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Pflege- und Betreuungsberichte professionell schreiben

Tipps und Vorschläge für Mitarbeiter in stationären Altenpflegeeinrichtungen. Berücksichtigt die SIS und das NBI

von Angela Paula Löser (Autor:in)
320 Seiten
Reihe: pflege kolleg

Zusammenfassung

Auf den Punkt gebracht:
Die Arbeitshilfe fur Pflege- und Betreuungskrafte
bei der Dokumentation.
Berücksichtigt die SIS und das NBI.
Ideal fur Unterricht und Fortbildung.

Viele Pflege- und Betreuungskräfte haben große Probleme, beim Erstellen des Pflege- oder Betreuungsberichts: Was sollen sie beobachten? Wie sollen sie es beschreiben?
Die kurzgefassten Anleitungen und vielen Praxisbeispiele in diesem kompakten Ratgeber helfen, die Aufgabe der Berichterstattung schnell, unkompliziert und optimal zu lösen – im Sinne des Pflegebedürftigen und der gemeinsamen Pflege.
Das bewährte Buch erscheint bereits in der 6. Auflage. Es wurde dafür komplett überarbeitet und gemäßden neuen gesetzlichen Anforderungen ergänzt. Ferner sind auch spezielle Aussagen zum Wohlbefinden bzw. Abwehrverhalten, zur Palliativsituation, zum Pflegebericht als Instrument zur Darstellung des geäußerten oder gezeigten Willens des Bewohners enthalten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT ZUR 6. AUFLAGE

Nun erscheint dieses Buch in der 6. Auflage. Neun Jahre sind seit dem ersten Erscheinen vergangen. Viele Anforderungen zur richtigen Beschreibung in Pflege- und Betreuungsberichten haben sich inzwischen verändert, andere sind geblieben. Das allein wäre Grund genug, die vorliegende Auflage zu aktualisieren. Doch es gab noch weitere Aspekte, dieses Buch zu überarbeiten und zu ergänzen.

Seit nunmehr 30 Jahren wird in der Pflege die Umsetzung des Pflegeprozesses gefordert. Aus verschiedenen Gründen ist es Inhalt und Ziel der professionellen Aufgabenerfüllung von Gesundheits-, Krankenpflegerinnen und Altenpflegerinnen, den Bedarf, die Zielsetzung, die Art und Weise der Pflege und die Überprüfung schriftlich zu planen und zu überprüfen. Dieser Mechanismus geschieht im Regelkreis der Pflegeprozessplanung. Während der traditionelle Pflegeprozesskreislauf aus 6 Phasen (Informationssammlung, Beschreibung von Ressourcen, Problemen, Risiken, Zielformulierung, Maßnahmenplanung, Durchführung, Evaluation) besteht, etabliert sich zurzeit parallel ein Modell aus 4 Phasen (Informationserhebung/Assessment, Handlungsplanung, Durchführung, Auswertung). Beide Systeme stellen eine Planung dar. Sie sollen eine personenunabhängige, gleichbleibende, sozusagen prozessgeleitete Handlung ermöglichen. Menschen verändern jedoch sich und ihre Bedürfnisse, Probleme und Reaktionen. Ihre Befindlichkeiten und Ziele können sich von Tag zu Tag unterscheiden. Durch die Dokumentation von Beobachtungen und kleinen Entwicklungsschritten kann die Evaluation, d. h. die Überprüfung der Pflegewirksamkeit, überhaupt erst ermöglicht werden – erst so wird erkennbar, ob der Handlungsplan angepasst werden muss.

Der Pflege- und Betreuungsbericht ist somit das Instrument zur Reflexion, zur kritischen Überprüfung der eigenen Arbeit, zur Erkenntnis der Eignung oder aber Modifikation der Handlungen im Bereich von Pflege und sozialer Betreuung. Und letztlich steht er auch für den Nachweis der Wirksamkeit und zur Rechtfertigung abzurechnender Leistungen.

Pflege und Soziale Betreuung sind als je eigenständige Handlungsfelder in den letzten Jahren stärker zusammen gewachsen. Die strukturelle Veränderung der Gruppe von Menschen, die Pflege benötigen, macht das erforderlich: Es handelt sich zunehmend um Pflegebedürftige, die hochbetagt, dement, gerontopsychiatrisch erkrankt oder sterbend sind. Die lückenlose Informationsweitergabe zwischen den verschiedenen Schichten und Berufsfeldern, die Betrachtung interdependenter, also wechselseitiger Wirkungen von Pflege- und Betreuungsleistungen machen einen gemeinsamen Bericht erforderlich.

Ähnlich sieht es in den Einrichtungen der Behindertenhilfe aus. Hier leben oftmals Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, die zudem auch alt und krank sein können. Die Hauptziele der Integration und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden vor allem durch Pädagogen und Heilerziehungspfleger angestrebt. Zunehmend entwickeln sich hier die gleichen Zielsetzungen wie in den übrigen Pflegeeinrichtungen – etwa der Erhalt von Gesundheit, die Vermeidung von Schäden und zusätzlichen Störungen (Risikomanagement) wie auch die Begleitung und Pflege bei schwerer Krankheit und im Sterbeprozess.

Zahlreiche EDV-Systeme machen Spezialdokumente wie Beratungsprotokolle, Evaluationsbögen, Sturzprotokolle überflüssig. Alle Beobachtungen werden dabei im Bericht vermerkt, der Eintrag schließlich mit einem zu setzenden Merkmal kategorisiert, also einer Art zugeordnet. Auf diese Weise lassen sich in der Evaluation die kategorisierten Einträge filtern und nur der gewählte Interessenbereich auswählen.

Diese Art und Weise der Dokumentation soll einer präzisen Übersicht dienen. Zu ausführliche oder missverständliche Einträge sollen vermieden werden, damit der Leser die Kerninformationen erhält, die ihm bei der weiteren Planung und Ausführung seiner Arbeit weiterhelfen.

Dieses Buch soll denjenigen helfen, die sich eine Orientierung bei den häufigsten Fragen der Berichterstattung wünschen. Es ist für diejenigen gemacht, die manchmal ein wenig »ratlos« vor dem Berichtsblatt stehen und sich Unterstützung wünschen. Diese Unterstützung möchte ich liefern. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass ich vielleicht nicht alle Probleme betrachtet, nicht alle möglichen Lösungen aufgezeigt habe. Daher freue ich mich über konstruktive Vorschläge und Ergänzungen!

 

Duisburg, im April 2017 Angela Paula Löser

EINLEITUNG

Über die Handlungsfelder von Pflege und Sozialer Betreuung zu berichten – was ist daran so besonders?

Jedem, der in der Pflege einmal tätig war oder ist, scheint der Pflegebericht etwas Alltägliches, Gewohntes und Bekanntes zu sein. An dieser Empfindung ist nichts ungewöhnlich; sie ist verständlich. Pflegende haben sich stets gegenseitig Bericht erstattet. In Übergaben oder kurzen Gesprächen wurde Wichtiges über die Pflege oder über den Betroffenen ausgetauscht. Informationen wurden weitergegeben, Aufträge vermittelt oder Fragen gestellt. Diese Berichterstattung fand lange Zeit in mündlicher Form statt. Ein Nachweis über den Austausch der Informationen oder ein roter Faden, der sich durch alle aufeinander folgenden Berichte zieht, war wegen der mündlichen Form der Weitergabe jedoch nicht möglich. Die Qualität der Berichte, des Weitergegebenen und des Aufgenommenen war von den Beteiligten abhängig. Fehlte die geeignete Person oder war ein Pflegender am Werk, dem die entsprechenden Beobachtungs- und Beschreibungskriterien und Parameter nicht bekannt waren, veränderte sich folglich die Qualität des mündlichen Pflegeprozessberichts. Auch heute noch findet sich in manchen Einrichtungen eine deutlich bessere und inhaltsreichere mündliche Informationsweitergabe während der Übergabe als sie sich in den schriftlichen Dokumenten zeigt.

Die Mitarbeiter von Pflege und Sozialer Betreuung müssen deutlicher vernetzt sein, ihre Leistungen sind aufeinander abzustimmen, die Wirkung im Tagesverlauf zu evaluieren. Zusätzlich sind seit dem Jahr 2009 die Mitarbeiter nach § 87b SGB XI im stationären Bereich/Mitarbeiter nach § 43b SGB XI im ambulanten Bereich mit ihren zusätzlichen Betreuungsleistungen tätig. Ab dem 01. Januar 2017, mit Einführung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes, greift hier der § 43b SGB XI und ersetzt quasi den bisherigen § 87b.

Ebenfalls berücksichtigt werden Mitarbeiter spezialisierter Palliativpflegedienste (SAPV-Team = Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung oder PKD = Palliativer Konsiliardienst). Es gilt, für den schwerkranken oder sterbenden Menschen eine möglichst gute Lebensqualität zu ermöglichen und zu verhindern, dass er unter belastenden Symptomen leidet. Das sind wesentliche Ziele. Für die Mitarbeiter entsprechender Dienste und für hinzugezogene Hausärzte oder Fachärzte müssen oftmals detaillierte Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit sie Art und Umfang einer erforderlichen Therapie einschätzen und nachfolgend ermöglichen können.

Entscheidungen über die Anordnung, Fortsetzung oder Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen erfordern es, dass ethische, medizinische, pflegerische und juristische Bedingungen und Begründungen geprüft werden, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Hierbei ist ein guter Pflege- und Betreuungsbericht wichtig, der aufzeigt, was der Mensch selbst möchte. Seine Vorstellungen und Entscheidungen sind handlungsleitend.

Gerade bei auftretenden gerontopsychiatrischen Erkrankungen sind die oftmals schwer zu verstehenden Symptome und Veränderungen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Angehörige können ggf. nicht mehr täglich in die Einrichtung kommen und sind in Sorge, ob die Mutter oder der Vater gut versorgt sind. Hier sind gute Beratungen erforderlich, bei denen Informationen über die Entwicklung von Problemen und zu deren Ursachen wichtige Hilfen darstellen. Hier sind schriftliche Informationen hilfreich.

Je mehr unterschiedliche Berufsgruppen beteiligt sind oder je mehr Menschen an einem Gesamtprozess beteiligt sind, desto wichtiger ist ein schriftlicher Austausch.

Bereits aktuell, künftiger voraussichtlich noch stärker, werden Menschen in den Einrichtungen gepflegt, betreut und versorgt, die anderen Ländern, Kulturen und Religionen zugehörig sind. Hier wird es besonders wichtig – insbesondere bei auftretenden Sprachbarrieren – Informationen darüber zu geben, welche Bedürfnisse oder Ängste auftreten, wie der Betroffene auf unterschiedliche Angebote reagiert, was zu tun und zu unterlassen ist.

Eine schriftliche Berichterstattung ermöglicht es, den Zustand des Bewohners von vor einigen Tagen nachzulesen, Veränderungen über einen längeren Zeitraum zu erkennen und sich zu orientieren, z. B. hinsichtlich folgender Beispielfragen: Was beobachten und dokumentieren die übrigen Mitarbeiter? Was ist wichtig? Worauf muss ich bei der Pflege achten? Wo ist der Bewohner gefährdet? Muss ich Maßnahmen durchführen, die bei der Übergabe nicht erwähnt wurden?

Die folgenden Informationen beziehen sich auf beide Formen von Pflege- und Betreuungsplanung, d. h. sowohl auf das 6-Phasenmodell (Informationssammlung, Beschreibung von Ressourcen, Problemen, Risiken, Zielformulierung, Maßnahmenplanung, Durchführung, Evaluation) als auch auf das 4-Phasenmodell (Informationserhebung/Assessment, Handlungsplanung, Durchführung, Auswertung). In Kap. 6 finden sich darüber hinaus Informationen zu den Spezifika des Pflegeberichts bei der Verwendung der SIS, der neuen Strukturierten Informationssammlung.

Aufgrund der besseren Lesbarkeit werden im Text die Begriffe Pflegekraft, Mitarbeiter des sozialen Dienstes, Pflegebericht oder Betreuungsbericht nicht durchgängig verwendet. Alle Informationen gelten jedoch gleichbedeutend für beide Berufsgruppen und für beide Berichtsformen.

1 DER »PFLEGEBERICHT« – VERSUCH EINER BEGRIFFSERKLÄRUNG

1.1 Vergleichbare Terminologie

Der Begriff Pflege- und Betreuungsbericht bedeutet: einen Bericht über das Handlungsfeld von Pflege und Sozialer Betreuung zu verfassen. Weiter gefasst wäre auch zu sagen, dass der Pflege- und Betreuungsbericht eine Dokumentation von Kerninformationen über die Entwicklung des Bewohnerzustandes, seiner Probleme, seiner Ressourcen, seiner Befindlichkeit, Bedürfnisse und Wünsche und Zufriedenheit ist. Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen den verschiedenen Berufsgruppen innerhalb der Einrichtung, mit externen Netzwerkpartnern oder mit den Angehörigen sollen Kenntnisse über die Gesamthandlung ermöglichen. Alle für den Pflegeprozess relevanten Daten werden im Pflege- und Betreuungsbericht dokumentiert.

Ein Bericht beschreibt immer eine bestimmte Situation, einen bestimmten Verlauf oder ein bestimmtes Ergebnis. Hierbei werden auch ursächliche Faktoren oder Folgen beschrieben (soweit erkennbar!). Dabei werden im Bericht immer solche Informationen aufgeführt, die es dem Leser ermöglichen sollen, zu verstehen und nachzuvollziehen. So verknüpft der Bericht verschiedene Informationen. In einer Darstellung wird eine Situation oder ein Entscheidungsprozess in seinem jeweiligen Kontext (umgebenden Zusammenhang) beschrieben, damit derjenige, der die Situation nicht miterlebt hat, diese nachverfolgen kann. Es werden Fäden im »Jetzt« zum »Vorher« und zum »Später« oder »Nachher« geknüpft. So werden die Informationen im Pflegebericht eingebunden in einen Gesamtzusammenhang.

Im Pflegebericht soll der jeweilige Tag als ein Mosaiksteinchen in einem langen Pflege- und Betreuungszeitraum, d. h. im Puzzle des Gesamtverlaufs erkennbar sein. Die verschiedenen Beschreibungen oder die einzelnen Berichtsanteile sollen in logischer Konsequenz zu den vorherigen stehen und können manchmal auf spätere Zeiten verweisen (z. B. wenn Aufträge an weiterführende Schichten gegeben werden).

