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Rückerts kleine Rückenschule

Effektives Training für einen starken Rücken

von Uwe Rückert (Autor:in)
136 Seiten

Zusammenfassung

Diese Rückenschule hilft, langfristig schonende Verhaltensweisen zu lernen, Rückenbeschwerden vorzubeugen und Problemen entgegenzuwirken. Der Rückenexperte Uwe Rückert erklärt, wie man nicht nur körperliche Verspannungen löst, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden steigert. Mit den neuesten ergonomischen Erkenntnissen für zu Hause und den Arbeitsplatz.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon die Sprache zeigt es: Man „geht aufrecht durchs Leben“, jemand „geht mit einem breiten Kreuz“ oder „hat Rückgrat“.

Aber egal was auf uns einwirkt, ob finanzielle Schwierigkeiten, Krankheit, Ärger mit der Familie oder im Beruf – immer finden die Probleme ihren sprachlichen wie körperlichen Ausdruck im Rücken: Man bekommt „Nackenschläge“ oder „einen Schlag ins Kreuz“. Niemand geht mit einer starken Hüfte oder mit einem starken Schienbein durchs Leben. Im Extremfall hat einem etwas sogar „das Genick gebrochen“. Man kann für etwas „den Buckel hinhalten“, aber nicht den Oberschenkel; manches nimmt man „auf die leichte Schulter“, aber die schweren Dinge des Lebens, die wirklich belasten, „gehen auf das Kreuz“, also auf den Rücken und die Wirbelsäule.

Seit mehr als zehn Jahren helfe ich Menschen mit Rückenschmerzen. Oft handelt es sich um Schmerzen, die nach Operationen oder nach Unfällen und Wirbelknochenbrüchen auftreten. Häufig jedoch ist weder das eine noch das andere die Ursache für das Leiden. Es muss auch nicht die schwere Arbeit auf der Baustelle, in der Landwirtschaft oder Industrie sein, die zu Rückenbeschwerden führt: Selbst leichte körperliche Tätigkeiten wie einfach nur Bildschirmarbeit sowie krankmachender Stress durch Telefonate und Termine, wenig Bewegung, kaum Ausgleichssport und immer wiederkehrende Muskelverspannungen können zu schmerzhaften Rückenbeschwerden führen. So entwickelt sich ein Kreislauf, aus dem man ohne fremde Hilfe nur noch schwer herausfindet.

Aus meiner Erfahrung mit den vielfältigen Arten von Rückenleiden und der Arbeit in der Ausbildung der Rückenschullehrer entstand dieser Ratgeber. „Rückerts kleine Rückenschule“ soll Ihnen helfen, mit Ihren Rückenbeschwerden besser zurechtzukommen, im Alltag Erleichterung zu finden und durch Übungen den Rücken und die Muskulatur zu kräftigen.

Nicht jeder Rückenschmerz muss sofort vom Arzt behandelt oder gar per Computertomografie überprüft werden. Häufig handelt es sich aber um ein Warnsignal Ihres Körpers: „Pass auf, so geht es nicht weiter“. Nehmen Sie diese Signale ernst, helfen Sie Ihrem Körper und Ihrer Rückengesundheit, bevor Ihnen schlimmere Schäden bevorstehen.

Ein starkes Kreuz führt auch zu einem gestärkten Selbstbewusstsein. Suchen Sie sich eine rückenfreundliche Sportart, die Ihnen Spaß macht – denn nur dann hilft sie Ihnen auch – und bleiben Sie ihr treu. Wenn Sie sich nur bewegen, weil Ihr Arzt es verordnet hat, werden Sie nicht lange dabeibleiben. Ohne Freude an der Bewegung geht es nicht! Suchen Sie auch nach Entspannungsmöglichkeiten: Stellen Sie sich Ihr eigenes Rückenprogramm zusammen, nehmen Sie einmal in der Woche einen Rückentag. Hören Sie nicht auf, wenn Sie schmerzfrei werden, sondern machen Sie unbedingt weiter. Pflegen Sie Ihren Rücken Ihr ganzes Leben lang, denn er wird es Ihnen danken.

