlafdauer beträgt nur noch etwa 7–8 Stunden und der Schlaf ist ein reiner Nachtschlaf mit einem REM-Anteil von ca. 20 Prozent. Obwohl, aktuell steht der sog. Powernap zur Mittagszeit wieder hoch im Kurs! Aber allgemein kann man davon ausgehen, dass im mittleren Lebensalter ein monophasisches Schlafverhalten vorherrschend ist.

Mit zunehmendem Lebensalter treten aber deutliche Änderungen ein. Zum einen nimmt die Schlafeffizienz von 90–95 Prozent beim jungen Menschen auf unter 80 Prozent beim über 60-Jährigen (im statistischen Mittel!) ab. Dadurch wird der Schlaf als weniger erholsam empfunden. Auch kommt es vermehrt zu nächtlichen Weckreaktionen, die oft zu längeren Wachphasen führen (da man sich über den gestörten Schlaf »aufregt«, damit das sympathische Nervensystem aktiviert und dann erst recht nicht zurück in den Schlaf findet!).

Schließlich führt der als unbefriedigend empfundene Schlaf oft dazu, dass man dem postprandialen Müdigkeitsgefühl nachgibt und auch am Tage längere Schlafphasen im Sinne eines wieder polyphasischen Schlafverhaltens zu beobachten sind. Und in der Folge ist der Schlafdruck für die kommende Nacht bereits verringert – ein Teufelskreis!

Alte Menschen leiden häufig unter vielen Erkrankungen. Einige dieser Erkrankungen beeinflussen den Schlaf zum Teil erheblich.

Viele chronische Erkrankungen können den Schlaf beeinträchtigen. Ganz im Vordergrund stehen Krankheiten, die mit Atembeschwerden verbunden sind (Herzinsuffizienz, COPD, Asthma etc.), da insbesondere nachts Störungen der Atmung sensibler wahrgenommen werden. Das hängt damit zusammen, dass wir nachts eine andere Regulationssituation haben als am Tage.

In der Nacht dominiert das parasympathische Nervensystem, während am Tage Adrenalin und Noradrenalin die »Taktgeber« sind. Das bedeutet, dass auch beim Gesunden nachts die Atmung etwas erschwert ist, was aber im Normalfall gar nicht wahrgenommen wird. Anders bei Menschen mit o. g. Erkrankungen, die auch am Tage schon unter Belastung an die Grenze ihrer Atemkapazität kommen können.

Daneben führen auch neurologische Störungen, wie insbesondere das Restless-Legs-Syndrom zu einer nachhaltigen Störung des Nachtschlafs. Oder z. B. ein gehäufter nächtlicher Harndrang.

Wie man sieht, sind mögliche Ursachen eines gestörten Nachtschlafs sehr vielfältig und diese Probleme bedürfen einer sorgfältigen Abklärung – ehe man z. B. mit Medikamenten versucht, diese unbefriedigende Situation zu beeinflussen.

Welche krankhaften Störungen des Schlafes finden sich vor allem bei älteren und alten Menschen?

Wenn man auf krankhafte Störungen des Schlafes im eigentlichen Sinne abhebt – also nicht durch nicht ursächlich schlafgebundene Erkrankungen, so steht ganz im Vordergrund die Insomnie, die sehr unterschiedliche Ursachen haben kann. Auch werden Krankheitsbilder wie die Schlafapnoe im höheren Lebensalter häufiger beobachtet; dies gilt ebenso für das Restless-Legs-Syndrom als schlafbezogene Bewegungsstörung.

Welche Aufgaben sehen Sie bei den Pflegekräften vor allem auch im vollstationären Bereich?

Die pflegerische Betreuung älterer Patienten im Allgemeinen im Rahmen eines Klinikaufenthaltes ist bereits eine besondere Herausforderung. Darüber hinaus stellen die im Vorhergehenden beschriebenen Alterationen des Schlafes mit steigendem Lebensalter sicher besondere Ansprüche auch an die Pflege. Wichtig aus meiner Sicht wäre vor Allem, dass Pflegekräften, insbesondere wenn sie z. B. im Bereich der Geriatrie eingesetzt sind, eine fundierte Kompetenz in Sachen Schlaf des älteren Menschen vermittelt wird.