2 WAS HEISST ES EIGENTLICH »PROFESSIONELL ZU DOKUMENTIEREN«?

Es gibt verschiedene Arten etwas zu dokumentieren. Auch die Marktfrau, die beim Verkauf von Gemüse und Obst einer anderen in schillernden (manchmal übertreibenden) Worten und mit weitreichender Ausschmückung etwas erzählt, dokumentiert ihre Erkenntnis, ihr Wissen von einer Situation und zeigt ihre gefühlsmäßige Einstellung zum Inhalt. Sie berichtet aber nur scheinbar etwas, denn in Wirklichkeit zeigt sie sich als »Märchenerzählerin«, als »Unterhalterin«. Ziel ihres Berichts ist es nicht, das Gegenüber in einem möglichst sachlichen und genauen Umfang zu informieren. Ihr Ziel ist es, die Gesprächspartnerin zu interessieren, die eigene Wichtigkeit zu zeigen und zu demonstrieren, dass »sie Bescheid weiß«. Sie ist wer, sie ist wichtig.

 

image

Abb. 1: Unterschiede zwischen Berichterstattung und erzählender Informationsweitergabe.

Um einen derartigen Bericht geht es beim Pflege- und Betreuungsbericht nicht. Weder der Berichterstattende noch der Lesende ist die Hauptperson, um die es sich dreht. Der Bewohner ist der Mittelpunkt, der Bericht das Hilfsinstrument, um Informationen zu vermitteln. So unterscheidet sich der Pflegebericht in vielerlei Hinsicht von dem Bericht der Marktfrau. An einen professionellen Pflege- und Betreuungsbericht werden verschiedene Erwartungen gestellt.

2.1 Merkmale einer professionellen Berichterstattung

Der Begriff »professionell« ist an die jeweilige Berufsgruppe gebunden. Profession hängt mit der Erfüllung einer kompetenten, qualifizierten Rolle in einem bestimmten Beruf zusammen. »Professionell dokumentieren bedeutet: die richtigen Informationen mit den geeigneten Mitteln an den richtigen Kommunikationspartner verständlich und leserlich zu übermitteln« (Weiß 2000:7).

Ziel der professionellen Dokumentation ist es:

Handlungsweisen, Verhaltensweisen und Entscheidungen transparent zu machen und zu begründen,

Absprachen, Anweisungen, Vereinbarungen, Empfehlungen und Verpflichtungen in ihrer Ausführung und in ihrer nachfolgenden Wirkung zu überprüfen,

Zustände, Abläufe und Vorgehensweisen nachvollziehbar darzustellen,

den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Mitarbeitern des Pflege- und Betreuungsteams und des interdisziplinären Teams zu fördern und zu ermöglichen,

durch Erfüllung der Anforderungen an eine gute Dokumentation den gesetzlichen und pflegewissenschaftlichen Anforderungen an eine professionelle Pflege und soziale Betreuung nachzukommen und

Zusammenhänge zwischen einer Ursache und einer Wirkung erkennen zu können.

Beispiel

 

2.1.1 Schriftliche Darstellung

Neben der mündlichen Weitergabe von Kurzinformationen kann ein geeigneter Bericht nur schriftlich erfolgen. Der Zeitdruck in den Einrichtungen, die Tatsache, dass immer wieder Tätigkeiten unterbrochen werden müssen, weil andere Bewohner kurzfristig und dringlich der Hilfe bedürfen, die Unfähigkeit des menschlichen Gehirns, komplexe Zusammenhänge dauerhaft, sachlich und differenziert zu speichern, ohne diese der eigenen Bewertung und Interpretation (damit der Veränderung) zuzuführen, bedingen die Notwendigkeit der schriftlichen Berichterstattung. »Mit geschriebener Sprache lässt sich Wissen organisieren und zuverlässig transportieren. Gesprochenes ist »Schall und Rauch«. Geschriebenes aber bleibt und weist nach, welche Gedanken, Aussagen, Sachverhalte und Ereignisse in welchem Zusammenhang wichtig genug waren, um festgehalten zu werden.« (Weiß 2000:11)

Damit haben schriftliche Berichte gegenüber den mündlichen folgende Vorteile:

1. Wissen kann dauerhaft und nachvollziehbar an andere weitergegeben werden.

2. Informationen werden gesammelt, aufeinander bezogen, gegenübergestellt und ausgewertet.

3. Informationen dienen als Gedankenstütze.

4. Geschriebene Informationen lassen sich dauerhaft nachlesen, sind damit beweisbar und nachvollziehbar.

5. Schriftliche Informationen werden vor der Niederschrift eher reflektiert als mündliche. (So sollte es jedenfalls sein.)

6. Schriftliche Informationen dienen der juristischen Absicherung (Nachweis).

7. Daten sind auch nach einem längeren Zeitraum abrufbar.

8. Erst bei der retrospektiven (rückwärts blickenden) Auswertung können Zusammenhänge erkannt werden.

9. Eine Evaluation nach dem Tod eines Bewohners könnte bei der Suche nach der Best Practice helfen. Hierzu sind schriftliche Informationen zum Befinden des Sterbenden, zum Verlauf der Sterbesituation und zu den diesen bedingenden Faktoren erforderlich.

Beim Lesen von Literatur zu diesem Thema entsteht leicht der Eindruck, dass schriftliche Informationen gegenüber der mündlichen Informationsweitergabe nur Vorteile aufweisen. Dies ist in der Realität nicht so. Folgende Nachteile bestehen bei der schriftlichen Pflegeberichterstattung:

1. Schreiber und Leser beschäftigen sich nicht zur gleichen Zeit mit der Materie. Fehlinterpretationen und Missverständnisse können beim Lesen auftreten.

2. Der Schreiber weiß nicht im Voraus, welche Fragen der Leser haben wird. Er kann die Reaktionen im Vorfeld nicht erkennen. Er muss sich gewissermaßen schon beim Schreiben seiner Informationen in den Leser hineinversetzen und überlegen, welche Inhalte für den anderen wichtig sein können: »Kann er meine Ausführungen verstehen? Kann er erkennen, welche Ziele ich mit meinem Eintrag verfolge? Versteht er meine Empfehlungen? Benötigt er weitere Informationen?«

3. Der Schreiber weiß nicht, ob oder wann seine Informationen gelesen werden. Er kann sich somit nicht sicher sein, ob das, was er weitergeben will, dort, wo es ankommen soll, zu einem angemessenen Zeitpunkt ankommt. Hier ist der am Dokumentationssystem befindliche Reiter sinnvoll. Er wird gezogen, damit bei der Übergabe z. B. erkennbar wird, dass in dieser Dokumentationsmappe und bei diesem Bewohner wichtige Informationen im Pflegebericht verzeichnet sind. (Viele EDV-Systeme haben eine elektronische Reiterfunktion.)

4. Sprache ist häufig mehrdeutig. Bei der schriftlichen Darlegung können Sachverhalte häufig nicht so eindeutig und damit nicht so differenziert beschrieben werden, wie bei einer mündlichen Erläuterung. Der Schreiber glaubt zuweilen, dass sein Satz alle erforderlichen Informationen bereithält, dabei hat sein Gehirn sozusagen beim Denken die Botschaft weitergehend gedacht (= Konstruktivismus: Das Gehirn konstruiert ein Gesamtbild, geschrieben wird ggf. nur ein Teil).

2.1.2 Sachliche Beschreibung

Allein die Begriffswahl zeigt schon auf, dass es sich bei einem Bericht um die reine, möglichst ungefärbte Darstellung von Sachinformationen handelt. Nicht ohne Grund bezeichnet man diesen Teil des Pflegeprozesses als Pflegebericht und nicht als Pflegeerzählung.

Es ist die sachliche Wiedergabe eines Vorgangs. Demnach ist es die kommunikative Hauptaufgabe eines Berichts, wertfrei und sachlich zu informieren. »Häufig werden Berichte nicht nur dazu genutzt, um Informationen einzuholen. Vielmehr kann auch mithilfe der Informationen fehlendes Wissen eingeholt werden. Entscheidungen lassen sich so leichter treffen. Dient ein Bericht diesem Zweck, dann sollte der Autor nicht nur sachlich und ohne Wertung informieren. In diesem Fall sollten auch Empfehlungen, vielleicht sogar Appelle oder Angebote einfließen. So wird der Bericht um beeinflussende Textteile erweitert.« (Weiß 2000:158)

Vergleichbare Terminologie:

Jemand berichtet etwas.

Jemand schildert eine Situation, eine Handlung.

Jemand gibt einen Inhalt wieder.

Jemand erklärt einem anderen etwas.

Jemand vermittelt Informationen usw.

Sachlich ist ein Bericht, wenn er »ZDF« enthält – also Zahlen, Daten, Fakten. Hierbei beschränkt sich der Schreibende auf wesentliche Kerninformationen.

2.1.3 Aussagefähigkeit und Wertfreiheit des Berichts

Der Pflege- und Betreuungsbericht sollte zuerst möglichst objektiv und wertfrei geschrieben werden. Es werden Selbstaussagen des Betroffenen dokumentiert, also das, was der Mensch selber sagt oder das, was anhand von Zahlen, Daten, Fakten beobachtet werden kann. Ansonsten wird angegeben, von wem die Aussage oder Beobachtung kommt. »Laut Tochter von Frau Meier …« Wie der Begriff »Bericht« schon angibt, soll die Ausführung möglichst präzise und konkret sein. Dabei ist auf Folgendes zu achten:

1. Wertfrei ist der Bericht, wenn er eine Selbstaussage des Betroffenen enthält. Hierbei wird diese im O-Ton (Originalton) in Anführungszeichen » …« gesetzt. Eine solche Aussage ist immer als objektiv anzusehen, da sie die eigene Einschätzung des Betroffenen darstellt. Kann er keine eigene Aussage treffen, werden Mimik, Gestik, Reaktionen und Körperspannung beobachtet und die entsprechenden Indizien beschrieben: Was habe ich gehört? Was habe ich gesehen, was gefühlt? Was habe ich gerochen? Auf diese Weise reduziert sich die Gefahr der Interpretation und Fehldeutung.

2. Aussagen von Angehörigen oder anderen Personen werden nicht als »Ist-Situation« beschrieben. Aussagen wie »der Bewohner wirkt …« oder »der Bewohner mach den Eindruck, dass …« zeigen, dass hier nicht von Wirklichkeiten gesprochen wird, sondern von Indizien oder Anzeichen. Die Kennzeichnung des Eintrags als »persönliche Wahrnehmung« fordert die anderen Pflegenden und Mitarbeiter gewissermaßen auf, sich auf die Bewertung einzulassen, den Bewohner ebenfalls in seinem Zustand oder seiner Reaktion zu beobachten, die Wirkung der Pflege zu überprüfen und ggf. eine Modifikation der Maßnahmen oder der Zielsetzung vorzunehmen. Die zusammengetragenen unterschiedlichen Sichtweisen erleichtern die Erhebung und ermöglichen die Annäherung an die Erkenntnis der »Wirklichkeit«. Jeder Pflegende sollte sich aber zu jedem Zeitpunkt bewusst sein, dass er hierbei als Konstrukteur einer Wirklichkeit handelt, er schafft sich seine eigene Wirklichkeit. Diese kann sich jedoch von den Wirklichkeitskonstruktionen anderer Mitarbeiter oder von denen der Angehörigen unterscheiden.

3. Der dritte und letzte Weg ist die Beobachtung von Reaktionen des vegetativen Nervensystems, die Beschreibung von typischen Symptomen, wie sie bei Stress auftreten. Dabei sind folgende Begriffe als wertende Äußerungen zu unterlassen (Näheres siehe Kap. 3.15.1 und 12.3):

wütend (Was heißt wütend? Was zeigte sich? Wie war die Reaktion?)

aggressiv (Wie reagiert der Bewohner, wenn wir ihn als aggressiv einschätzen? Was hat er gemacht? Was hat er gesagt?)

aufbrausend

gut gelaunt, schlecht gelaunt

sauer

giftig

rasend

unmöglich

kindisch

unkooperativ/kooperativ

ablehnend

anzüglich

frech

 

Fazit

Geeignete Differenzierungsbegriffe

Nachvollziehbare Berichtnotizen sind u. a.:

»Tritt insbesondere zu diesen oder jenen Zeitpunkten oder dann und dann auf.« (Angabe, wann und wie oft etwas beobachtet wurde.) Oder aktuell: »Zeigte sich um die und die Uhrzeit so und so …«

»Tritt ständig, vollständig, teilweise auf.« (Angeben, welche Teile oder Bereiche betroffen sind.)

»Bewohner/in kann die Maßnahme vom Handling her nicht durchführen.« »Bewohner/in konnte heute im Frühdienst mehrschrittige Alltagshandlungen nicht umsetzen.« (z. B. Frühstück, Toilettengang)

»Bewohner/in versteht den Sinn einer Maßnahme nicht, kann nicht nachvollziehen, was er/sie tun soll.«

»Bewohner/in lehnt die Maßnahme ab, weil …« (Die Aussage benennen oder Indizien beschreiben.)

Ungeeignete Beschreibungen

Wenig geeignet sind globale, nicht eindeutige Formulierungen wie:

»Bewohner/in hat öfter mal …« (Was ist »öfter«? Zeitangabe, Angabe der Häufigkeit)

»Bewohner/in zeigt mehr oder weniger starke …« (Was ist »mehr«? Was ist »weniger«? Lassen sich Angaben zur Stärke oder zum Ausmaß machen?)

»Bewohner/in war stark eingenässt.« (Was konkret war nass?)

»Bewohner/in hat massiv abgeführt.« (Was bedeutet »massiv« konkret?)

»Es zeigt sich zunehmend, dass …« (Wie viel zunehmend? Was ist »zunehmend«?)

»Der Zustand X oder die Kompetenz Y ist abnehmend …« (Was hat konkret abgenommen? Was hat sich im Zustand verschlechtert?)

»Es war heute sehr schwierig, die Maßnahme XY durchzuführen.« (Welche Schwierigkeiten zeigten sich konkret?)

»Der Allgemeinzustand ist reduziert.« (Hier ist unklar, was konkret im Allgemeinzustand reduziert ist. Bekommt der Betroffene z. B. weniger Luft? Ist er weniger wach und ansprechbar?)

»Bewohner/in hat gut gegessen (oder getrunken).« (Wie viel und was wurde gegessen oder getrunken?)

»Bewohner/in ist mal so mal so …« (Wann ist es »so«, wann nicht? Oder wie häufig ist »es« im Durchschnitt?)

»Bewohner/in kann nicht alles.« (Was genau kann gemacht, was kann nicht gemacht werden?)

»Bewohner/in ist mal wieder total …« (Auf was bezieht sich »total«? Wie sieht der Gesamtzustand aus?)