Ihr

Uwe Rückert

Das Kreuz mit dem Kreuz

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt – nahezu jeder Bundesbürger hat irgendwann einmal zumindest vorübergehend Kummer mit der Wirbelsäule, insbesondere mit den Bandscheiben. Millionen leiden jedoch unter zermürbendem chronischem Kreuzschmerz. Bewegungsarmut ist der Hauptgrund für solche Beschwerden. Denn der Mensch von heute bewegt sich viel weniger als noch vor etwa hundert Jahren. Die fatalen Folgen dieser Entwicklung: Die Muskulatur verkümmert, die Bandscheiben werden in Mitleidenschaft gezogen. Besonders schlimm ist, dass viele Patienten durch jahrelange Schmerzzustände auch seelisch immer weniger belastbar werden. So stellen sich aufgrund von Rückenschmerzen vegetative Beschwerden und depressive Verstimmungszustände ein, die sehr schwierig zu behandeln sind.

Und dabei trifft es keineswegs nur ältere Menschen. Bei Erhebungen in der Bundesrepublik wurden bereits bei 65 % der Jugendlichen mehr oder weniger starke Haltungsschäden festgestellt. Am häufigsten betroffen ist jedoch ohne Frage die Altersgruppe zwischen 30 und 65 Jahren.

Nahezu 25 % aller Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten sind auf Rückenleiden zurückzuführen. Fast vier Millionen Arbeitnehmer lassen sich jährlich aufgrund von Schmerzzuständen an der Wirbelsäule krankschreiben, was statistisch rund 150 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage ausmacht. Schätzungen zufolge belaufen sich die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten infolge von Rückenschmerzen auf rund 18 Milliarden Euro pro Jahr.

Wie man durch vorbeugende Maßnahmen Geld sparen kann, haben schwedische Ärzte schon vor vielen Jahren erkannt. Diese waren es nämlich, welche die sogenannten Rückenschulen ins Leben gerufen haben, in denen Übungen und Informationen vermittelt werden, die bestehende Beschwerden lindern und krankhafte Veränderungen an der Wirbelsäule gar nicht erst aufkommen lassen sollten. Das vielversprechende Konzept wurde von deutschen Orthopäden schon bald übernommen. Denn erste Studien hatten gezeigt:

Der Erfolg der Rückenschulen von heute beruht vor allem darauf, dass sich die Kursteilnehmer besser mit ihrem Körper auskennen und später sinnvoller belasten, sich aufrechter halten, vernünftiger sitzen, wirtschaftlicher heben können.

So erfahren Gesunde und Kranke zu Beginn eines Kurses zunächst einmal etwas über die anatomischen Verhältnisse, Funktionen und Aufgaben von Wirbelsäule, Bandscheiben und Rückenmuskulatur. Am sinnvollsten wird dieses Wissen von Spezialisten vermittelt – nämlich von Ärzten, vor allem von Orthopäden. Das Problem dabei: Wie sollten die in Deutschland praktizierenden orthopädischen Fachärzte zusätzlich zu ihrer Arbeit das Millionenheer der Lernwilligen betreuen? Deshalb ist es vernünftig und wünschenswert, dass sachkundige Helfer wie Krankengymnasten, Sportlehrer oder Physiotherapeuten als autorisierte Rückenschullehrer zu dieser effektiven Gesundheitserziehung beizutragen.

Hilfreich dabei ist die Tatsache, dass es inzwischen auch einen einheitlichen Lehrplan gibt, der von der Konföderation der deutschen Rückenschulen (KddR) vorgelegt wurde. Dies ist möglich geworden, nachdem sich die neun führenden deutschen Rückenschulverbände zur Konföderation zusammengeschlossen haben. Der jetzt eingeführte verbindliche „Lehrplan“ enthält neue Richtlinien für die Kursinhalte nach dem ganzheitlichen Ansatz der „Neuen Rückenschule“ und findet durch Krankenkassen, Fachverbände und das Bundesgesundheitsministerium breite Unterstützung.