Wie können Pflegekräfte erkennen, ob der Schlaf es alten Menschen beeinträchtigt ist?

Dies ist sicher nicht leicht, da der Schlaf aus »subjektiver« Sicht wohl bei der Mehrzahl älterer Menschen beeinträchtigt ist, obwohl dies in biologisch-medizinischer Hinsicht nicht in gleichem Maße gilt. Im Vordergrund würde nach meiner Meinung (aber ich bin kein Experte in Sachen Pflege!) die Registrierung von Schlaf- und Wachzeiten liegen, damit eine belastbare Aussage über die Frage »Schlafdefizit oder nicht« getroffen werden kann. Meist ist es ja so, dass die Schlafzeiten, am Tage und in der Nacht zusammengenommen, durchaus hinreichend sind. Dann wären vermeintliche Defizite durch die Betroffenen ein Wahrnehmungsproblem!

Falls aber z. B. über nächtliche Atemnot geklagt wird oder über vermehrten Harndrang, unruhige Beine usw., so stehen die gerade beschriebenen Krankheiten im Vordergrund und es sollte eine entsprechende medizinische Exploration und ggf. Therapie vorgenommen werden.

Was kann man gegen Tagesschläfrigkeit unternehmen?

Hier wäre es neben dem Ausschluss somatischer Erkrankungen wichtig, sich ein Bild über die Schlafphasen zu unterschiedlichen Tageszeiten zu verschaffen; sprich: Ist eine (teilweise) Umkehr von Nachtschlaf und Tagesschlaf festzustellen, kommt es wieder zu einem polyphasischen Schlafverhalten? usw.

Denkbar ist natürlich auch, dass andere Krankheiten wie z. B. Tumorerkrankungen oder Infektionen ein sog. Fatigue-Syndrom hervorrufen, das eine teilweise ausgeprägte Tagesschläfrigkeit nach sich zieht.

Liegt das Problem aber primär beim Schlaf, so kann eine Vereinbarung über eingeschränkte Schlafzeiten am Tage (z. B. maximal 30 Minuten nach dem Mittagessen) und eine zeitlich gut definierte Ruhezeit in der Nacht (z. B. 23:00 bis 05:30 Uhr) eine Hilfe sein.

Aber es wird die Tagesschläfrigkeit in vielen Fällen ein Problem bleiben, auch weil die allgemeine Vigilanz im Alter abnimmt und viele für junge Menschen völlig normale Aktivitäten eine höhere Belastung darstellen, die entsprechend dann zu schnellerer Ermüdung führen. Ein sehr komplexes Problem!

Ist Schlaf Privatsache? Oder stehen Pflegekräfte und Ärzte in der Pflicht, den Schlaf zu regulieren?

Schlaf in der Kliniksituation ist m. E. keine Privatsache. Zunächst wäre aus meiner Sicht erst einmal zu klären, ob eine behandlungsbedürftige Situation vorliegt oder eine Befindlichkeits- oder Wahrnehmungsstörung. Im ersteren Falle wäre dies Anlass zu Diagnostik und Therapie – wie es ja originäre Aufgabe während eines klinischen Aufenthaltes ist. Im zweiten Falle wäre es zumindest den Versuch wert, sei es durch die Pflege, sei es durch die behandelnden Ärzte, die Patienten über den fehlenden Krankheitswert aufzuklären und das empathische Gespräch zu suchen. Erfolg (oft) nicht garantiert!

Welche Möglichkeiten gibt es, abgesehen von Medikamenten, um Schlaf schnell positiv zu beeinflussen?