Tabelle 1: Ungeeignete Ausdrücke und Beschreibungen im Pflegebericht
Ungeeignete Begriffe Fragestellung
Öfter mal … Wie oft? Was sind die Gelegenheiten?
Wann, zu welchem Zeitpunkt?
Zeigt mehr oder weniger … Was ist »mehr«? Was ist »weniger«?
Auf welche Menge, Stärke, Ausprägungsmerkmale bezieht sich die Aussage?
Ist mal so und mal so … Wann ist das »mal«? Wann tritt es auf?
Wie oft tritt das »mal« auf?
Was heißt »so«? Was zeigt sich genau?
… kann nicht alles Was ist »alles«?
Welche Anteile sind genau gemeint?
Was kann der Betroffene? Was kann er nicht?
… ist mal wieder total … Was heißt »mal wieder«? Was ist »total«?
Wie sieht der Zustand genau aus?
… geht es schlechter Auf was bezieht sich das »schlechter«?
Was zeichnet das »schlechter Gewordene« aus?

Die Wirkung globaler Bewertungen lässt sich gut am Beispiel der Beschreibung der Nahrungsaufnahme belegen.

Wenn die Nahrungsmengen nicht von der Küche vorgegeben werden (also kein Tablett-System besteht), portioniert jede Pflegekraft möglicherweise anders (wahrscheinlich aufgrund ihrer eigenen, gewohnten Portionen). So portioniert Pflegeperson 1 eventuell eine Menge, die einem Viertel der Normalmenge entspricht. Isst die Bewohnerin Frau K. diese Mahlzeit vollständig auf, dokumentiert Pflegekraft 1 möglicherweise. »Frau K. hat gut gegessen«.

Am nächsten Tag portioniert nun ein Pflegekraft 2, die selbst mehr als eine normale Portion essen würde und füllt den Teller dementsprechend mehr als großzügig. Frau K. isst wieder die gleiche, kleine Portion wie am Vortag. Nun aber erscheint möglicherweise der Eintrag: »Frau K. hat schlecht gegessen, nur ein Viertel der Portion«. Hier wird deutlich, dass die Einträge im Pflegebericht stark variieren, obwohl Frau K. faktisch nahezu die gleiche Menge gegessen hat.

Sinnvoller ist es also, entweder eine Normportion vorzugeben, sodass eine Einschätzung zur tatsächlich aufgenommenen Menge möglich ist oder detailliert anzugeben, was Frau K. tatsächlich gegessen hat (z. B. ½ Brötchen, 1 Stückchen Butter, 1 Teelöffel Marmelade und 2 Tassen Kaffee mit Milch).

Bitte beachten Sie!

Beschreibende, sachliche und konkrete Informationen sind daher eher geeignet, um die beobachtete Situation darzustellen:

Wie zeigte sich die Situation? Welche Bedingungen hatte die Situation?

Wie verhielt sich der Bewohner?

Was konnte beobachtet werden?

Welche Zusammenhänge können nachweislich beobachtet werden?

Es ist differenziert zu beschreiben, wie sich beispielsweise Herr M. verhält, der als aggressiv eingeschätzt wird. Beispiel: »Herr M. warf mit dem Porzellan um sich und schimpfte laut.« – »Herr M. kratzte mich am Arm und schimpfte laut: ›Lass mich, ich will nach Hause‹ als ich ihn zur Toilette begleiten wollte.«

ZDF = Zahlen, Daten, Fakten

2.1.4 Lesbarkeit

Es ist erforderlich, auf eine gute Lesbarkeit der Einträge zu achten, damit der Leser später wesentliche Informationen verstehen kann.

Die Lesbarkeit wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst.

Lesbarkeit der einzelnen Eintragung (visuelle Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit der geschriebenen Worte)

Bei einem EDV-gestützten System ist die Problematik der schlecht leserlichen Handschriften aufgehoben. In Papierdokumentationssystemen weisen die Formulare häufig sehr schmale Berichtzeilen auf. Die Eintragungen in den Bericht müssen zudem teilweise im Stehen oder in gebückter Haltung auf einem niedrigen Bewohnertischchen vorgenommen werden. Diese Faktoren sorgen bei gleichzeitig bestehendem Zeitdruck dafür, dass die dokumentierten Inhalte teilweise nur schlecht oder gar nicht zu lesen sind.

Die Lesbarkeit der Voreintragungen (Technische Lesbarkeit vorangegangener Eintragungen)

Es ist unabdingbar, dass bei einer vorzunehmenden Eintragung immer die Voreintragungen von mindestens zwei bis drei Schichten sichtbar sind. Bei Papierberichtsblättern muss daher beim Ausheften eines gefüllten, d. h. vollständig beschriebenen Formulars, der sogenannte zusammenfassende Bericht erstellt werden. Hierbei wird mit zwei bis drei Sätzen der ablaufende Pflege- und Betreuungszeitraum in der Berichterstattung überprüft und ein zusammenfassender Eindruck auf dem neuen Berichtsblatt dokumentiert. So kann der neue Eintrag an den bisherigen Dokumentationsprozess anknüpfen.

Lesbarkeit durch korrekt geschriebene Begriffe

Werden Begriffe falsch geschrieben, kann ein vollkommen anderer Eindruck entstehen und der Inhalt wird verfälscht. Beispiel: »An der Eiche hängt ein Päckchen.« Der Schreiber wollte hier mitteilen, dass »sich am vorderen Teil des Penis’, der Eichel, ein Pickelchen (= Pöckchen) befindet«. Dieser Sachverhalt war ohne weitergehende Nachfrage nicht nachvollziehbar!

2.1.5 Verständliche, nachvollziehbare Formulierungen und die Bedeutung der Fachsprache im Pflege- und Betreuungsbericht

Verständlich bedeutet hier »verstehbar«. Es ist wichtig, sich die Zielgruppe vor Augen zu halten, die die Eintragungen verstehen und benutzen wird: Da der Anteil der nicht examinierten Pflegekräfte in Einrichtungen der stationären Altenhilfe nicht unerheblich ist (bis ca. 50 Prozent) und diese Menschen ihre Beobachtungen während der Pflege dokumentieren müssen, sind Eintragungen auch für sie verständlich vorzunehmen. Fachbegriffe müssen ggf. mit nachfolgender Erklärung in einer Klammer übersetzt werden. Pflege- und Betreuungsberichte, die nur von etwa der Hälfte der Pflegenden bzw. Betreuenden verstanden werden, erhöhen die Gefahr von Fehlinterpretationen, Desinteresse oder sogar Ablehnung. Diagnosen, die aus Arztbriefen entnommen werden, sollten eine Übersetzung in einer Klammer zeigen. Auch die eigenen Fachbegriffe im Handlungsfeld von Pflege und Sozialer Betreuung sind so zu nutzen, dass Kollegen und Kolleginnen mit anderer oder untergeordneter Qualifikation sie verstehen. Beispiele:

die Gefahr der sensorischen Deprivation = Gefahr, dass die Sinnesreize verkümmern und ihre Funktion verlieren.

die Gefahr der Ortsfixierung = Gefahr, dass der Betroffene sich nicht mehr selbst von einem Ort zu einem anderen fortbewegen kann.

die Gefahr der Tag-Nacht-Umkehr = Gefahr, dass der Betroffene seinen normalen Rhythmus mit Schlafphasen vor allem in der Nacht und Wachphasen vor allem am Tag verliert.

»Verständlich« bedeutet aber auch, vor der Eintragung für sich selbst zu klären, was genau ausgedrückt und vermittelt werden soll. Einträge wie »Der Bewohner ist fix und foxi« oder »Frau M. war heute völlig durch den Wind« drücken den konkreten Sachverhalt nicht aus. Auch Beschreibungen mit Begriffen der Alltagssprache wie »Frau S. war völlig abgespaced« sind ggf. für den Schreibenden nachvollziehbar, nicht jedoch für die Mitarbeiter der folgenden Schichten. Derartige Eintragungen haben mit Professionalität nichts gemein. Sie kommen dann zustande, wenn der Schreiber Probleme mit der durch Fachkompetenz geprägten sprachlichen Ausdrucksweise hat.

Hier bieten sich unterstützend Bücher oder andere Formulierungshilfen an. Am Anfang bereitet das Nachschlagen häufig etwas Mühe und erfordert etwas mehr Zeit. Es zeigt sich in der Praxis jedoch eine rasch einsetzende und sich bald vertiefende Routine, sodass die Formulierungshilfen im Kopf abrufbereit sind. Dazu finden sich weitere Informationen im Kap. 5.4 »Diagnosen, pflegebegründete Diagnosen, Pflegediagnosen«.

Beschreibende Informationen der Wahrnehmung durch die Sinnesorgane

Die eigenen Sinnesorgane liefern Informationen, die beschrieben werden können. Ein allgemeiner Eindruck kann dann durch Detailinformationen belegt werden. Beispiele: »Frau M. machte auf mich folgenden Eindruck …«, »Herr K. wirkte auf mich …«, »Frau W. zeigte folgende Anzeichen …«

Das können beispielsweise folgenden Beobachtungen und Eindrücke sein:

»… ist kaltschweißig.« (taktile Wahrnehmung, Fühlen)

»… optisch erkennbar war eine starke Rötung der wunden Stelle« (optische Wahrnehmung, Sehen)

»… zu hören, dass ihre Atmung rasselte.« (akustische Wahrnehmung, Hören)

»… zu riechen, dass der Urin nach Azeton roch.« (olfaktorische Wahrnehmung, Riechen)

Das Schmecken (gustatorische Wahrnehmung) – die empfundene, geschmackliche Wahrnehmung der Zunge – eignet sich hier selbstverständlich nicht oder höchstens beim Nachschmecken von Speisen und Getränken.

Vom Text zum Dokument

2.1.6 Zielgruppenorientierung

Als Zielgruppe werden die potenziellen Leser, also all jene verstanden, die den Bericht lesen wollen oder können. Im weitesten Sinne also die Personen oder Personengruppen, denen Informationen vermittelt werden sollen (vgl. auch Kap. 2.1.5).

Zielgruppen, die den Pflegebericht lesen können oder sollen, sind:

Kollegen des Pflege- und Betreuungsteams

Pflegende im Krankenhaus (bei Einweisung und mitgegebener Kopie des Pflegeberichts)

Kollegen aus anderen hierarchischen Ebenen (Einrichtungsleitung, Sozialdienst, Pflegedienstleitung, Heimleitung)

Partner aus dem externen Netzwerk (z. B. Mitarbeiter aus dem SAPV-Team oder Palliativkonsilliardienst, Mitarbeiter aus dem ambulanten Hospizdienst)

Hausarzt und Fachärzte

Angehörige und andere Bezugspersonen (mit Einverständnis des Betroffenen)

Betreuer und Bevollmächtigte

Gutachter von Heimaufsicht und MDK

Gutachter und Juristen bei Klagen vor Gericht

Die Grundregel

2.1.7 Ergebnisorientierung

Der schriftliche Pflegebericht soll sein Ziel erfüllen. Es ist daher wichtig, sich zu fragen: »Was will ich mit meiner Eintragung erreichen?«

Folgende Ziele sind denkbar.

Ich will …

den anderen informieren. (Ich beschreibe den Sachverhalt, den Kontext, ggf. mein Vorgehen.)

die Weiterführung von mir eingeleiteter, nicht bereits in der Planung stehender Strategien erzielen. (Ich empfehle weiterführende Maßnahmen, ich gebe Anweisungen.)

das Ergebnis und/oder die Wirkung meiner Pflege auf den Bewohner dokumentieren. (Ich beobachte den Bewohner bei der Durchführung meiner Handlung und dokumentiere meine Beobachtungen/Messungen.)

zu einem größeren Pflege- oder Betreuungszeitraum einen Eindruck geben. (Ich lese den Pflegebericht der letzten Wochen und stelle einen Gesamteindruck in zwei bis drei Sätzen dar. Hierbei handelt es sich auch oft um eine zusammenfassende Evaluation.)

die anderen Mitglieder des Pflegeteams über besondere, unvorhersehbare Situationen informieren. (Ich beschreibe die besondere Situation mit erkennbaren Bedingungsfaktoren, durchgeführten Analysen und eingeleiteten Maßnahmen. Zusätzlich ziehe ich den Reiter oder kategorisiere den Berichtseintrag, damit ein deutliches Signal für die Wichtigkeit oder thematische Zuordnung dieser Information gegeben wird.)

die Wirkung einer eingeleiteten Prophylaxemaßnahme beschreiben, um deren Eignung zu belegen.

die Kollegen informieren über eine Modifikation der Pflegeplanung. (Ich beschreibe, wie ich die Maßnahme geändert habe und warum.)

begründen und angeben, warum z. B. auch nach dem Eintreten eines Schadens (z. B. nach einem Sturz) das Vorgehen geändert oder eben weiterhin beibehalten wird.

mir selbst und auch im Team darüber im Klaren werden, ob aufgrund der eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen im Palliativfall ein »gutes Sterben« ermöglicht wird.

Der Bericht wird also nicht »irgendwie« und »irgendwann« geschrieben, sondern immer mit dem Ziel, einen Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.

2.1.8 Interpunktuelle Verknüpfung: Bezugnahme auf den Vorbericht

Die einzelnen Bereiche oder Dokumentationspunkte, die im Pflegebericht beschrieben werden, sollten untereinander in einer logischen Verbindung stehen. Hier ist die Fachkompetenz des Pflegenden zur Gestaltung und Überprüfung des komplexen Pflegeberichts erforderlich. Die letzten beiden Einträge sollten zunächst gelesen werden, ehe der eigene Eintrag vorgenommen wird.

Bevor die Pflegeperson mit der Pflegedurchführung beginnt, sollte sie den letzten Eintrag im Pflegebericht lesen. Nur so kann sie erkennen, ob dort Eintragungen darauf hinweisen, dass sie bestimmte Beobachtungen machen, spezielle Maßnahmen durchführen oder Ergebnisse kontrollieren muss. Entsprechend der letzten Eintragungen werden jetzt bei der Durchführung der Maßnahme Kontrollen und Beobachtungen gemacht und entsprechend dokumentiert. Die Pflegeberichteintragung knüpft so an die Voreintragung an.

Beispiel

Verknüpfung zur nächsten Schicht

Wenn ein Bewohner z. B. unter Fieber leidet, ist die Flüssigkeitszufuhr zu kontrollieren, zu überprüfen, ob der Betroffene stark schwitzt und ggf. Hilfe bei der Körperpflege benötigt. Lässt sich eine Blutbeimengung im Urin erkennen, muss ebenfalls die Flüssigkeitszufuhr am heutigen und am Vortag überprüft werden. Es müssen mögliche Verursacher analysiert werden (was lässt sich erkennen, was beschreibt oder erklärt der Bewohner vielleicht?). Weiterhin müssen nun eingeleitete Maßnahmen erläutert werden, die dafür sorgen sollen, dass das Problem eliminiert, verkleinert oder wenigstens die Lebensqualität durch Linderung von Beschwerden erhöht wird. Diese Vorgänge und deren vorangehende Überlegungen werden im Pflegebericht dokumentiert.