Wenn Sie gerne einen Rückenschul-Kurs besuchen möchten, fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach. In der Regel übernehmen diese einen Großteil der Kosten im Rahmen einer Präventionsmaßnahme einmal jährlich.

Die zehn goldenen Regeln der Rückenschule

Die Wirbelsäule – topstabil und optimal beweglich

Obwohl die Wirbelsäule wie eine Zeltstange oder der Mast eines Segelschiffes mitten durch den Körper geht, kann man sie bei den meisten Menschen ertasten und auch sehen: Die sogenannten Dornfortsätze – der Wirbelkörper – scheinen durch die Haut nach außen, wenn sie sich nicht, vor allem bei korpulenten Menschen, unter einer Fettschicht verbergen. Mit etwas Geschick und Fingerfertigkeit lassen sie sich sogar abzählen, sodass man etwa Hals-, Brust- und Lendenwirbel gut unterscheiden kann. Nach ihrer Lage, Größe und Beschaffenheit unterscheidet man

Der einzelne knöcherne Wirbelkörper hat eine zylindrische Form. Seine Ausmaße variieren allerdings, je nachdem welche Aufgabe er zu erfüllen hat. So müssen die Halswirbelkörper lediglich den Kopf tragen und sind entsprechend kleiner. Der unterste Lendenwirbelkörper, welcher der größten Belastung ausgesetzt ist, ist auch der stärkste und gewichtigste.

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Abb. 1: Die Wirbelsäule

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Abb. 2: Der Wirbel von vorn (links) und der Wirbelaufbau von oben (rechts).

An der rückwärtigen Seite trägt jeder Wirbelkörper einen Wirbeldorn oder Dornfortsatz, an welchem kräftige elastische Rückenmuskeln befestigt sind und dessen Höcker sich am Rücken abtasten lässt. Zwischen dem Wirbelkörper und seinem schützenden Dornfortsatz befindet sich ein Loch. Da die Wirbelkörper an dieser Stelle übereinanderliegen, entsteht eine Art Rohrleitung – der Wirbelkanal. Wie in einem Kabelschacht am Computer die wichtigen Zuleitungen von Maus und Tastatur verlaufen durch den Wirbelkanal Hunderttausende von Nervenbündeln, nämlich das äußerst empfindliche Rückenmark, durch das vom Gehirn über elektrische Impulse unzählige Funktionen im gesamten Organismus gesteuert werden.

Untereinander sind die Wirbelkörper gelenkig verbunden, sodass die kleinste Bewegungseinheit aus zwei gelenkigen Wirbelkörpern besteht, die gegeneinander durch eine Bandscheibe abgepuffert sind. Ohne dieses Polster würden die knöchernen Wirbelkörper sehr schnell verschleißen und beim Aufeinanderprallen zersplittern. Aber entgegen der landläufigen Meinung, die Wirbelkörper seien totes Material, befinden sie sich in einem ständigen Auf-, Ab- und Umbau. Im Durchschnitt wird jeder Wirbel etwa alle drei Jahre runderneuert. Nur so ist es möglich, dass gebrochene Wirbel auch wieder zusammenheilen können.

In ihrer Gesamtheit ähnelt die Wirbelsäule der Gräte eines Fisches, was sich in ihrer volkstümlichen Bezeichnung, nämlich Rückgrat, auch niederschlägt. Ein anderes Beispiel aus der Tierwelt macht die Bedeutung der Wirbel für die Beweglichkeit eines Körpers besonders deutlich: So besitzen die gelenkigen Würgeschlangen wie Boas und Pythons bist zu 400 Wirbelkörper – am meisten von allen Lebewesen.