»Schnell« ist ein ganz schlechter Begriff – sowohl für das Thema Schlaf als auch angesichts des hier adressierten älteren Menschen. Ganz in den Vordergrund möchte ich – abgesehen von den bereits angesprochenen unbedingt therapiebedürftigen Krankheitsbildern im Kontext des Schlafes – die Information der Patienten über die biologischen Gegebenheiten des Schlafes im höheren Lebensalter stellen. Des Weiteren, die Patienten mit den zehn Regeln eines guten Schlafes vertraut zu machen (image Kap. 7.7.2). Und daraus abgeleitet versuchen, Vereinbarungen zu treffen, die allen Beteiligten die Situation in der Klinik erleichtern. Dennoch und trotzdem wird das Thema Schlaf auch und vielleicht insbesondere in der Klinik ein konfliktbehaftetes bleiben.

3.1»Im Alter ändert sich der Schlaf«

Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die den Schlaf negativ beeinflussen. Andersherum gesagt: Es gibt es wenige Erkrankungen, die den Schlaf nicht beeinflussen. Ähnlich wie die Mobilität ist der Schlaf für den Menschen bzw. dessen Körper von so zentraler Bedeutung, dass kleinste pathologische Veränderungen am Körper den Schlaf negativ beeinflussen können. Dies zeigt auch die Häufigkeit, mit der Schlafstörungen auftreten: bis zu 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden an einer Schlafstörung.25

Grundsätzlich werden Krankheiten, die den Schlaf negativ beeinflussen, in typische Schlafkrankheiten eingeteilt, deren primärer Wirkort der Schlaf im Allgemeinen ist, und in Krankheiten, deren primärer Wirkort nicht der Schlaf ist, die den Schlaf aber negativ beeinflussen (z. B. eine schwere Bronchitis).

3.2Schlafstörungen erkennen

Da die Liste der Erkrankungen, die den Schlaf beeinträchtigen können, sehr lang ist, widmen wir uns in diesem Buch nur den häufigsten auftreten Schlafstörungen bzw. jenen Erkrankungen, die häufig bei alten Menschen anzutreffen sind und deren Schlaf beeinflussen.

Das Erkennen von Schlafstörungen ist häufig schwierig und je nach Schlafstörung werden andere Maßnahmen erforderlich sein. Daher ist »schlechter« Schlaf nicht ein Symptom, das einfach ohne Diagnostik mit einer Tablette oder einem Einschlafritual (wie z. B. einem »Gute-Nacht-Tee«) behandelt werden kann. »Schlechter Schlaf« ist eine subjektive Beschreibung für eine Fülle unterschiedlicher Symptome (image Kap. 3.1).

image

Hinter der Beschreibung »schlechter Schlaf« kann vieles stecken:

zu wenig Schlaf (subjektiv betrachtet),

häufiges Erwachen in der Nacht,

nicht erholsamer Schlaf

sozialer Jetlag (Aufstehen zur falschen Zeit),

Albträume, die zum Aufwachen führen,

unbequeme Liegeposition,

Schmerzen,

erhöhte Tagesmüdigkeit,

erhöhte Tagesschläfrigkeit.

All diese Möglichkeiten und viele weitere werden von den Betroffenen als Auswirkungen von schlechtem Schlaf empfunden, jedoch sind die Ursachen sehr unterschiedlich. Daher ist es wichtig, bei der Linderung und Behandlung von Schlafproblemen zu wissen, was das verursachende Problem ist. Daraus leiten sich die Maßnahmen ab.

3.3Störungen durch Reize

Außenreize können im Schlaf noch rudimentär wahrgenommen werden, insbesondere akustische Reize. Entscheidend ist jedoch, welche Bedeutung einem Reiz zugesprochen wird. So können Mütter auf ein sehr leises Wimmern von Kindern sofort wach werden (das sog. Ammenschlaf-Phänomen), das Vorbeirattern eines Zuges bleibt hingegen unbemerkt. An kontinuierliche Geräuschkulissen, wie z. B. den Verkehrslärm, kann sich ein Schläfer gewöhnen, was aber nicht bedeutet, dass die Geräusche tatsächlich nicht mehr wahrgenommen werden. Unbewusst werden sie nach wie vor registriert und können so die Schlafphysiologie nachhaltig beeinflussen, etwa durch eine Zunahme des Leichtschlafstadiums N1 oder durch vermehrtes Auftreten von Arousals (image Kap. 3.4.1).