2.1.9 Orientierung am Pflege- und Betreuungsprozess

Erkennbarkeit des prozesshaften Geschehens: Der rote Faden

Der Pflege- und Betreuungsprozess wird als der Regelkreis verstanden, der die ständig wiederkehrende und sich logisch aneinander reihende Durchführung von Informationssammlung, Problem- und Ressourcenformulierung, Zielsetzung, Maßnahmenplanung, Durchführung der Pflege und Evaluation aufweist. Diese Evaluation klärt, ob sich die Probleme verkleinert haben, ob Ressourcen erhalten geblieben sind, ob Ziele erreicht wurden.

Immer wieder muss der geplante Pflegeprozess kritisch hinterfragt und ggf. angepasst werden (durch Sammlung bislang nicht vorliegender Informationen, durch Überprüfung der Probleme und Ressourcen, durch Hinterfragen der Zielsetzung und durch Analyse der Eignung der geplanten Maßnahmen). Vielleicht sind auch die pflegerischen Strategien nicht in der erforderlichen Häufigkeit, in der empfohlenen Art und Weise, in der Intensität oder in dem Umfang durchgeführt worden, wie dies erforderlich wäre. Wie häufig, bzw. wann der Bericht geschrieben werden sollte, wird in den Kap. 8 und 9 beschrieben.

Beispiele

So lässt sich erkennen, wie sich der Zustand des Bewohners verändert, welche Wirkung durchgeführte Maßnahmen haben und wie der Prozess der Pflege sich zeigt (Näheres siehe Kap. 12 »Was wird im Pflegebericht dokumentiert und was nicht?«).

Die Beschreibung der Prozesshaftigkeit bei der Verwendung der SIS (Strukturierte Informationssammlung)

Bei dem speziellen, neuen Planungs- und Dokumentationssystem SIS wird die Empfehlung gegeben, Einträge in folgenden Situationen vorzunehmen (vgl. www.ein-step.de, abgerufen am 03.10.2016, 12.30 Uhr):

bei Abweichungen in der Durchführung der Leistungen hinsichtlich des aufgestellten Plans.

bei aktuellen Veränderungen in den Kompetenzen, Bedürfnissen des Betroffenen.

Die Einrichtungen sollten hier intensiv prüfen, inwieweit sie diese rigiden Empfehlungen umsetzen oder ob sie in den einrichtungsinternen Verfahrensanweisungen/Standards erweiterte Empfehlungen geben.

Diese Empfehlung ist sicherlich zur Steuerung des Pflege- und Betreuungsprozesses nachvollziehbar. Dennoch bleiben viele der nachfolgend genannten Beschreibungsbereiche weiterhin zu empfehlen, wenn die Gesamtorganisation von Pflege und Betreuung und die Interaktion mit den verschiedenen Handlungspartnern beachtet werden.

 

Darstellung der Ist-Situation

2.1.10 Kontinuität und Prozesshaftigkeit

Ein guter Pflegebericht zeichnet sich durch eine prozesshafte Beschreibung aus. Nur so kann der Verlauf erkennbar gemacht werden. Kontinuität bedeutet hier jedoch nicht, dass ständig oder täglich Dokumentationen im Bericht erfolgen müssen, sondern dass der Pflege- und Betreuungsprozess in seinen Veränderungen und Wirkungen wiederholt, in einem individuell angemessenen Intervall geprüft und dann ggf. dokumentiert wird. Dabei werden keine Empfehlungen für einzuhaltende Intervalle, Umfänge oder Häufigkeiten gegeben.

Pflegende sollten hierbei nicht nur die auffallenden negativen Beobachtungen dokumentieren, sondern vor allem auch die positiven Auswirkungen der Pflege: Wie fühlt sich der Bewohner heute? Wir wirkt das durchgeführte Duschbad? Der angestrebte Erkenntnisgewinn hat hierbei eine handlungsleitende Funktion. Hat sich der Betroffene nicht verändert, ist er zufrieden mit der Situation und den Handlungen, sind nicht ständig sich wiederholende Einträge notwendig. Hier könnte folgende Regel ausgesprochen werden:

Je gravierender oder komplexer sich eine Problem- und Risikosituation zeigt,

je schneller sich die Situation des Betroffenen verschlechtert oder er sich dem Tod nähert,

oder je stärker sein Wohlbefinden eingeschränkt ist,

desto genauer und ggf. auch umso häufiger muss hingeschaut und dokumentiert werden.

In der Verwendung der SIS wird diese Empfehlung nicht gegeben. Möglicherweise entstehen hierdurch folgende Nachteile:

Es werden bevorzugt negative Veränderungen beschrieben, also zunehmende Einschränkungen, Verschlechterungen im Zustand des Betroffenen (= Defizitorientierung).

Wesentliche Aussagen, die z. B. für Gespräche mit den Angehörigen hinzugezogen werden, damit diese etwa Zusammenhänge verstehen, gibt es hier nicht. Es wird hier beispielsweise nicht erkennbar sein, wie oft Frau K. als Mutter den befleckten Pullover nach dem Mittagessen nicht hergeben wollte, welche Versuche die Mitarbeiter unternommen haben, um sie umzustimmen und welche Wirkung erzielt werden konnte. Sollte dieses Phänomen vor drei Monaten in der Planung beschrieben worden sein, wären hier entsprechend der Logik im Umgang mit der SIS keine erneuten Einträge erforderlich.

 

2.1.11 Berücksichtigung juristischer Rahmenbedingungen

Der Pflegebericht ist ein Dokument, das auch bei juristischen Streitfragen oder zum Nachweis der Durchführung einer professionellen Pflege im Falle eines pflegerischen Gutachtens hinzugezogen werden kann. Kommt es z. B. durch einen Sturz zu einer Oberschenkelhalsfraktur, können Hinweise den Vorwurf der Fahrlässigkeit entkräften helfen, wenn sie belegen, dass der Betroffene alle Hilfsangebote abgelehnt hat.

In einer solchen dokumentarischen Darstellung dürfen sich keine Eintragungen finden, die direkt oder indirekt erkennen lassen, dass gegen bestehendes Recht verstoßen wurde. Vielmehr sollte aus den Eintragungen hervorgehen, dass dieses Geltung fand. Zu berücksichtigen sind hier die Forderungen des Grundgesetzes (es schützt die menschlichen Grundrechte – insbesondere das auf Selbstbestimmung, das Recht auf Leben und die Berücksichtigung der menschlichen Würde), die des Haftungsrechtes (das die Fragen der Verantwortung für die Anordnung und Durchführung von Tätigkeiten regelt), die des Strafrechts und die der Sozialgesetzbücher (insbesondere SGB V und SGB XI). Weitere Vorgaben finden sich in der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen vom BMG (vgl. BMG 2015).

Folgende Einträge sind hier von großer Bedeutung:

Welche Kompetenz liegt beim Betroffenen vor (Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Willensfähigkeit)?

Welchen Willen oder welche Entscheidung zeigt der Betroffene?

Handelt es sich bei einer Anlehnung um ein »Nicht-Wollen« oder eher um ein »Nicht-Können«?

Wie wurde vorgegangen, wenn ein Bewohner eine angebotene Maßnahme selbstbestimmt abgelehnt hat (Kompromissangebot)?

Was wurde angeboten oder getan, wenn eine sich entwickelnde oder bestehende Gefährdung beim Betroffenen erkennbar ist? Wie hat der Betroffene darauf reagiert und wie wirkte die Maßnahme oder deren Unterlassung?

Welche Absprachen gab es im interdisziplinären Team?

In welcher Weise muss ein Betreuer oder Bevollmächtigter einbezogen werden? In welche konkreten Entscheidungen wurde er dann schließlich einbezogen?

Wurden weiterführende Klärungsprozesse angewendet (z. B. eine Ethische Fallbesprechung durch das Team der Einrichtung)? Wurden andere Netzwerkpartner zusätzlich eingeschaltet wie z. B. das Ethikkomitee?

Folgende Rahmenbedingungen und Empfehlungen sind hier zu beachten:

Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen hat eine erhöhte Bedeutung bekommen. Alle Handlungen sind hier als ein Dienstleistungsangebot zu verstehen, was er annehmen oder ablehnen kann. Seine Präferenzen müssen eine handlungsleitende Wirkung haben (vgl. hierzu auch Aussagen in der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen und in den Expertenstandards des DNQP).

Es muss sorgsam zwischen Bedarfszielsetzungen (das, was der Betroffene haben müsste) und den Bedürfnissen (das, was er will) abgewogen werden. Im Zweifel haben die Bedürfnisse des Betroffenen Vorrang vor Bedarfszielsetzungen. (siehe hierzu ebenfalls z. B. den Expertenstandard Ernährungsmanagement des DNQP. 1. Novellierung 2017). Der entsprechende Aushandlungsprozess ist im Pflege- und Betreuungsbericht oder in einem Beratungsprotokoll darzustellen.

Zusammenhänge zwischen einem erkannten Risiko, den angebotenen Maßnahmen zur Prophylaxe oder Risikominimierung, der gemeinsam getroffenen Entscheidung und ggf. angebotenen Kompromissen oder Alternativen sind aufzuzeigen.

Die Kooperation, gemeinsame Analyse-, Zielfindungs- und Entscheidungsprozesse zwischen den verschiedenen Netzwerkpartnern sind aufzuzeigen. Insbesondere im Schnittstellenbereich zeigen sich häufig Probleme, unterschiedliche Einstellungen und Entscheidungen und Handlungsabbrüche. Durch die Dokumentation des Vorgehens kann nachgewiesen werden, wer wann, wie handelt oder nicht handelt und ggf. die hier wirkenden Begründungen.

Unzulässige Eintragungen

2.1.12 Rechtliche Vorschriften

»Manipulationen der Dokumentation gelten als Dokumentenfälschung: Tipp-Ex®, Überkleben, Schreiben mit Bleistift und Ausradieren, unleserlich machen (Korrekturen müssen so vorgenommen werden, dass das Original leserlich bleibt). Die Dokumentation in der Pflegeplanung und im Pflegebericht muss »dokumentenecht«, das heißt mit Tinte/Kugelschreiber erfolgen.« (Flumeri et al. 2003:3)

Merkmale einer professionellen Berichterstattung

Treffende und eindeutige Formulierungen.

Sachlich und fachlich korrekte Darstellung. Nicht eindeutige Begriffe aus der Umgangssprache sind unzulässig. (z. B. »Frau … benimmt sich wie eine Diva oder Prinzessin.«)

Angabe von ZDF (Zahlen, Daten, Fakten)

Zielgruppenorientierte Formulierungen (einfache, deutliche und verständliche Sprache. Ggf. Fachbergriffe folgend in einer Klammer übersetzen).

Anknüpfung an den vorangegangenen Bericht (»Im Gegensatz zu heute Morgen zeigte sich …« – »Der Urin ist immer noch …«).

Aufzeigen von Zusammenhängen (Ursache-Wirkungs-Beziehungen)

Dokumentengerechte Verfahrensweise.

Nachweisliches Einhalten und Beachten geltender Gesetze

Aufzeigen einer ethisch menschlichen Grundhaltung und ggf. Prüfung ethischer, medizinischer, pflegerischer Kriterien bei Entscheidungsprozessen.

Wertfreie Beschreibung (ARD = Aber Richtig Dokumentieren)

3 DIE BEDEUTUNG DES PFLEGEBERICHTS – WELCHE GRÜNDE SPRECHEN FÜR EINE KORREKTE UND ANGEMESSENE BERICHT- ERSTELLUNG?

Es gibt unterschiedliche Gründe für die Durchführung einer angemessenen und fachlich professionellen Berichterstattung. Auch wenn für viele Pflegende der »Schreibkram« scheinbar nur zusätzliche Arbeit ist oder von der eigentlichen Pflege abhält, lassen sich die Begründungen für die Umsetzung der professionellen Pflegeberichterstattung schnell erkennen. Die Einsicht, dass es sich hierbei um ein wichtiges Instrument, um ein grundlegendes Werkzeug und um einen nicht auszuschließenden Bestandteil des Pflegeprozesskreislaufs handelt, ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter in der Praxis sich dieser Aufgabe widmen. Die Notwendigkeit der Pflegeberichterstellung zielt auf verschiedene Ebenen, die im Folgenden erläutert werden.

3.1 Das Ziel einer fachlich hochwertigen, professionellen Leistung

Der Problemlösungs-Regelkreis der WHO für die Umsetzung der Pflegeplanung stellt das Werkzeug für die individuelle und bewohnerorientierte, aktivierende Pflege dar. Dieses gilt als Rüstzeug zur Umsetzung der Pflege. Pflegerische Leistungen, die ständig ungeplant und unkoordiniert stattfinden, können nicht als professionell angesehen werden. Selbst bei erreichten guten Ergebnissen sind sie nicht zu akzeptieren, da das Ergebnis nur als zufällig, nicht als angestrebt bewertet wird, und die durchgeführten Maßnahmen nicht als bewusst eingesetzt angesehen werden können.

Die Planung ist dabei auf die Zukunft gerichtet. Sie enthält Vorüberlegungen und Planungsschritte, die eine bestimmte Entwicklung des Bewohners und die seiner Probleme und Ressourcen für die Zukunft gewissermaßen vorplant. Ob die Umsetzung dieser Planung geeignet ist und die Durchführung die gewünschte Wirkung hat, muss sich dann in der Umsetzung und in der täglichen Ist-Situation beweisen.

Der Pflegebericht ist das Instrument, das die Evaluation der Pflege in der täglichen Umsetzung widerspiegelt und daher für den professionellen Erkenntnisprozess wichtig ist. Er zeigt reflektiertes Handeln und gibt z. B. Aufschluss über notwendige Modifikationen. Er spiegelt die Realität wider und zeigt auf, ob die geplante Entwicklung eintritt oder nicht. Er bildet akut einsetzende, sich verändernde oder wiederholt auftretende Faktoren, Zustände und Befinden des Betroffenen ab. Werden Pflege- oder Betreuungshandlungen aktuell anders durchgeführt als in der Planung beschrieben, belegen Einträge in der Dokumentation den Anlass für die Veränderung, die Art und Weise der Veränderung und die Wirkung der Änderung, die auslösenden Begründungen sowie die Auswirkungen. Die schriftlich dargestellte Erfahrung und die durch die Pflegekraft stattgefundene Reflexion werden dann in Überlegungen eingebunden. Es wird geprüft, ob eine Modifikation der Pflegeplanung stattfinden muss. Der Pflegebericht ist auch das Instrument der Wahl zur Übergabe von Informationen zwischen einzelnen Mitarbeitern.