Die Wirbelsäule hat zwei sich anscheinend widersprechende Aufgaben: Zum einem für eine Top-Stabilität, und zum anderen für optimale Beweglichkeit zu sorgen. Diesen Funktionen kann sie nur durch eine geniale Konstruktion aus Gelenken, Bandscheiben, Bändern und Muskeln gerecht werden: Obwohl sie als Säule bezeichnet wird, weist die Wirbelsäule beim Menschen von der Seite gesehen nach vorn und hinten S-förmige Krümmungen auf. So wird es möglich, Belastungen elastisch abzufangen. Damit ist sie stark genug, um das gesamte Körpergewicht zu tragen, aber auch biegsam genug, um die Bewegungen von Armen und Beinen zu unterstützen und belastenden Ansprüchen gerecht zu werden. Nur durch die Doppel-S-Form können Erschütterungen, etwa beim Springen oder beim Laufen auf hartem Boden, aufgefangen werden. Wie eine Sprungfeder dämpfen diese Krümmungen Stöße und Drücke ab, wie sie zum Beispiel beim Heben von Lasten entstehen. Anschließend nimmt diese „Feder“ wieder ihre ursprüngliche Form an.

Die Bandscheiben: Stoßdämpfer gegen Brüche

Die Bandscheiben sitzen als eine Art Stoßdämpfer in der Wirbelsäule zwischen den knöchernen Wirbelkörpern und dienen dazu, den Druck, der auf den Wirbeln lastet, aufzufangen und zu verteilen. Sie bestehen aus einem äußeren Knorpelring und einem inneren Gallertkern und sind besonders elastisch. Unter Belastungen und Druck schrumpfen sie tagsüber etwas zusammen, sodass man tatsächlich am Abend ein wenig kleiner ist als am Morgen. Mit einem sogenannten Accelerometer, einem Gerät, mit dem sich Erschütterungen exakt nachmessen lassen, kann man die Belastungen der Wirbelsäule beim Gehen, Springen und Autofahren kontrollieren. Springt man beispielsweise von einer nur einen halben Meter hohen Mauer, hat die Wirbelsäule beim Aufprall das Sechsfache des Körpergewichts zu verkraften! Dagegen schlägt das Messgerät kaum aus, wenn eine Versuchsperson mit flachen Absätzen über harten Kunststoffboden geht. Aber immerhin erhöht sich das auf die Lendenwirbel drückende Körpergewicht dadurch um die Hälfte.

Ein Test mit hohen Absätzen ergibt dagegen erschreckende Resultate: Stakst man mit einem Hohlkreuz auf hohem Fuß daher, steigt das Gewicht, das auf die Wirbel drückt, um das Doppelte, beim Treppensteigen sogar um das Dreifache. Frauen, die jahrelang aus übertriebenem Modebewusstsein über harte Böden auf High Heels laufen, muten ihrer Wirbelsäule täglich tausendfache Stöße von einer Stärke zu, die zu beachtlichen Wirbelsäulenschäden führen können.

Vorsicht ist vor allem beim Springen geboten. Gefährlich wird es dann, wenn der Springende, wie oft beim Training an Turngeräten beobachtet, ins Hohlkreuz geht. Diese Gefahr besteht auch bei einem Sprung ins Wasser mit Hohlkreuzhaltung. Bei einem Sturz auf das Gesäß drücken in Bruchteilen von Sekunden sogar 500 bis 750 kg – also etwa das Gewicht von mindestens zehn Zentnersäcken Kartoffeln – auf Becken und Gesäß. Diese enorme Kraft entspricht der Beanspruchung der Wirbelsäule eines Piloten, der sich per Schleudersitz aus dem Flugzeug katapultiert.

Autositze sind zwar keine Schleudersitze, aber die anhaltende Belastung während stundenlanger Autofahrten ist kaum geringer als beim – meist unfreiwilligen – Ausstieg eines Piloten. Die Stöße und Schwingungen während einer normalen längeren Autofahrt bilden bereits eine Gefährdung. Deshalb sollte man im Autositz leicht zurückgelehnt in einem Winkel von 20 bis 30 Grad Platz nehmen und die Wirbelsäule dabei gestreckt halten.

Mit Muskeln protzen

Wenn Menschen nach wochenlanger Krankheit wieder aufstehen dürfen, sind sie fast immer schwach und wacklig auf den Beinen: Es ist erklärlich, dass sich der Kreislauf erst langsam wieder an die neuen Bedingungen – das Aufrechtgehen – anpassen muss. Häufig sind aber auch die Muskeln des Patienten regelrecht verkümmert. Denn vor allem benötigt die Muskulatur Bewegung, um leistungsfähig und geschmeidig zu bleiben.