Lärm kann aber auch von einem schnarchenden Bettpartner ausgehen, ein Umstand, der v. a. bei älteren Paaren den Wunsch nach getrennten Schlafzimmern laut werden lässt. Ein anderes Problem sind die im Schlafzimmer lesenden oder fernsehenden Mitschläfer.

Licht macht wach! Ein hell erleuchtetes Schlafzimmer kann das Einschlafen drastisch verzögern. Vor allem für lichtempfindliche Schläfer ist dies störend. Die unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm ist mit einer der Gründe, warum Normen oder gar Richtwerte hier nicht greifen.

Fakt ist, dass bereits bei geringer Reizintensität messbare schlafphysiologische Auswirkungen nachweisbar sind, wobei insbesondere durch Licht das Einschlafen und durch Lärm das Durchschlafen beeinträchtigt wird.26

Grundsätzlich gilt, dass jedes längerfristige bzw. wiederkehrende Schlafproblem dem Hausarzt mitgeteilt werden und auch entsprechend diagnostiziert werden muss. Absolut kontrainduziert ist das Ansetzen von Schlafmedikationen (v. a. Dauermedikationen) ohne klare Diagnose, denn viele Schlafmedikamente beeinträchtigen ihrerseits den physiologischen Schlaf und können so das Problem verschlimmern (image Kap. 5).

Zu wenig Schlaf führt zu einer erhöhten Einschlafgefahr, Verstimmungen und/oder Konzentrationsstörungen. Es gibt auch Schlafstörungen, die unbehandelt zu schwerwiegenden Erkrankungen führen können. Hierzu gehört in erster Linie das Schlafapnoesyndrom, das unbehandelt mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen kann (Schlaganfall oder Herzinfarkt).

3.4Störungen durch physiologische Phänomene

Nicht alles, was uns in der Nacht erwachen lässt oder am nächsten Morgen quält, ist pathologisch. Einige Phänomene, die im Schlaf auftreten, sind harmloser Natur und entstehen teilweise durch den Schlafzyklus. Jedoch können auch diese Phänomene zu einer Schlafstörung führen, wenn sie entsprechend häufig auftreten und den Betroffenen stören.

3.4.1 Arousals

Arousals sind interne Störungen, die die Schlafkontinuität unterbrechen. Sie können z. B. durch Schnarchen, periodische Beinbewegungen oder Atemaussetzer verursacht werden.

Definition Arousal

»In der Schlafmedizin bezeichnet der Arousal-Effekt einen … abrupten Wechsel von einem tieferen zu einem leichteren Schlafstadium, hervorgerufen durch äußere oder innere Reize.«*

* https://www.pschyrembel.de/Arousal-Effekt/K02VS

Obwohl der Betroffene von den Arousals aufwacht, ist die Erinnerung daran oft vage, da es nur kurzfristige Aufwachereignisse sind. Dennoch können Arousals zu einem wenig erholsamen Schlaf führen, da sie die Schlafphasen unterbrechen und der Zyklus erneut beginnen muss. Somit reduzieren sich der Tiefschlaf und der REM-Schlaf, weil sich diese Schlafphasen am Ende jedes Zyklus sich befinden.27

3.4.2 Einschlafzuckungen (Einschlafmyoklonien)

Dieses Phänomen tritt bei ca. 70 Prozent der Bevölkerung ein- oder mehrmals im Leben auf28 und kann ein beängstigendes Gefühl auslösen, da es schlagartig, kurz vor oder nach dem Einschlafen, auftritt. Hierbei kommt es zu einem kurzzeitigen Zusammenzucken der Gliedmaßen ohne willentliche motorische Ansteuerung. Das Zusammenzucken wiederum kann zu einer Aufwachreaktion (Arousal) führen.

Warum Einschlafmyoklonien auftreten, wurde noch nicht herausgefunden. Es zeigt sich jedoch, dass hohe körperliche Betätigung, Koffein und andere Stimulanzien – kurz vor dem Zubettgehen konsumiert – die Wahrscheinlichkeit einer (oder mehrerer) Einschlafmyoklonien erhöht.