 

3.2 Eine Maßnahme der Qualitätssicherung

Technische Produktionsprozesse lassen sich nahezu vollständig vorplanen; das Ergebnis wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit den Erwartungen entsprechen. Dienstleistungsprozesse, zu denen auch pflegerische und betreuende Leistungen gehören, sind nicht im gleichen Umfang planbar. Auf beiden Seiten, d. h. auf der Seite der Dienstleistungserbringer und auf der Seite des Kunden, der die Dienstleistung in Anspruch nimmt, sind Schwankungen im Bereich der Bedürfnisse und Anforderungen sowie in der Bewertung der Leistungen möglich. Hierdurch werden eine ständige Überprüfung der Eignung einer geplanten Maßnahme sowie die abschließende Reflexion der Ergebnisse und der wahrgenommenen Qualität auf beiden Seiten erforderlich.

Ein professionell geführter Pflegebericht lässt notwendige Pflegemodifikationen leichter erkennen. Die Adaptation der Pflegemaßnahmen an sich verändernden Zielen oder Problemen führt zu einer hochwertigeren Pflege. Sie ermöglicht nicht nur einen höheren Grad an Problem- und Ressourcensowie Zielorientierung, sondern stellt auch den Bewohner mit seiner Individualität in den Vordergrund. Dokumentierte Fragen wären: Wie wirkt meine Pflege oder Betreuung auf den Bewohner? Welche Reaktionen zeigt er? Konnten die Pflegeprobleme durch meine Maßnahmen reduziert oder behoben werden? Gelang es, Ressourcen durch meine Strategie zu erhalten oder sogar zu steigern? Wurden seine Bedürfnisse erfüllt? Sie seien hier exemplarisch aufgezeigt, um erkennbar zu machen, wie sich der Pflegeprozess hier am Betroffenen und am angestrebten Ergebnis orientiert. Hierbei kann von einer gesteigerten Pflegequalität gesprochen werden. Ohne eine Überprüfung der Wirkung der Pflege und eine Darstellung der Reflexion werden die Ergebnisse der Pflege zufällig sein.

Gut geeignet als Instrument ist hier der PDCA-Zyklus. Er bedient sich der immer wiederkehrenden Abfolge der vier Teilschritte: Planen (plan), Durchführen (do), Überprüfen (check) und Agieren bzw. Verbessern (act).

»Plan«-Phase:

In diesem ersten Schritt wird das Verbesserungsthema festgelegt, indem die Ziele, die wichtigsten Ergebnisse und die größten Hindernisse geklärt werden. Anschließend wird die Ist-Situation analysiert. Hierzu wird das zu untersuchende Problem abgegrenzt und genau beschrieben. Um die Ursachen erkennen zu können, werden entsprechende Daten gesammelt. Erst auf dieser zugleich qualitativen wie quantitativen Basis ist es möglich, die Verbesserungspotenziale eindeutig zu identifizieren, entsprechende Teilziele abzuleiten und Maßnahmen festzulegen.

»Do«-Phase:

In dieser Phase werden die ausgewählten Maßnahmen umgesetzt. Es kann jedoch immer in die Plan-Phase zurückgegangen werden, um weiter Informationen zu beschaffen oder die Maßnahme zu überarbeiten. Für eine gute Visualisierung kann ein standardisierter Aktivitätenkatalog sorgen, z. B. eine Tagesstruktur, der schnell Auskunft über den Ist-Stand der Handlungen gibt.

»Check«-Phase:

Hier werden die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen überprüft, indem man der Frage nachgeht, ob und wie weitgehend die in der Plan- Phase festgelegten Ziele erreicht wurden. Dafür werden die Ergebnisse kontrolliert. Mit Blick auf das zuvor gesetzte Ziel wird nun überprüft, ob dieses erreicht wurde. Ist dies der Fall, kann ggf. ein höheres Ziel gesetzt werden. Erscheint ein höheres Ziel unrealistisch, kann auch der Erhalt des jetzt erreichten Ziels als weiterhin anzustrebender Zustand sinnvoll sein. Immer wieder sollte eine vergleichender Blick zwischen den gesetzten Zielen (Soll) und dem tatsächlich vorhandenen Zustand (= Ist) vorgenommen werden, um zu erkennen, ob der Plan funktioniert und ob er weiterhin geeignet ist. Auch Misserfolge können für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess aufschlussreich sein (»aus Fehlern lernen!«).

Agier- oder »Act«-Phase:

In diesem abschließenden Schritt wird der Plan ggf. fortgesetzt oder angepasst. Zum Teil muss die Problemeinschätzung überdacht, in anderen Fällen die Zielsetzung geändert und in weiteren Fällen der Handlungsplan überarbeitet werden.

 

3.3 Darstellung der Entwicklung des Bewohners in der realen, täglichen Pflegesituation

Die Befindlichkeit und Zufriedenheit des Betroffenen wie auch seine Veränderungen können sich im Verlauf von Stunden, Tagen und Wochen verändern. Professionell tägige Mitarbeiter evaluieren handlungsbegleitend die Zustände und Befindlichkeiten des Betroffenen und die Auswirkungen ihres Handelns. Zeigen sich Veränderungen sind diese erneut einzuschätzen, ggf. auftretende Risiken abzuleiten und der bisherige Handlungsplan zu überprüfen.

Die Wünsche, Bedürfnisse und Verhaltensweisen des Bewohners verändern sich, sind an verschiedenen Tagen oder sogar im Tagesverlauf unterschiedlich. So wie jeder von uns gute und schlechte Tage, Tage voller Lebenslust und Tatendrang, Tage voller Optimismus oder Traurigkeit hat, so unterliegt auch der Bewohner Schwankungen. Pflegemaßnahmen müssen sich daran orientieren, müssen angepasst, d. h. auf die aktuellen Probleme oder Bedürfnisse zugeschnitten werden.

Insbesondere bei demenziellen Veränderungen lassen sich Bedürfnisse oder Aktivitäten des Betroffenen häufig nicht im Vorfeld erkennen, sind vielmehr durch zahlreiche aktuell einwirkende Reize und Tagesverfassungen bedingt und beeinflusst. So können die Erfordernisse im Bereich von Pflege und Betreuung von Tag zu Tag variieren. Vorgeplant werden können für diese Menschen die regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bzw. die Maßnahmen, die im Bedarfsfall notwendig werden, d. h. beim Auftreten einer beschriebenen, aktuell vorhandenen Situation. Im Pflege- und Betreuungsbericht sind dann die aktuellen Tagesverfassungen und die Abweichungen in der Leistungsdurchführung zu beschreiben.

In der Pflegeplanung werden solche »Bedarfsmaßnahmen« folgendermaßen beschrieben sein: »Pflegeproblem: Frau K. kann sich je nach Tagesform nicht selbstständig ankleiden, weiß oft nicht, in welcher Reihenfolge die Kleidungsstücke angekleidet werden. Ressource: Zeitweise kann Frau K. sich selbst ankleiden, wenn die Kleidungsstücke in umgekehrter Reihenfolge auf dem Stuhl bereitliegen.« Im Pflegebericht muss nun beschrieben werden, wie sich der Zustand von Frau K. und damit der Bedarf an Pflege an den verschiedenen Tagen, also heute, morgen, übermorgen zeigt. So kann der wechselnde Pflegebedarf von Frau K. nachvollziehbar aufgezeigt werden. Der Pflegebericht ist hier notwendig, um sinnvolle Zusammenhänge, analysierte wirksame Maßnahmen bei aufgetretenen Problemen nachzuvollziehen.

3.4 Darstellung des tatsächlichen Pflegebedarfs – Unterstützung bei der Eingruppierung in einen Pflegegrad

Seit dem 1.1.2017 wird das Neue Begutachtungsinstrument (NBI) zur Einschätzung des Pflegegrades (vorher: Pflegestufe) eingesetzt. Dafür werden ein veränderter Blickwinkel und eine neue Sichtweise zur Pflegebedürftigkeit angewendet:

»Als pflegebedürftig im Sinne des SGB XI gelten Personen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgestellten Schwere bestehen.« (MDS. BRI 2016. S. 32)

Nach diesem Verständnis ist Pflegebedürftigkeit gegeben, wenn

infolge fehlender personaler Ressourcen körperliche oder psychische Schädigungen vorhanden sind oder die Beeinträchtigung körperlicher, kognitiver oder psychischer Funktionen oder gesundheitlich bedingte Belastungen und Anforderungen nicht kompensiert oder bewältigt werden können.

der erforderliche Zeitraum der Beeinträchtigung dauerhaft oder vorübergehend (mindestens sechs Monate) ist.

Die Anforderungen an den Bericht sind dann folgende:

Art und Umfang der Beeinträchtigungen und die Dauer müssen erkennbar sein.

Der Betroffene darf zu entsprechenden selbstständigen Aktivitäten im Lebensalltag, selbstständiger Krankheitsbewältigung oder selbstständiger Gestaltung von Lebensbereichen und sozialer Teilhabe nicht in der Lage sein.

Er ist daher auf personelle Hilfe angewiesen. Es muss erkennbar sein, dass der Betroffene, die entsprechende Handlung nicht selbst ausführen kann (wenn die entsprechende Unfähigkeit nicht schon als dauerhaftes oder länger bestehendes Problem in der SIS oder in der Informationssammlung, bzw. Pflege- und Betreuungsplanung beschrieben ist). Veränderungen in den Einschränkungen müssen erkennbar gemacht werden.

Für den Pflege- und Betreuungsbericht ergeben sich folgende veränderte Anforderungen:

Aussagen zum Grad der Selbstständigkeit im körperlichen Bereich sowie zu kognitiven Fähigkeiten wie dem Denken, Entscheiden, Organisieren von Handlungen und psychomotivationalen Kompetenzen wie z. B. dem Umgang mit der eigenen Motivation, Stress, Belastung, Trauer oder Angst: Was kann der Betroffene hier? Was setzt er wirklich um? In welcher Weise gibt es bei ihm Fehleinschätzungen oder Überschätzungen?

Welche Ursache hat eine eingeschränkte Kompetenz? Abhängig davon, ob die entstehenden Unterstützungsbedarfe des Betroffenen eher durch körperliche oder kognitiv-kommunikative Kompetenzeinschränkungen bedingt sind, findet eine Anrechnung in verschiedenen Modulen statt.

Die tatsächlich vorhandene Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit, hier verstanden als Einschränkung von Kompetenzen, ist in der Pflegeplanung nicht immer vollständig erkennbar. Insbesondere im ersten Zeitraum nach der Aufnahme eines Bewohners, in den ersten Wochen nach der Zurückübernahme aus einem Krankenhaus oder nach Auftreten einer unvorhersehbaren Situation (z. B. Sturz mit Prellungen, grippaler Infekt) wird durch situationsbedingt akut auftretende Probleme bei Pflegeleistungen oder Handlungen der Sozialen Betreuung oftmals anders vorgegangen, als in der Pflege- und Betreuungsplanung beschrieben. Aktuell vorhandene Kompetenzen sind ggf. noch nicht realistisch einzuschätzen oder haben sich durch eine akute Situation verändert. Zunächst werden hier zusätzliche oder in der Durchführung anders verlaufende Maßnahmen notwendig, die von den Mitarbeitern häufig »mal eben« angepasst oder geleistet werden. Wenn die aktuell vorhandenen Kompetenzen hier nicht im Pflegebericht erkennbar gemacht werden, ist die individuell vorhandene reale Pflegebedürftigkeit nicht erkennbar. Der Pflegegrad lässt sich entsprechend nicht konkret anhand der Dokumentation berechnen.

Auch bei Bewohnern, die unter Demenz oder anderen gerontopsychiatrischen Erkrankungen leiden, kann unmittelbar nach der Übernahme des Pflegeauftrages die Pflege- und Betreuungsplanung oft nicht als das allein geeignete Instrument zur Darstellung des Pflegegrades genutzt werden. Bei dieser Bewohnergruppe zeigen sich oftmals starke Schwankungen im zeitlichen Verlauf, oft sogar im Tagesverlauf. Kognitive Fähigkeiten wie Konzentrationsfähigkeit, die Ressource, Entscheidungen zu treffen oder eine Handlung nach logischen Kriterien zu organisieren, können z. B. in der ersten Tageshälfte noch vorhanden sein. Nach 15.00 Uhr zeigt sich hingegen oft ein Nachlassen dieser Kräfte. So wird ggf. für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen die verstärkte Dokumentation von Kompetenzen, Reaktionen, Bedürfnissen und Wirkungen angebotener Handlungen im Bericht erforderlich sein, um ein angemessenes Bild der realen Situation bei diesem Menschen zu gewinnen.

Folgende Eintragungen sind für die Darstellung der vorhandenen Kompetenzen sinnvoll, aus denen der Pflegegrad berechnet wird.

Tabelle 2: Modulbereiche und ihre Inhalte zur Überprüfung des Pflegegrades
(vgl. http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Publikationen/Pflege/Sonstiges/Praxisseiten_Pflege/Einzelseiten/6.1_Begutachtung_Pflegeplanung.pdf, abgerufen am 31.10.2016, 16.20 Uhr.)
Modul Modul-Inhalte
Modul 1: Mobilität Hierbei handelt es sich um den Bereich, in dem Einschränkungen der Mobilität, der Selbstständigkeit beim Fortbewegen und Lageveränderungen des Körpers beschrieben werden. Körperliche Bedingungen wie Kraft, Balance und Ausdauer sind hier als ursächliche Faktoren zu beobachten und zu beschreiben, nicht die Zielgerichtetheit der Mobilität.
Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten Hierunter fallen alle kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten, die für eine selbstständige Lebensführung vonnöten sind. Fähigkeiten, sich räumlich und zeitlich zu orientieren. Es geht u. a. um die Fähigkeit, Bedürfnisse mitzuteilen, Entscheidungen zu treffen, handlungen zielgerichtet und systematisch durchzuführen, sich an der Kommunikation zu beteiligen und eigene Alltagsentscheidungen zu treffen.
Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen Es wird erfasst, ob und mit welcher häufigkeit die pflegebedürftige Person Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zeigt, die als Folge von Gesundheitsproblemen immer wieder auftreten.
Die Module 2 und 3 entsprachen früher der Einschätzung der Alltagskompetenz und ergeben jetzt zunächst eine getrennte Erhebung, später in der Bewertung jedoch einen gemeinsamen Block.
Modul 4: Selbstversorgung Es werden die die Fähigkeiten zur selbstständigen Körperpflege bewertet – selbst zu essen und zu trinken, sich allein an- und auszukleiden und auf die Toilette zu gehen. In spezifischen Fällen wird die Fähigkeit bestimmt, eine Sonde oder einen Port-Katheter selbst zu versorgen.
Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen Bewertet werden Fähigkeiten im Alltag die eigene krankheits- und therapiebedingte medizinische Versorgung zu bewältigen, etwa eigenständiges Stellen und Einnehmen von Medikamenten, Wundversorgung, Alltagserleben bei Krankheit, umgang mit körperlichen hilfsmitteln, Durchführung zeitaufwendiger Therapien innerhalb und außerhalb der häuslichen umgebung, Maßnahmen bei hautproblemen oder Störungen der Vitalfunktionen (z. B. Kontrolle und Bewertung von RR, BZ). Auch wird bewertet, ob der Betroffene eigenverantwortlich eine Diät einhalten kann oder nicht.
Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte Begutachtet werden Fähigkeit zur selbstständigen Gestaltung des Alltagslebens und die Interaktion mit Personen im direkten umfeld sowie die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte außerhalb des direkten umfeldes. Dazu gehören u. a. die zeitliche Strukturierung des Tages, das Zeitempfinden, die Einhaltung eines Rhythmus’ von Wach-Sein und Schlafen, das sinnvolle Ausfüllen von Zeit und die Gestaltung sozialer Beziehungen.
Modul 7: Außerhäusliche Aktivitäten

Die Module 7 und 8 dienen eher der Einschätzung einer künftigen Entwicklung zur Pflegebedürftigkeit und werden nicht bei der Einstufung der Pflegebedürftigkeit/Berechnung herangezogen.