Rückenprobleme entstehen zumeist durch anhaltenden Mangel an Bewegung. Die Muskulatur erschlafft und kann die Wirbelsäule nicht mehr ausreichend stützen. Fehlhaltungen und Verspannungen sind die Folgen, und falsche Belastungen können zu vorzeitigen Abnutzungserscheinungen an Wirbeln und Gelenken führen.

Nur eine straffe Rückenmuskulatur gibt der Wirbelsäule den dringend notwendigen Halt wie ein natürliches Korsett. Ein gezielter Muskelaufbau gehört deshalb zu den Grundprinzipien der Rückenschule.

Rund 600 Muskeln verschiedenster Form und unterschiedlicher Beschaffenheit sind dafür zuständig, den Körper beweglich und in Form zu halten. Es gibt breite und platte, spindelförmige, einfach und doppelt gefiederte Muskeln. Je nachdem was sie zu leisten haben, bestehen einige aus mehreren Teilen oder sogenannten Köpfen. Am Bewegungsapparat arbeiten quer gestreifte Muskeln, an den Organen glatte Muskeln.

Für schnelle Bewegungen, etwa für einen Hundert-Meter-Lauf oder das Anheben einer Getränkekiste, sind große weiße Muskelfasern zuständig. Die Fasern der Haltemuskeln, die beispielsweise die Wirbelsäule abstützen, sind dagegen klein und rötlich gefärbt. Die roten Muskeln sind immer in Bewegung, rund um die Uhr – selbst wenn Sie nur einen Bleistift hochheben oder sich nachts im Bett umdrehen. Für einen gesunden Rücken müssen beide Muskeltypen immer wieder gefordert werden.

Kräftigendes Muskeltraining ist übrigens bis ins hohe Alter möglich. Man muss aber wissen, dass sich die Muskeln durch gymnastische Übungen oder Krafttraining nur etwa zwei Tage lang aufbauen und der erzielte Trainingserfolg nach etwa einer Woche wieder nachlässt. Will man also kontinuierlich seine Muskulatur stärken, ist es notwendig, mindestens zweimal, besser noch dreimal wöchentlich ein Bewegungsprogramm zu absolvieren. Wer keine Gelegenheit für gezieltes Training findet, kann trotzdem viel tun: Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren, stramm spazieren gehen und vom Schreibtisch im Büro immer mal wieder aufstehen und ein paar Schritte gehen.

Keine Chance dem Muskelkater

Muskelkater entsteht, wenn Sie sich beim Sport oder einer ungewohnten körperlichen Tätigkeit zu sehr anstrengen. Sie können ihn vermeiden, indem Sie folgende Tipps befolgen:

Erkrankungen der Wirbelsäule

HWS-Syndrom

Kribbeln und „Ameisenlaufen“ in Händen und Armen, Kopf- und Nackenschmerzen – oft steckt die Halswirbelsäule, abgekürzt HWS, dahinter. Solche Symptome sind immer ein Zeichen dafür, dass Nerven und auch Blutgefäße beeinträchtigt sind. Denn an den kleinen Gelenken der Halswirbelsäule treten – genau wie an allen anderen Gelenken – mit zunehmendem Alter Verschleißerscheinungen auf. Die HWS ist dann nicht mehr so beweglich, die Wirbelkörper drücken empfindlich auf Nervenwurzeln und behindern die Blutzufuhr. Schmerzen dieser Art können aber auch ganz anderer Natur sein. Wenn Augenflimmern und Ohrgeräusche hinzukommen, mag man an Migräne denken, und Störungen im HWS-Bereich können sogar zu Herzbeschwerden und Bluthochdruck führen.

Schleudertrauma

Eindeutiger ist das Schleudertrauma, weil man meist die Vorgeschichte kennt. Bereits ein leichter Auffahrunfall kann ausreichen, um solche Beschwerden auszulösen. Dabei wird die Halswirbelsäule ruckartig vor- und zurückgerissen. Die Bänder im Nacken werden gewaltsam gedehnt, sie schwellen an und verursachen Kopfschmerzen und Nackensteife.