3.4.3 Periodische Gliedmaßenbewegung

Bei der periodischen Gliedmaßenbewegung (englisch: Periodic Limb Movement – PLMS) kommt es zu nicht willentlich gesteuerten Bewegungen der Beine im Schlaf, die periodisch auftreten. Dies kann das Bewegen der Zehen sein, aber auch das Bewegen des ganzen Beines. Diese Beinbewegungen sind nicht schmerzhaft, können aber zu einem Arousal führen und somit die Schlafqualität negativ beeinflussen.

PLMS kann hervorgerufen werden durch einige Psychopharmaka, durch die Fehlregulierung des dopaminabhängigen Stoffwechsels oder Nervenschädigungen im betroffenen Bein. Es zeigt sich, das PLMS auch in Kombination mit anderen Erkrankungen auftreten kann wie z. B. Restless-Legs, kardiovaskulären Erkrankungen, Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose. Die genaue Ursache für PLMS wurde noch nicht herausgefunden.

Im Gegensatz zu diesen Phänomenen gibt es auch pathologische Phänomene, die den Schlaf negativ beeinflussen. Diese sogenannten Schlaferkrankungen können unterschiedlichster Herkunft sein und den Schlaf in all seinen Qualitäten (negativ) beeinflussen. Daher sollte bei Verdacht auf eine Schlaferkrankung immer ein Arzt hinzugezogen werden, bevor Maßnahmen beschlossen werden.

In der ärztlichen Beratung ist es wichtig, dem Patienten irrationale schlafbezogene Ängste zu nehmen. Das bedeutet, der Patient sollte die Schlafstörung ernst nehmen, sich jedoch nicht in irrationale Ängste hineinsteigern.29

Damit Sie nun richtig handeln können und dem Arzt entsprechend die notwendigen Informationen zur Diagnostik mitteilen können schauen wir uns einige Schlafkrankheiten bzw. Erkrankungen die Schlaf beeinflussen können an.

3.5Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien)

Insomnien sind sehr häufig. In Deutschland leidet jeder Vierte unter den Symptomen einer Insomnie.30 Die Insomnie ist sowohl eine eigenständige Erkrankung als auch ein Symptom anderer Erkrankungen. Typisch für die Insomnie sind die erhöhte Einschlafzeit sowie bewusst wahrgenommene Aufwachereignisse, die mit langen Phasen des Wachliegens einhergehen.

Pathologisch wird aber eine Insomnie erst, wenn sie entweder vier Wochen oder länger anhält, und/oder körperliche/psychische Symptome auftreten:

Tagesmüdigkeit,

depressive Verstimmung/Depressive Episode,

Antriebslosigkeit,

Tagesschläfrigkeit,

zeitgleich auftretende körperliche bzw. psychische Symptome,

3.5.1 Eine Insomnie erkennen

Grundsätzlich ist bei einer Insomnie der Schlaf in drei Dimensionen beeinträchtigt, beim Einschlafen, Durchschlafen und beim Erwachen.31

Betroffene haben eine verlängerte Einschlafphase, die entweder durch äußere Reize verursacht wird (oder wurde), wie z. B. Geräusche oder Licht, oder durch innere Reize wie unruhige Beine, Gedankenkreisen etc.

Häufig versuchen Betroffene die lange Einschlafphase dadurch zu kompensieren, dass sie früher ins Bett gehen. Doch dies löst einen gegenteiligen Effekt aus. Durch das frühe Zubettgehen ist der Körper noch nicht müde genug und die Einschlafphase wird noch länger. Die lange Einschlafphase ist deswegen problematisch, weil unser Körper ein Gewohnheitstier ist. Wir lernen ein ganzes Leben lang, dass wir uns schlafen sollen, wenn wir uns ins Bett legen. D. h. unser Körper ist auf den Reiz des Hinlegens konditioniert und bereitet sich auf den Schlaf vor, sobald wir liegen. Schlafen wir nun aber nicht normal schnell ein, wird unser Körper wieder aktiver. Wir bewegen uns, um eine andere Position einzunehmen, schalten vielleicht sogar den Fernseher wieder ein oder lesen länger in einem Buch. So verlernt unser Körper den Bezug zwischen Liegen und Schlafen, was wiederum die Einschlafphase verlängert.