In diesem Modul wird bewertet, ob sich der Betroffene selbstständig im öffentlichen Raum bewegen, an Veranstaltungen teilnehmen und welche Transportmittel er selbstständig nutzen kann.
Es betrifft also die Teilnahme an sozialen und – im weitesten Sinne – kulturellen Aktivitäten, Bildung, Arbeit, Gemeinschafts-, sozialem und staatsbürgerlichen Leben.
Modul 8: Haushaltsführung

Die Module 7 und 8 dienen eher der Einschätzung einer künftigen Entwicklung zur Pflegebedürftigkeit und werden nicht bei der Einstufung der Pflegebedürftigkeit/Berechnung herangezogen.

Hier wird die Selbstständigkeit bei Tätigkeiten wie Einkaufen, Behördengängen oder der Regelung finanzieller Angelegenheiten betrachtet. Das sind etwa hauswirtschaftliche Tätigkeiten, das Führen eines haushalts, die Fähigkeit, im Bedarfsfall Dienstleistungsangebote zu nutzen (hauswirtschaftliche und soziale hilfebedarfe).
Dieser Bereich ist eher in der ambulanten Pflege wichtig, da hier die Frage geklärt wird, ob eine Person weiterhin alleine in der eigenen Wohnung verbleiben kann.

Wichtig

Tabelle 3: Beispiele lt. Begutachtungsrichtlinie (BRi) in Bezug auf das Modul 1, Mobilität
Auszug aus der Begutachtungsrichtlinie von 2016, S. 39 Beispiel im Pflege- und Betreuungsbericht
»Selbstständig«
»Selbstständig ist auch eine Person, die ihre Position unter nutzung von hilfsmitteln (Aufrichthilfe, Bettseitenteil, Strickleiter, elektrisch verstellbares Bett) alleine verändern kann.«
Frau L. hat heute Vormittag wiederholt selbst ihre Lage im Bett verändert. Sie nutzte u. a. die elektronische Bettverstellung dafür.
»Überwiegend selbstständig«
»Die Person kann beispielsweise nach Anreichen eines hilfsmittels oder Reichen der hand die Lage im Bett verändern.«
Herr L. konnte sich heute Morgen nach Reichen meiner hand selbst aufrichten und in die sitzende Position bringen.

Ggf. lässt es sich so erkennen, dass die vorhandenen Ursachen zum einen im körperlichen Bereich, also Modul 1 (Mobilität) ggf. aber zusätzlich in Modul 2 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten) und/oder in Modul 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) liegen. Daraus würden sich bei einer Pflegegradbemessung deutlich mehr Punkte und ggf. sogar ein höherer Pflegegrad ergeben (vgl. BRI 2016: 39).

3.5 Höhere Zufriedenheit der Betroffenen

Bewohner, die sich in ihrem aktuellen Befinden und Bedürfnis- oder Problemsituation wahrgenommen fühlen, die erkennen, dass sich der Handlungsplan danach stets neu ausrichtet und dass auch die Auswirkungen geprüft und mit ihnen gemeinsam evaluiert werden, empfinden ihr Recht auf Selbstbestimmung beachtet. Eine solche Vorgehensweise entspricht den Vorgaben der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Erfährt der Mensch keine Beachtung seiner Individualität und Selbstbestimmung, entwickelt der Betroffene ggf. ein forderndes Verhalten. Dieses entsteht laut BMG bei Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen oftmals dann, wenn die Bedürfnisse des Betroffenen nicht erkannt und beachtet wurden (vgl. BMG: Rahmenempfehlung zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe. Forschungsbericht 007/Gesundheitsforschung. Berlin 2006).

 

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Abb. 8: Unterschiede der Pflegeprozessqualität mit und ohne tägliche Reflexion und Darstellung im Pflegebericht.

Über den Pflegebericht können Informationen zu den sich entwickelnden und verändernden Bedürfnissen sowie zu den Auslösern von Zufriedenheit oder forderndem Verhalten beschrieben und nachfolgend Zusammenhänge erkannt werden.

3.6 Juristische Absicherung der Pflegenden

Kommt es zu einer juristischen Streitsituation, müssen die Pflegenden die Durchführung ihrer professionellen Tätigkeit beweisen. Innerhalb der Garantenpflicht hat die Einrichtung als Vertragspartner des Betroffenen die Verantwortung übernommen, Gefahren zu erkennen und möglichst abzuwenden. Auch wenn zurzeit – in der Umsetzung der sogenannten SIS (Strukturierte Informationssammlung) im Rahmen der Kasseler-Erklärung – vom sogenannten »Immer-So-Prinzip« (siehe Kasten unten) ausgegangen wird, bleibt es im Einzelfall dem Richter überlassen, ob er dieses Prinzip anerkennt oder einen Einzelnachweis verlangt. Kommt es zu Komplikationen oder Veränderungen im Zustand des Bewohners, die per Gericht geklärt werden sollen, so muss die Einrichtung als Vertragspartner (nachfolgend die Pflegenden) nachweisen, dass sie alle Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung sowie zur Abwendung von Gefährdung und Schaden durchgeführt haben oder dass diese nicht möglich waren. Ohne eine schriftliche Dokumentation geht dies nicht!

Wichtig

Beim »Immer-So-Prinzip« wird davon ausgegangen, dass sobald ein Plan mit einer beschriebenen Maßnahme vorliegt, diese auch grundsätzlich immer so angewendet wird. Ist dies nicht der Fall, es also zu einer abweichenden Handlungsumsetzung kommt, muss das veränderte Vorgehen beschrieben und die Ursache, also Einwirkungsbegrenzung, hierfür im Pflegebericht benannt werden.

Beispiel

Eine Bewohnerin, Frau K., ist nachts gestürzt und hat sich eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen. Die Angehörigen werfen nun der Einrichtung vor, ihre Mutter habe nach eigenen Aussagen die ganze Nacht hilflos vor dem Bett gelegen. In Deutschland gibt es die Beweislastumkehr, d. h. die Pflegenden müssen nachweisen, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefährdung des Betroffenen durchgeführt haben; nicht der Betroffene oder seine Angehörigen sind in der Beweislast.

Ist nun in den Pflegedurchführungsnachweisen die Leistung »Pflegerunde« mit Handzeichen und Uhrzeit als durchgeführt erkennbar und findet sich ein Eintrag im Pflegebericht: »Pflegerunde: um 3.30 Uhr wirkte Frau K. schlafend, hatte die Augen geschlossen, atmete ruhig«, kann die betroffene Pflegekraft nachweisen, dass der Sturz nur nach 3.30 Uhr geschehen sein kann. Da jetzt die mündliche Aussage der Bewohnerin (bzw. der Angehörigen) der schriftlichen Aussage der Pflegenden in der Pflegedokumentation gegenübersteht, ist der Nachweis für die »Unschuld« der Pflegekraft erbracht, der Vorwurf der unprofessionellen Pflege entkräftet.

In der Anwendung der SIS müssten die nächtlichen Pflegerunden in einem Standard oder einer einrichtungsinternen Verfahrensanweisung konkret mit Häufigkeit, angestrebtem Zeitraum hinterlegt und die bei diesem Menschen tatsächlich geplante Uhrzeit in der Pflegemaßnahme benannt sein. Fraglich ist hierbei, ob im Rahmen organisatorischer Abläufe und durch aktuelle Anforderungen innerhalb der einzelnen Nacht die Umsetzung der Leistung zur vorgeplanten Zeit immer eingehalten werden kann. Bei Abweichungen müsste die tatsächliche Zeit der Pflegerunde bei diesem Bewohner im Pflegebericht dokumentiert werden. Ebenso fraglich ist, ob der einzelne Mitarbeiter tatsächlich die Inhalte der Pflegeplanungen kennt und somit eine Abweichung wahrnimmt.

Inzwischen weist auch der MDK darauf hin, dass nicht jede Gefährdung auszuschließen ist: »Allerdings geht auch die Rechtsprechung inzwischen nicht mehr davon aus, dass jede gesundheitliche Einschränkung zu vermeiden ist. Es wird zur Kenntnis genommen, dass das fachlich begründete Unterlassen bestimmter Maßnahmen durchaus gerechtfertigt sein kann. So hat das Landgericht Heidelberg die Entscheidung einer Pflegefachkraft als fachlich richtig gewürdigt, bei einem Patienten mit einem hirnorganischen Psychosyndrom kein Bettgitter und keine Dauernachtwache zu installieren. Man muss sie (die Entscheidung) nur auch richtig begründen können, begründen, dass man im Einzelfall bestimmte Risiken ganz bewusst in Kauf genommen hat, um andere Pflegeziele zu erreichen, etwa die Mobilität des Bewohners, die Lebensqualität durch das Gefühl von Autonomie. (…) Die entsprechenden Überlegungen und Maßnahmen sind zu dokumentieren, damit es später, falls es zu einem befürchteten Zwischenfall kommt, auch möglich ist, das pflegerische Vorgehen zu rechtfertigen.« (Klie zit. n. MDS 2005:55)

 

3.7 Strukturhilfe bei der Evaluation der Pflegeplanung

Damit sich der Pflege- und Betreuungsprozess möglichst weitgehend an der aktuellen Problem- und Ressourcensituation des Bewohners orientiert, muss die Prozessplanung zyklisch evaluiert werden. Unter Evaluation wird hier die kritische Überprüfung der Wirksamkeit und Eignung der Pflege verstanden. Hierbei steht einerseits die erkennbare Effektivität der angewendeten Maßnahmen im Vordergrund: Konnten wir durch unsere Pflege oder Soziale Betreuung bestehende Probleme verkleinern? Konnten wir vorhandene Ressourcen erhalten oder sogar fördern? Konnten wir gesetzte Ziele erreichen? Wie hat sich der Bewohner durch unsere Handlungen gefühlt? War er zufrieden? Andererseits werden neu aufgetretene Probleme und Ressourcen, Art und Häufigkeit geplanter Maßnahmen sowie eine Veränderung bei der Durchführung von Leistungen überprüft. Diese Ergebnisse müssen entsprechend dem PDCA-Zyklus (siehe Kap. 3.2) in den weiteren Prozess eingehen.

Jeder professionelle Mitarbeiter überprüft, d. h. evaluiert, seine Handlung bereits während der Maßnahmendurchführung. Er kontrolliert die Auswirkung auf den Bewohner und seine Zufriedenheit, die Annahme der Handlung und die Wirkung auf vorhandene Probleme oder Ressourcen. Er wiegt hierbei den Wert seiner Maßnahme im Hinblick auf die Zielerreichung »in Gold« auf. Im Pflege- und Betreuungsbericht ist es entsprechend erforderlich, nicht nur das aktuell vorhandene oder neu aufgetretene Problem zu beschreiben, sondern auch folgend die Maßnahme zu benennen.

Beispiel:

»Frau K. weinte heute Morgen um 10.00 Uhr, konnte nach eigener Aussage keinen Grund benennen. Validierendes Gespräch durchgeführt.«

Sinnvoll ist es zudem, immer die Auswirkung der eigenen Handlung oder der angebotenen Maßnahme zu beschreiben, um so erkennen zu können, ob diese geeignet ist.

»Frau K. weinte heute Morgen um 10.00 Uhr, konnte nach eigener Aussage keinen Grund benennen. Validierendes Gespräch durchgeführt. Verständnis für ihre Traurigkeit wurde gezeigt, sie berichtete dann über den Tod ihres Dackels Waldi vor 15 Jahren. Beruhigung (ruhigere Atmung, entspannter Gesichtsausdruck) nach Gespräch erkennbar.«

Evaluierung der Pflege- und Betreuungsplanung

Die Pflege- und Betreuungsplanung kann teilweise, z. B. nur zur Überprüfung der Wirkung eines Risikomanagements (z. B. Sturzprophylaxe), oder komplett evaluiert werden. Bei der vollständigen Evaluierung werden auch die Auswirkungen eines Teilbereichs oder die interdependente Wirkung von Maßnahmen der sozialen Betreuung und der Pflege evaluiert.

Generell vorgegebene, feste Intervalle werden daher nicht mehr empfohlen. Folgende Regel kann hier gelten:

Je gravierender sich ein Problem oder Risiko zeigt, je schneller dieses oder der Zustand des Bewohners auf den Tod zuführt (z. B. Bewohner in der Palliativsituation) oder je stärker das Wohlbefinden des Betroffenen eingeschränkt ist, desto häufiger und ggf. intensiver sollte eine Evaluation stattfinden. Das Ziel wäre es hierbei, durch ein genaueres Hinschauen und ggf. durch mögliche Anpassungen der Planungen und Handlungen das Bestmögliche für den Betroffenen einzurichten.

Festgelegte Intervalle eignen sich daher nur noch für die Angabe des Zeitraums, nachdem spätestens die Planung evaluiert werden sollte. In der Zwischenzeit ist der Bericht das Dokument, in dem kleine Veränderungen, unvorhersehbare Ereignisse, Reflexionen einzelner Bereiche, zusätzlich durchgeführte Maßnahmen mit Begründungszusammenhang, die Bewertung der Eignung der Handlungen auf diesen Menschen und seine Entwicklung beschrieben werden. Nur so lässt sich bei der »großen Evaluation« eine wirkliche Einschätzung des Pflegeprozessverlaufs vornehmen.

Evaluierung des Pflege- und Betreuungsberichts in der Verwendung von SIS

Hier wird der Pflege- und Betreuungsbericht bevorzugt zur Dokumentation von Besonderheiten und Abweichungen genutzt. Das Lesen dieses Dokuments ist erforderlich, um erkennen zu können, ob der Handlungsplan weiterhin geeignet ist.

3.8 Strukturhilfe bei der Durchführung der Pflegevisite

Bei der Pflegevisite handelt es sich um einen Besuch bei und ein Gespräch mit dem Bewohner. Neben dieser am häufigsten eingesetzten Form gibt es als Erweiterung die Pflegevisite mit Integration der Angehörigen.