Früher wurde die Halswirbelsäule bei Betroffenen sofort mit einer als Halskrause bezeichneten Bandage (Fachbegriff: „Schanzkrawatte“) ruhiggestellt, um die Verletzung auszukurieren. In mehreren Studien hat man herausgefunden, dass diese Maßnahme oft mehr schadet als nützt. Der Grund hierfür ist vor allem die Tatsache, dass Muskeln, die man nicht beansprucht, schon nach kurzer Zeit verhärten und unbeweglich werden. Nach dem Tragen der Halskrause folgt daher ein langwieriger Prozess, um die Nackenmuskeln wieder aufzubauen und beweglich und geschmeidig zu machen. Gezielte Krankengymnastik und Haltungsübungen aus der Physiotherapie bringen in der Regel schnellere Linderung. Es ist auch sinnvoll, sich vom ersten Tag an möglichst viel zu bewegen. Dabei sollten Sie Ihren Bewegungsspielraum selbst bestimmen – tun Sie, was Ihnen gut tut! Die zum Teil starken Schmerzen können durch Medikamente gelindert werden. Zwei Wochen nach dem Unfall sind die meisten Patienten wieder arbeitsfähig.

Bei Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule reicht in 90 % aller Fälle eine Röntgenaufnahme aus, um ein Schleudertrauma exakt zu diagnostizieren. Muss es dann doch eine Schanzkrawatte sein, was der Arzt individuell entscheiden muss, sollten Sie folgende Tipps beherzigen: Auf jeden Fall sollte die Stütze nie länger als drei Wochen getragen werden. Nachts darf man sie abnehmen.

Hexenschuss

Als Hexenschuss (Lumbago) bezeichnet der Volksmund den typischen plötzlichen Schmerz, den man sich häufig durch ruckartiges Heben von schweren Gegenständen zuzieht. Dabei verkrampft sich die Lendenmuskulatur und es kommt zur Reizung der Nerven, die die Wirbelsäule selbst versorgen, das Bücken wird völlig unmöglich, Stehen und Gehen bereiten eine solche Qual, dass man nur noch liegen kann, am besten mit angezogenen Knien.

Meist sind es ungeschickte oder ungewohnte Bewegungen, die – im Zusammenhang mit vorgeschädigten Bandscheiben – zu einem Hexenschuss führen können. Ursache kann aber auch eine Erkältung oder Verkühlung sein. Treten Lähmungserscheinungen (Bandscheibenvorfall) auf, suchen Sie unverzüglich die nächste Klinik auf!

Beim Hexenschuss handelt es sich um eine akute muskuläre Verspannung, die häufig nach spontanen Verdrehungen der Lendenwirbelsäule oder auch beim ruckartigen Heben von Lasten auftritt. Diese Beschwerden sind bewegungsabhängig – vermindern sich also in Ruhe – und führen nicht zu einer Reizung oder Beschädigung der Nervenwurzel. Durch das „verknackste“ Kreuz kommt es zur typischen Zwangsfehlhaltung. Menschen mit angeborener Wirbelkörperschwäche und schlecht entwickelter Rückenmuskulatur sind besonders häufig betroffen.

Die quälenden Schmerzen lassen sich sehr gut durch wärmende Auflagen wie Arzneipflaster oder Salben lindern. Auch Rotlichtbestrahlungen sind günstig: zwei- bis dreimal täglich für jeweils zehn Minuten. Moorbrei, zuhause als Konzentrat anwendbar, ist ebenfalls empfehlenswert. Die warme Moorpackung, die auf die verspannte und verkrampfte Muskulatur gelegt wird, fördert die Durchblutung. Dadurch werden die körpereigenen Abwehrkräfte mobilisiert und Stoffwechselschlacken abtransportiert.