Das gestörte Durchschlafen hingegen ist meist ein subjektives Problem. Die Betroffenen geben oft an, kaum zu schlafen oder lange wach zu liegen. Objektiv wird aber häufig beobachtet, dass das Durchschlafen nicht so massiv beeinträchtigt ist, wie die Betroffenen selbst angeben. Dieser Umstand liegt daran, dass die Betroffenen nach jedem Erwachen in der Nacht wieder länger zum Einschlafen brauchen und somit die Wachphasen stärker wahrnehmen. Deshalb verkürzt sich der Schlaf in der Nacht.

Da diese Durchschlafstörungen sehr belastend für die Betroffenen sind, sind sie wesentlich angespannter und brauchen deshalb länger, um in den Tiefschlaf zu kommen. Das führt dazu, dass sich der Anteil des Tiefschlafs verringert und das nehmen die Betroffenen als nicht erholsamen Schlaf wahr.

Wenn wir (zu) wenig Tiefschlaf in der Nacht haben, fühlen wir uns am nächsten Morgen unausgeschlafen und »gerädert«, teilweise treten auch Kopfschmerzen auf. Dieses Gefühl haben Menschen, die an einer Insomnie erkrankt sind im schlimmsten Falle jeden Morgen! Dies ist eine enorme Belastung und führt dazu, dass die Betroffenen Angst vor dem Schlafen haben. Sie gehen (oft zu Recht) davon aus, dass sie wieder schlecht schlafen.

3.5.2 Eine Insomnie behandeln

Die Behandlung einer Insomnie ist abhängig von ihrer Ursache. Bei einer Insomnie, die durch eine Verhaltensstörung ausgelöst wird (z. B. durch Schichtarbeit, lange Fernsehabende), kann durch eine Verhaltenstherapie die Verhaltensstörung kompensiert werden.

Bei Insomnien, deren Ursache in körperlichen oder psychischen Erkrankungen liegt, muss die Grunderkrankung behandelt werden. Ist zusätzlich eine negative Copingstrategie vorhanden, kann diese durch eine Verhaltenstherapie verändert werden.

Neben der Insomnie gibt es auch weiter Störungen des Schlafmusters und der Kontinuität wie die Hypersomnie. Hypersomnie bezeichnet ein pathologisches »zu viel« schlafen. Jedoch muss bei der Hypersomnie nach der körperlichen Ursache gesucht werden da eine Hypersomnie keine Verhaltensstörung wie die Insomnie ist. Sollte eine Hypersomnie vorliegen muss eine genaue Ärztliche Diagnostik erfolgen.

3.6Depressionen

Wenn jemand an einer Depression leidet, ist häufig auch sein Schlaf gestört.32 Daher wird in vielen diagnostischen Assessments zur Erkennung einer Depression auch nach der Schlafqualität gefragt.

Typisches Anzeichen für eine depressionsassoziierte Schlafstörung: frühmorgendliches Erwachen, begleitet von Gedankenkreisen und einer getrübten oder gleichgültigen Stimmung.

Es zeigt sich unter Einsatz der Polysomnografie, dass Menschen mit einer depressiven Episode einen deutlich erhöhten REM-Schlaf haben und der erstmalige REM-Schlaf sehr früh einsetzt. Der Tiefschlaf ist reduziert und allgemein ist der Schlaf sehr oberflächlich sowie verkürzt.33

Es kommt oftmals zu einer Fehlinterpretation von außen, was die Bemessung der Schlafdauer von Menschen mit depressiven Episoden angeht. Depressive fühlen sich oft sehr müde (Tagesmüdigkeit) und haben keinen Antrieb aufzustehen, daher verbringen sie viel Zeit im Bett.