Um für sich selbst, mit der beratenden Kollegin oder mit einem Angehörigen bestimmte Entscheidungen treffen zu können oder um eine Entwicklung des Bewohnerzustandes zu verstehen, wird der Pflege- und Betreuungsbericht benötigt.

Folgende Fragen könnten anhand des Pflegeberichts im Verlauf der Pflegevisite erläutert und geklärt werden:

Wie ist der Zustand des betroffenen Bewohners heute und in den letzten Tagen bzw. Wochen?

Zeigen sich Veränderungen, Probleme, spezielle Anforderungen an die handelnden Mitarbeiter, das Team oder sogar innerhalb des Netzwerks mit Partnern anderer externer Einrichtungen?

Lassen sich im Pflege- und Betreuungsbericht Hinweise darauf finden, dass der Betroffene zufrieden, unzufrieden, eher traurig oder anders gestimmt ist?

Können Hinweise auf verursachende Faktoren für diese Gestimmtheit erkannt werden, und lassen sich daraus notwendigerweise durchzuführende Maßnahmen ableiten?

Wurden im Pflegebericht wiederkehrende Zwischenfälle oder ein langsam steigender Pflegezeitaufwand beschrieben, sodass die Notwendigkeit einer Überprüfung des Pflegegrades und damit ein Antrag auf eine Höhergruppierung erforderlich wären?

Lässt sich eine Verschlimmerung oder Verbesserung im Zustand oder die Zunahme eines bestimmten Problems erkennen, die für eine Änderung der im Pflegeplan aufgestellten Maßnahmen verantwortlich ist? (Ohne diese Information verstehen die Angehörigen Änderungen häufig nicht und fühlen sich ggf. betrogen oder hintergangen.)

Lassen sich ggf. Indikatoren für das Eintreten oder Vorhandensein einer Palliativsituation erkennen? Für diese besondere Situation könnten spezifische Fragen in das Pflegevisitenprotokoll integriert werden. Möglich ist es auch, ein separates Pflegevisitenprotokoll zu nutzen, welches auf die spezifischen Fragen von Palliative Care ausgerichtet ist. Da der Betroffene oft in einem reduzierten Allgemeinzustand ist oder auf Fragen nicht mehr antworten kann, ist es wichtig, den Pflege-. und Betreuungsbericht auf entsprechende Anzeichen hin zu überprüfen (siehe auch Kap. 12.3.2).

3.9 Hilfe zur Förderung der Kommunikation im Pflegeteam und im interdisziplinären Team

Bei zunehmendem Zeitdruck, bei enger werdenden personellen Ressourcen sowie bei ständig zunehmender multifaktorieller Problematik der Bewohner (bedingt durch Multimorbidität, steigendes Lebensalter, höherer Grad der Individualisierung in der Sozialisation) ändert sich die Problemsituation der Bewohner. Es zeigt sich eine zunehmende Anzahl von Pflegeproblemen mit steigenden und unterschiedlichen Ursachen. So zeigt sich bei Fortschreiten einer Demenz immer häufiger eine Problemlage, die nicht täglich in gleichem Maße und in gleichem Umfang auftritt (eher wechselnde Probleme und Zustände) und es zeigt sich die Notwendigkeit der flexiblen Reaktion der Pflegenden auf unterschiedliche Anforderungssituationen.

Gleichzeitig ist beim Pflegepersonal eine Kombination von professionell ausgebildeten Pflegenden und nicht examinierten Pflegehilfskräften erkennbar. Durch Veränderungen der Übergabezeiten und durch Auflösung des traditionellen Drei-Schichten-Systems ist die Informationsweitergabe an die übernehmenden Mitarbeiter (im Gespräch, z. B. in der Übergabe) immer weniger gewährleistet. Bei zunehmenden Informationen und der steigenden Notwendigkeit, kontinuierlich und ausreichend zu informieren, sinken die Möglichkeiten einer mündlichen Übergabe. Der Pflege- und Betreuungsbericht ist hier die einzige Alternative.

Zu jeder Zeit können Informationen eingetragen, wieder gelesen, also entnommen werden. Kommunikation und Informationsweitergabe können dauerhaft nur über den Bericht garantiert werden. Jeder Mitarbeiter kann sich zu jedem Zeitpunkt jede beliebige Information aus dem Bericht herausholen. Durch die Kombination mit dem Reitersystem oder mit einem elektronischen Signalsystem in der EDV-gestützten Pflegedokumentation werden alle am Pflegeprozess beteiligten Personen so in ausreichendem Maße informiert. EDV-Systeme zeigen hier einen deutlichen Vorteil: Durch Kategorisierung, d. h. Zuordnung des Berichtseintrags als übergaberelevant zu einem bestimmten Thema, kann z. B. ein sogenanntes Übergabeprotokoll erstellt und gedruckt werden. Hierzu wird der einzelne Berichtseintrag mit dem Häkchen »übergaberelevant« versehen. Beim Ausdruck erscheinen dann nur die Einträge, die den entsprechenden Vermerk enthalten.

Auch die Information an andere Mitarbeiter des interdisziplinären Teams (z. B. Krankengymnastik, Sozialdienst, Ergotherapie) werden sinnvollerweise über den Pflege- und Betreuungsbericht organisiert. Perfekt gelingt dies, wenn mit Tabletts gearbeitet wird, mit denen jeder Mitarbeiter unabhängig von seinem Aufenthaltsort direkt einen Einblick nehmen kann. Das Warten oder Suchen von Papierdokumentationsmappen oder auf einen freien Arbeitsplatz mit PC entfällt. Externe Mitarbeiter können nach Autorisierung ebenfalls Einsicht nehmen und zugleich ihre eigenen Einträge mit denen der Einrichtung vernetzen. Dieses wäre z. B. in der Zusammenarbeit mit externen Physiotherapeuten, mit einem SAPV-Team oder mit einem ambulanten Hospizdienst eine perfekte Lösung. Alle Informationen zum Betroffenen sind nun in einer Dokumentation vernetzt.

Neben diesem täglichen Informationsaustausch kann einmal wöchentlich eine gemeinsame Teamsitzung zur Diskussion klärungsbedürftiger Punkte sowie zur Ausschaltung übergeordneter Fragen durchgeführt werden.

Folgende Fragen könnten beim Schreiben des Pflegeberichts sinnvoll sein (weitere Punkte finden sich im Kap. 12 »Was wird im Pflegebericht dokumentiert und warum?«):

Was will ich anderen Mitarbeitern oder dem Gesamtteam mitteilen?

Welche Informationen benötigen sie, um den Bewohner in angemessener Qualität zu versorgen, zu therapieren, zu betreuen und zu pflegen?

Welche Beobachtungsparameter sollen weiter kontrolliert werden, um ein kontinuierliches Bild zu erhalten?

Gibt es Tätigkeiten, die in der nächsten Schicht, in den kommenden Tagen weiter durchgeführt werden sollen, die jedoch nicht dauerhaft nötig sein werden (nicht länger als eine Woche), sodass sie im Pflegebericht dokumentiert werden können und nicht in der Pflegeplanung eingetragen werden müssen?

3.10 Begründungsdokument für Durchführung oder Unterlassung von Pflege- oder Betreuungsmaßnahmen

Prinzipiell soll die Durchführung von Pflegemaßnahmen nicht im Pflegebericht dokumentiert werden. Vorgeplante Leistungen werden in den Leistungsnachweisen quittiert, sodass ein Eintrag im Pflegebericht eine doppelte Dokumentation wäre. In der Verwendung von SIS werden die Leistungen der Grundpflege generell nicht mehr abgezeichnet.

Diese Regel beinhaltet in den beiden Systemen folgende Ausnahmen:

1. Durchgeführte Pflegemaßnahmen, die in der Pflegeplanung aufgeführt sind und dort hinsichtlich der Art und Weise (was und wie?), der Dauer (wie lange?), der Hilfsmittel (womit?), der Zielsetzung (warum?), der Lokalisation (wo hinsichtlich der Räumlichkeit? Wo am Bewohner) erläutert werden, sind dort ausreichend beschrieben und müssen lediglich im Leistungsnachweis abgezeichnet werden.

2. Wenn jedoch die in der Pflegeplanung beschriebene Maßnahmendurchführung geändert wird und

der Betroffene heute reduziertere, andere oder erweiterte Kompetenzen zeigt, oder

wenn aktuell körperliche, kognitive oder motivationale Einschränkungen oder Probleme auftreten, oder

die Leistung reduziert oder sogar unterlassen wird, oder

weil nur Anteile einer Gesamtleistung durchgeführt wurden, oder

weil sie kürzer, d. h. mit einer reduzierten Dauer, oder

weil sie mit einem geringeren Aktivierungsgrad (Körperpflege z. B. im Bett statt am Waschbecken im Badezimmer) durchgeführt wird, oder

weil sie häufiger durchgeführt wird (Grund angeben!), oder

wenn zusätzliche Leistungen notwendig werden!), oder

weil die Leistungsart geändert wurde (z. B. Übernahme statt Anleitung),

muss die angepasste Leistung im Pflege- oder Betreuungsbericht dokumentiert und die näheren Gründe für die Entscheidung dazu erläutert werden.

Wenn die Planung nicht eingehalten wird

Die Hintergrundfragen lauten:

Was habe ich geändert?

Wie habe ich die Maßnahme geändert?

Wie habe ich sie genau durchgeführt?

Was war die Ursache? Was lag vor? Was war los?

Warum habe ich die geplante Maßnahme geändert (Begründung)?

Welche Wirkung zeigte sich (Selbsteinschätzung des Betroffenen, Fremdeinschätzung in der pflegerischen Expertise)?

Handelt es sich eher nur um eine kurzfristige Anpassung oder ergibt sich ein beständiges Problem, welches eine dauerhafte Veränderung der Planung erfordert?

Zusätzlich, wenn die Maßnahme unterlassen wurde: Welche Wirkung zeigte die Unterlassung (Befinden des Betroffenen, objektiv erkennbare Wirkung auf den Zustand oder auf ein Problem)?

Wenn ein ablehnendes Verhalten des Betroffenen vorliegt: Welche Alternativen und Kompromisse wurden angeboten? Wurden diese akzeptiert?

Anhand des Pflegeberichts lässt sich später genau erkennen, warum und wie die Maßnahme geändert wurde und welche Wirkung dies hatte. Gerade bei Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen sind solche Änderungen häufig. Der Betroffene zeigt oft eine veränderte Tagesform oder versteht den Sinn oder den Ablauf einer Maßnahme nicht mehr. Hier brauchen die Mitarbeiter viel Geduld, eine enorme Flexibilität und Fantasie bei der Gestaltung und Anpassung von Maßnahmen. Insbesondere Ursachen im Bereich von Kommunikation und Kognition und von Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen werden aufgrund der neuen Pflegegradeinschätzung (seit 01.01.2017) auch beachtet und gehen in die Gesamteinschätzung ein. Wenn Kompetenzen des Betroffenen in diesen Bereichen beeinträchtigt sind und hierdurch bestimmte Probleme auftreten, müssen sie nachvollziehbar sein. Genau dafür eignet sich der Pflege- und Betreuungsbericht!

3.11 Dokumentation bei Erweiterung von Maßnahmen

Es ist wichtig, zusätzliche Maßnahmen nicht ohne Begründung durchzuführen, sondern die Ursache für die Notwendigkeit zu analysieren und schriftlich zu begründen. Pflegebedarfe aufgrund eingeschränkter Kompetenzen werden nicht allein deswegen schon berechnet, weil die entsprechend erforderlich werdenden Maßnahmen angeboten und durchgeführt wurden. Es muss vielmehr die Notwendigkeit, also Art und Umfang der Kompetenzeinschränkungen erkennbar sein.

Beispiel

»Herr K. wehrte heute Morgen die Pflegekraft mit der Hand immer wieder ab, schob sie mit den Worten weg: ›Lass mich, ich will nicht unter die Dusche. Heute Mittag kommt meine Mama.‹ Das Duschen wurde ihm daraufhin zwei weitere Male angeboten, da er stark nach Urin roch. Das Motivationsangebot, ihm ein spätes Kaffeetrinken im Garten zu ermöglichen, wirkte nicht. Am Abend wurde eine Ganzkörperwaschung durchgeführt, frische Wäsche für morgen bereitgelegt.«

Auch Maßnahmen, die ansonsten nicht routinemäßig durchgeführt werden, sollten, wenn sie nicht langfristig erforderlich werden, im Pflegebericht dokumentiert werden. So können kurzfristig auftretende Entwicklungen und Zustände im Bereich der Kompetenzen, das Ausmaß an Selbstständigkeit beim Betroffenen sowie angebotene, bzw. durchgeführte Handlungen einschließlich der Entwicklung und Wirkung über den Pflegebericht abgedeckt werden, ohne die Planung jedes Mal zu verändern.

3.12 Dokumentation bei Reduzierung / Wegfall von Maßnahmen

Maßnahmen dürfen auch nicht einfach wegfallen und unterlassen werden, wenn sie in der schriftlichen Handlungsplanung dokumentiert sind. Auch die Unterlassung muss schriftlich begründet sein, da die Planung im Rahmen eines Aushandlungsvertrages zwischen dem Bewohner und der Einrichtung zu einer Art Vertrag wird. Die Begründung der »Nicht- Durchführung« muss innerhalb eines Aushandlungsprozesses zwischen dem Betroffenen und dem Mitarbeiter oder – falls dies nicht möglich ist – auf der Basis einer professionellen Entscheidung und unter Berücksichtigung der individuellen Bewohnerbedürfnisse dokumentiert werden. Hier wird die Ursache für die Unterlassung oder das Abbrechen, der angebotene Kompromiss, die Reaktion des Betroffenen und die Wirkung dokumentiert.

Beispiel

»Bei Frau U. wurde heute die Körperpflege nicht im Bad, sondern im Bett durchgeführt. Frau U. fühlte sich nach eigener Aussage nicht wohl, gab leichten Schwindel an und wollte daher lieber im Bett bleiben, dort pflegerisch versorgt werden. RR war 120/80 mm/Hg.«

3.12.1 Wegfall von Maßnahmen bei bestehender Risikosituation

Bei einer bestehenden Risikosituation sollte ein entsprechendes Angebot zur Behebung des Risikofaktors oder wenigstens zu seiner Reduktion durch die Mitarbeiter gemacht und der entsprechende Handlungsplan in der Pflege- und Betreuungsplanung beschrieben werden. Durch das gezielte und systematische Risikomanagement erfüllen die Einrichtung, bzw. die Mitarbeiter ihre Garantenpflicht. Unterbleiben nun entsprechende Handlungen, kann es zunächst verschiedene Gründe hierfür geben:

Selbstbestimmung des Bewohners: dieser lehnt die Maßnahme bewusst und unter Abwägung seiner Interessen und Prioritäten ab.

In einer Patientenverfügung oder in einer Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase wurde die Maßnahme vom Betroffenen zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt.