Patienten, die zu häufigem Hexenschuss neigen, sollten sich nach längerem Stillsitzen, aber auch vor dem Tragen und Anheben schwerer Gegenstände ausgiebig recken und strecken. Durch solche Dehnübungen kann man die geschädigte Wirbelsäule auf die kommende Belastung behutsam vorbereiten. Halten Sie sich ständig gut warm!

Ischialgie

Die peinigende Ischialgie wird oft durch ungeschickte Bewegungen und Unterkühlung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (abgekürzt LWS) ausgelöst, oder auch dadurch, dass der Ischiasnerv zwischen zwei Wirbeln eingeklemmt wird.

Der Ischiasnerv verläuft beidseitig von der Hüfte an der Außenseite des Oberschenkels über die Kniekehle herab zum Fuß. In der Regel ist aber nur ein Bein betroffen. Dabei treten entlang der Nervenbahn äußerst heftige brennende und stechende Schmerzen auf, und zwar nicht nur, wenn das Bein bewegt wird, sondern auch, wenn man auf das Bein von außen einen leichten Druck ausübt. Durch Husten, Niesen und Lachen verschlimmern sich die Beschwerden.

Bei unklarer Diagnose kann durch bildgebende Untersuchungsverfahren (Röntgen, Computertomografie, Magnetresonanztherapie) herausgefunden werden, welche Wirbel die Nervenreizung auslösen, ob ein Verschleiß dieser Wirbel oder etwa ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Achtung: Ischiasbeschwerden werden leicht chronisch. Besuchen Sie am besten eine Rückenschule, wenn Ihre Beschwerden es zulassen.

Bandscheibenerkrankungen

Andauernde Fehlbelastungen der Bandscheiben, zum Beispiel durch langes Sitzen in falscher Körperhaltung, oder berufsbedingtes Hochheben schwerer Lasten in vornüber gebeugter Haltung kann zur Schädigung der Bandscheiben führen: Sie laugen regelrecht aus und werden nicht nur spröde und flacher, sondern auch zwischen den Wirbeln herausgequetscht. Von allein regenerieren sich die Bandscheiben nicht, weil sie nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden.

Bandscheibenschäden zählen zu den 20 Hauptdiagnosen, die bei Männern zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus führen. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2007 wurden allein 77865 männliche Patienten aufgrund dieser Diagnose behandelt. In der Liste der 20 Hauptdiagnosen, die bei Frauen zu einer Klinikeinweisung führen, tauchen die Bandscheibenschäden dagegen gar nicht auf. Dafür schlagen bei den weiblichen Patienten die Hüftgelenksarthrosen mit 94709 Fällen zu Buche.

Die häufigsten Bandscheibenerkrankungen kommen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor, da die Bandscheiben in dieser Region den größten Belastungen ausgesetzt sind. Je nach Körperhaltung kommt es zu unterschiedlich großen Belastungen auf die Bandscheiben:

im Liegen:

25 kg

im Stehen:

100 kg

bei vornüber gebeugtem Stehen:

200 kg

bei entspanntem Sitzen:

50 kg

bei aufrechtem Sitzen:

90 kg

bei vornüber gebeugtem Sitzen:

175 kg

bei körpernahem Heben von 20 kg:

330 kg

bei vorgebeugtem Heben von 20 kg:

500 kg

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Abb. 3: Die häufigsten Bandscheibenerkrankungen kommen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor.

Wenn eine Bandscheibe zwischen den Wirbeln heraustritt, spricht man von einer Bandscheibenvortreibung (Protrusion). Dabei bleibt der den gallertartigen Kern umschließende Knorpelring erhalten. Reißt der Ring jedoch an einer Stelle ein und bricht auf, so spricht man von einem Bandscheibenvorfall (Prolaps). Dieses Ereignis wird von heftigen Schmerzen begleitet, weil die vorgefallene Bandscheibe fast immer Nervenwurzeln einklemmt, die aus dem Rückenmark kommend zwischen den Wirbelkörpern austreten. Je nachdem welcher Wirbel betroffen ist, treten dabei sogar Gefühlsstörungen und Bewegungsunfähigkeit auf.