Wenn nun Pflegekräfte oder Angehörige nach dem Betroffenen schauen, kommt es oft vor, dass sich der Betroffene schlafend stellt, um von den Pflegekräften/Angehörigen in Ruhe gelassen werden. Er möchte dadurch den ständigen »Aufmunterungen« entgehen.

3.7Restless-Legs-Syndrom

Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist eine sehr bekannte Schlafstörung, ca. 10 Prozent der europäischen Bevölkerung leiden darunter, wobei Frauen und ältere Menschen häufiger betroffen sind.34

Bei dieser Erkrankung kommt es vor allem in sitzender oder liegender Position zu Missempfindungen in den Beinen, die meist als »Ziehen« beschrieben werden. Diese Missempfindungen lassen nach, sobald die Beine bewegt werden. In den meisten Fällen tritt das Restless-Legs-Syndrom am Abend und vor allem in der Nacht auf, daher ist es eine typische Schlafstörung.

Wie es zum Restless-Legs-Syndrom kommt bzw. wie die Pathophysiologie wirkt, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es ist jedoch bekannt, dass genetische Dispositionen, Eisenmangel und Veränderungen der Dopamin- Aufnahme beim Entstehen eines Restless-Legs-Syndroms beteiligt sind. Es wird vermutet, dass eine genetische Veränderung zu einer veränderten Dopaminaufnahme führt, die durch einen Eisenmangel zum Restless-Legs-Syndrom führt.

Das RLS ist eine chronische Erkrankung, die aber nicht ständig schlechter wird, sondern sich auch phasenweise bessert.

Es gibt jedoch auch noch die Form der sekundären RLS: Hier besteht eine vorausgehende Grunderkrankung, die entweder eine sekundäre RLS auslöst oder Medikamente erforderlich macht, die eine sekundäre RLS auslösen können35:

Nierenerkrankungen/Niereninsuffizienz

Morbus Parkinson

Polyneuropathien

Zöliakie

Rheumatische Erkrankungen

Maligne Tumore

Dopaminagonisten/Dopaminantagonisten

Antikonvulsiva

Opioide

3.8Morbus Parkinson

Menschen, die an Morbus Parkinson erkranken, haben verschiedene Arten von Schlafstörungen. Einerseits tritt bei ihnen häufig ein RLS auf und andererseits führen die neurodegenerativen Veränderungen zu sehr speziellen Schlafstörungen.

Da bei Morbus Parkinson die Substantia nigra abgebaut wird, kann kaum oder kein Dopamin mehr produziert werden. Da Dopamin ein Neurotransmitter ist und die Kommunikation zwischen Synapsen ermöglicht, führt der Mangel an Dopamin zu einer erschwerten Weiterleitung von Nervenreizen. Dadurch zeigen sich die charakteristischen Bewegungsstörungen des Morbus Parkinson.

Dopamin ist aber nicht nur für die Weiterleitung motorischer Signale zuständig, sondern auch für die Weiterleitung vieler anderer Signale, die somit alle bei Morbus Parkinson verlangsamt werden. Das erklärt auch, warum Parkinsonerkrankte lange brauchen, um auf Fragen zu antworten – die Verarbeitung der Reize dauert einfach länger.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690899
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
Schlafen Demenz Entspannung Demenz Altenpflege Medikamente Schlaf Schlaf im Pflegeheim Tagesstrukturierung nächtliche Versorgung Depression gestörter Schlaf

Autoren

  • Ute Bogatzki (Autor:in)

  • Alexander Bogatzki (Autor:in)

Ute Bogatzki ist examinierte Altenpflegefachkraft, Praxisanleiterin, Pain Nurse, Gerontofachkraft, Heilpraktikerin, sowie Expertin für Schlafkultur und Schlafmedizin. Sie arbeitet als Pflegefachberatung in der Altenpflege. Alexander Bogatzki ist examinierte Altenpflegefachkraft, Praxisanleiter und Pain nurse Beide Autoren arbeiten als Dozenten in einem Berufs- und Weiterbildungszentrum. „Schlafstörungen zu behandeln ist eine wichtige Aufgabe der Pflege.“
Zurück

Titel: Nicht-medikamentöse Interventionen bei Schlafstörungen