Der Betreuer oder Angehörige lehnt eine angebotene oder empfohlene Maßnahme ab

Durch die ursprünglich zur Reduktion eines Risikos geplante Maßnahme wird ein anderes, ggf. noch höheres Risiko erzeugt (z. B. steigendes Sturzrisiko, wenn eine Bewohnerin aufgrund drohender Inkontinenz bei Harndrang übereilt zur Toilette rennt und nun noch stärker sturzgefährdet ist. (= interdependente Wirkung)

Wenn eine Situation eingetreten ist, in der andere Ziele wie z. B. Erhalt eines höchstmöglichen Wohlbefindens nun oberste Priorität haben. (= Sterbesituation)

Dieselbe Regel gilt für ein dauerhaftes Unterlassen oder Reduzieren bzw. Ändern von Maßnahmen.

Somit ist der Bericht das Instrument zur Erkennung solcher Gegebenheiten, zur Begründung der Notwendigkeit der Durchführung veränderter Maßnahmen. Der Pflegebericht ist auch das Instrument zur Darstellung des realistischen Pflegezeitaufwandes und notwendig für die Evaluation der Pflegeplanung. Bei länger als eine Woche andauernden Unterlassungen wird die Prozessplanung angepasst.

3.13 Der Pflegebericht als Pflegeplanungsersatz bei kurzfristigen Problemen und Erkrankungen

Pflegeprobleme oder Krankheiten, die nur kurzfristig auftreten, werden über den Pflegebericht »bearbeitet«. Derartige Zustände, die wahrscheinlich nur wenige Tage bis maximal eine Woche andauern, können hier durch folgende Angaben als »Mini-Ersatz-Pflegeplanung« platziert werden:

Wie sieht das Problem aus? Welche Symptome zeigen sich?

Welche Pflegeprobleme entstehen aus dieser Situation?

Welche Analyseverfahren werden jetzt durchgeführt oder sollen im weiteren Verlauf noch durchgeführt werden?

Welche Maßnahmen wurden eingeleitet?

Welche Beobachtungswerte sind kontinuierlich zu erheben? Wo sollen sie dokumentiert werden?

Sind andere am interdisziplinären Team beteiligten Berufsgruppen zu informieren (z. B. Arzt, Hauswirtschaft, Sozialdienst o. Ä.)?

Fazit

3.14 Der Pflegebericht als integraler Bestandteil der Pflegeplanung

Im Regelkreis der Pflegeprozessplanung wird die Evaluation als ein Teilschritt genannt, der sich unmittelbar an die Durchführung der Pflege anschließt. Dies bedeutet, dass eine Maßnahme niemals durchgeführt wird, ohne die Wirkung auf den Bewohner zu reflektieren ohne auf möglicherweise neu auftretende, bislang nicht vorhandene Probleme oder auf die Entwicklung von Ressourcen zu achten. Derartige Reflexionsprozesse laufen zunächst in der durchführenden Pflegekraft ab; auch ohne bewusste Wahrnehmung wird jeder Pflegende bestimmte Kontrollprozesse und beobachtende Maßnahmen durchführen.

Im Rahmen mündlicher Übergaben werden die erhobenen Ergebnisse auch oft an andere Pflegende weitergegeben. Trotzdem – sowohl die Quantität als auch die Qualität der Weitergabe sind hierbei dem Zufall überlassen, d. h. das Ergebnis der verknüpfenden Informationsvermittlung hängt ab von der Professionalität und dem Interesse des übergebenden Pflegenden sowie vom Interesse der Übernehmenden.

Ein schriftlich geführter Pflegebericht ist hier die geeignete Lösung. Die Informationsweitergabe ist nicht länger personenabhängig, sondern prozessabhängig. Wenn die durchführende Pflegeperson ihre Beobachtungen zu erkannten Problemen, eingeleiteten Analysen und weiterführenden Maßnahmen beschreibt, wird der Pflegeprozess für den übernehmenden Pflegemitarbeiter in einem Teilschritt erkennbar. Die Pflege hat sich an diesem Tag verändert und möglicherweise werden auch für die kommenden Tage Modifikationen erforderlich sein. Die übernehmende Pflegekraft kann nun an die Handlung der Kollegin/des Kollegen anknüpfen und bei der Durchführung der Pflege weiterführende Beobachtungen machen.

Beispiel

Die Pflegekraft, die am Nachmittag die Pflege übernimmt, wird durch diese Eintragung aufgefordert, den Hautzustand sowie die eigenständige Fähigkeit zum und die Umsetzung des Lagerungswechsels durch Frau A. zu überprüfen. Sie erfährt darüber hinaus, dass sie bei nicht ausreichender Kompensation durch Frau A. als weiterführende Maßnahme den Lagerungsplan anlegen soll, um dann intensiviert die Umsetzung einer Druck entlastenden Umlagerung durch Frau A. zu kontrollieren oder ggf. sogar die Anleitung für diese Maßnahme selbst zu übernehmen. Ein Schritt reiht sich in diesem Prozess an den vorangegangenen. Ein aufgetretenes Problem zieht immer direkt Maßnahmen zur Ursachenanalyse und zur Behebung nach sich.

Das nachvollziehbare Aufzeichnen des Handlungs- und Lösungsprozesses in seinem Verlauf steht bei dieser Beschreibung im Vordergrund. Auch wird hier deutlich, dass künftig Maßnahmen zur Prophylaxe durchgeführt werden müssen, wenn das beschriebene Problem häufiger und langfristig auftritt.

Der Pflegebericht ist hier gewissermaßen auch eine Klärungshilfe bei folgenden Fragen:

Sind die in der Pflegeplanung erstellten Maßnahmen geeignet zur Versorgung des Bewohners, zur Prophylaxe potenzieller Störungen und Probleme, zur Reduktion bestehender Probleme und damit zur Wiederherstellung eines möglichst physiologischen Zustandes oder zur Linderung von Beschwerden?

Sind zusätzliche Probleme erkennbar, die in der Pflegeplanung bislang keine Berücksichtigung finden, auf die jedoch akut reagiert werden muss?

Haben sich Ressourcen entwickelt, die eine Veränderung der Planung erfordern?

Wie fühlt sich der Bewohner unter meiner Pflege? Fühlt er sich wohl und in angemessener und professioneller Weise gepflegt?

Sieht der Bewohner die in der Pflegeplanung aufgeführten Probleme als seine Probleme an oder empfinden eher die Pflegenden eine bestimmte Verhaltensweise oder eine Störung als Problem? (In diesem Falle wird der Betroffene sich eher gegen die eingeleiteten Maßnahmen wehren.)

Kann der Betroffene die aufgestellten Ziele als seine Ziele ansehen, ist es sein Wunsch, sie zu erreichen oder stört ihn der vorhandene Zustand nicht? (Auch in diesem Falle wird er die eingeleiteten Maßnahmen ggf. ablehnen.)

Empfindet der Betroffene die eingeleiteten Maßnahmen als akzeptabel? Kann er die Durchführung selbst vornehmen, die Durchführung durch Pflegende akzeptieren oder wehrt er sich dagegen? (Vielleicht sieht er den Sinn nicht ein).

Die Eintragungen im Pflegebericht sind die Basis für den Erkenntnisprozess, der bei der Evaluation stattfinden soll. Ohne Eintragungen in kleineren Abständen wird eine prozessgeleitete, bewohnerorientierte und problem- bzw. ressourcenorientierte Überprüfung und ggf. Modifikation der Pflegeplanung nicht möglich sein.

Fazit

3.15 Der Pflegebericht als Möglichkeit zur Selbstvergewisserung und -reflexion

Die schriftliche Darstellung von Sachverhalten erfordert vor der Niederschrift immer eine gedankliche Überprüfung der zu dokumentierenden Handlung. Der Pflegebericht kann ähnlich wie ein Tagebuch zur Selbstüberprüfung anregen. Indem die Gedanken schriftlich niedergelegt werden müssen, wird die Pflegekraft angehalten, diese zu sammeln, zu strukturieren und hinsichtlich Wahrheit und Berechtigung zu überprüfen (weiteres siehe Kap. 3.15.2):

Waren meine Beobachtungen ausreichend?

Welche Ergebnisse gibt es?

Waren meine Maßnahmen angemessen und wirkungsvoll?

Wie geht es dem Bewohner?

3.15.1 Detaillierte Dokumentation stigmatisierender Begriffe

Bei mündlichen Informationsweitergaben neigen Menschen zum Teil dazu, komplexe Sachverhalte in Sammelbegriffen darzustellen. Detailliertes Wissen, über das sie verfügen, geht verloren. Der Zuhörer erfährt nur den Sammelbegriff und baut sich damit seine eigene Wahrheit und Wirklichkeit (Wirklichkeitskonstruktion). Derartige Sammelbegriffe sind in der Pflege- und Betreuungssituation gefährlich. Sie sorgen dafür, dass der Bewohner in eine »Schublade« gepackt wird; er erfährt eine bestimmte, darauf zugeschnittene Betreuung und Behandlung. Missverständnisse können hierbei auftreten. Wir gehen z. B. mit einem (scheinbar oder tatsächlich) angetrunkenen Menschen anders um als mit einem nüchtern wirkenden.

Die eigene Befindlichkeit der Pflegeperson an diesem Tag wirkt wie ein Filter. Geht es ihr gut, empfindet sie ablehnende oder fordernde Verhaltensweisen des Bewohners z. B. als weniger belastend als an den Tagen, an denen es ihr selbst schlecht geht. Ein solcher Filter führt dann, wenn keine weitere Reflexion einsetzt, zu einer Globalaussage, die die empfundene, d. h. individuelle Wirklichkeit zur tatsächlichen Wirklichkeit macht. Wenn eine Pflegeperson etwa das laute Rufen einer Bewohnerin an diesem Morgen als belastend empfindet, stuft sie möglicherweise diese Frau als egozentrisch ein. Egozentrismus ist jedoch mehr als nur lautes Rufen. Aus einem Symptom, aus einem Anzeichen, wurde hier ein Sammelbegriff, der wie ein Stigma wirkt.

Pflege- und Betreuungskräfte werden im Bericht aufgefordert, Sammelbegriffe oder Begriffe zur Stigmatisierung genauer zu prüfen und durch detaillierte Beschreibungen der wahrgenommenen Situation nachvollziehbar zu machen. (Weiteres siehe Kap. 13.3.)

Beispiel

Diese, auf die tatsächliche Situation sich begrenzende Darstellung, zeigt den Ausschnitt von aggressivem Verhalten, den Frau U. an diesem Morgen zeigte. Damit wird eine Übertragung auf andere aggressive Verhaltensweisen oder die Vermutung, dass Frau U. auch nonverbal, also körperlich aggressiv war, ausgeschlossen. Die Mitarbeiter aus der Pflege prüfen nun, warum Frau U. mit dem Essen unzufrieden war und handeln entsprechend. Damit wird Frau U. jedoch nicht generell und nicht umfassend als aggressiv klassifiziert.

3.15.2 Überprüfung der eigenen Verhaltensweisen

Auch die eigenen Verhaltensweisen werden überprüft. Eine selbstkritische und die eigene Arbeit reflektierende Pflege- oder Betreuungskraft wird sich fragen:

Wie hat sich der Bewohner während meiner Handlung gefühlt (hat er sich wohl gefühlt oder gab es Aussagen oder Anzeichen von Ablehnung, Angst, Unsicherheit, Widerwillen oder anderen Reaktionen? Woran habe ich dies erkannt)?

Habe ich geeignete Maßnahmen zur Lösung von Problemen, zur Linderung von Beschwerden durchgeführt und dies in einer geeigneten Art, in ausreichendem Umfang, in der erforderlichen Zeit, mit der geeigneten Zielsetzung und mit dem Ziel des Erhalts von Ressourcen (oder sogar deren Aufbau)?

Habe ich humane, ethische, wirtschaftliche, ökologische, medizinische und pflegerische Kriterien berücksichtigt?

Habe ich im Bedarfsfall andere Mitarbeiter des interdisziplinären Teams eingeschaltet?

Schreiben, was man weiß

3.16 Grundlagen der MDK-Qualitätsprüfungen in der stationären Pflege gemäß §§ 112, 114 SGB XI

Während einer Kontrolle der Pflegedokumentation evaluiert der MDK auch den Pflegebericht. Untersucht wird er hinsichtlich folgender Frage: »Kann dem Pflegebericht situationsgerechtes Handeln der Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung bei akuten Ereignissen entnommen werden? (MDS 2009b: 46)

Fazit

Der Bericht ist kein Instrument, das leichtfertig und mit einem Schulterzucken abgetan werden kann. Aussagen wie »den brauchen wir nicht …« – »das ist doch alles überflüssiger Schreibkram …« oder: »da steht ohnehin nur Nichtssagendes drin, das kann man sich schenken« zeigen auf bedenkliche Weise, dass unprofessionell und unreflektiert gearbeitet wird. Eine solche Grundhaltung sollte überprüft und geändert werden.

 

4 DER UNTERSCHIED ZWISCHEN MÜNDLICHER UND SCHRIFTLICHER BERICHTERSTATTUNG

Generell können Informationen natürlich auf mündlichem und auf schriftlichem Wege vermittelt werden. Diese beiden Formen werden immer auch parallel den Pflegealltag bestimmen. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen der schriftlichen und mündlichen Berichterstattung:

Tabelle 4: Mündliche und schriftliche Berichterstattung
Mündliche Berichterstattung Schriftliche Berichterstattung
Vorteile:

Pflegende haben wenig Probleme mit der Informationsformulierung und -weitergabe.

Die Informationen können schnell und ohne Vorbereitungen (wie etwa Einloggen in den Computer oder Aufschlagen des Pflegeberichts) weitergegeben werden.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842688827
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juni)
Schlagworte
Betreuung Betreuungsberichte NBA NBI Pflegeberichte Pflegedokumentation Pflegefachkraft Altenpflege

Autor

  • Angela Paula Löser (Autor:in)

Angela Paula Löser ist Diplom-Pädagogin (Dr. phil.), Lehrerin für Pflegeberufe, Fachkrankenschwester für Pflege in der Onkologie und in Palliative Care, Interne Auditorin sowie freiberufliche Dozentin. Sie verfügt seit über 30 Jahren über praktische Erfahrungen in der Pflege und Betreuung, arbeitet seit 20 Jahren als Dozentin und seit 14 Jahren als Beraterin in der stationären Altenpflege, insbesondere in der Vorbereitung auf MDK-Prüfungen. »Ob traditionelle Pflegeplanung im AEDL-System oder entbürokratisierte mit SIS, wichtige Informationen müssen weitergegeben werden. Pflegeberichte bleiben daher auch in der Zukunft ein Kernstück jeder Prozessplanung.«
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Titel: Pflege- und Betreuungsberichte professionell schreiben