Gelenkerkrankungen

Jeder Mensch, der älter als 50 ist, hat bereits Gelenkarthrosen. Allerdings sind diese Verschleißerscheinungen vielfach so gering, dass sie keine Beschwerden verursachen. Von den Millionen Rheumatikern in der Bundesrepublik leiden jedoch nach Schätzungen etwa 60 % unter Arthrosen.

Diese oft äußerst schmerzhaften Verschleißerkrankungen entstehen unter anderem durch Fehlstellungen der Gelenke, Übergewicht, sportliche und berufliche Überlastung, Lähmungen, Verrenkungen und Zerrungen. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Gicht und Gelenkknorpelverkalkung sind beteiligt. Meist beginnt die Abnutzung im Gelenkknorpel durch eine krankhafte Veränderung der Knorpelsubstanz. Die verminderte Wasserbindungsfähigkeit und der ebenfalls nachlassende Quelldruck der Knorpelsubstanz verringern die Belastbarkeit des Knorpels. Krafteinwirkungen führen dann zu Einrissen auf der Knorpeloberfläche. Im schlimmsten Fall scheuert sich der gesamte Gelenkknorpel weg, und es kommt zu massiven Gelenkkapselveränderungen.

Obwohl die Wirbelgelenke im Vergleich zu Knie- oder Schultergelenk recht klein sind, können sie sich genauso wie die großen Gelenke verändern und arthrotisch werden. Ihre Beweglichkeit und die Belastbarkeit nehmen ab, Schmerz tritt auf. Betroffene nehmen meist eine Schonhaltung ein, und automatisch kommt es zu schlechter Haltung mit krummem Rücken. An den gereizten Gelenkflächen tritt ein vermehrtes Zellwachstum auf, so entstehen Verformungen und Versteifungen der Wirbelkörper. Dabei handelt es sich um nichts anderes als ein Selbstschutzprogramm des Körpers: Denn vielfach nehmen bei älteren Menschen die Bewegungsschmerzen ab, weil die abgescheuerten Gelenkflächen nicht mehr aufeinanderreiben. Aber das ist nicht immer so. Der Verschleiß macht sich leider auch durch typische Ruheschmerzen, die vielen Patienten den Schlaf rauben, und Anlaufschwierigkeiten in den frühen Morgenstunden bemerkbar.

Morbus Bechterew

Bei Morbus Bechterew (auch Spondylitis ankylosans) handelt es sich um eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung an den Wirbelkörpern, die von der Knochenhaut auf die Sehnen und Bänder der Wirbelsäule übergreift. In diesen Bereichen kommt es dann zu Versteifungen, die zu Bewegungseinschränkungen im unteren Rücken und in den Hüften führen.

Der Morbus Bechterew befällt Frauen und Männer gleichermaßen häufig, verläuft bei Frauen allerdings meist viel milder. Er beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und kommt in Familien gehäuft vor. In 90 % aller Fälle findet man bei einer Blutuntersuchung den sogenannten Rheumafaktor HLA-B27, eine Tatsache, die darauf hinweist, dass das Leiden erblich bedingt ist. Es gibt allerdings viele Menschen, die diesen Rheumafaktor im Blut haben, aber niemals die Bechterew-Krankheit bekommen.

Osteoporose

Knochenschwund oder Osteoporose ist die weltweit häufigste Erkrankung der Knochen: Das Skelett verliert seine stützende Kraft, wird brüchig oder verformt sich.

Ein gesunder Mensch trägt rund 1500 g Calcium in seinem Knochengerüst. Dieser Mineralstoff ist zusammen mit dem Eiweiß Kollagen der wichtigste Baustoff unserer Knochen. Sie bestehen aus lebendem Gewebe, wachsen und passen sich unterschiedlichen Belastungen optimal an. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie genügend Baumaterial bekommen. Eine calciumreiche Ernährung, Vitamin D und viel Bewegung sind deshalb die besten Vorsorgemaßnahmen gegen Knochenschwund – aber auch wenn der Abbau bereits begonnen hat, lässt er sich bremsen und teilweise wieder ausgleichen.

Ab dem 35. bis 40. Lebensjahr beginnt der Alterungsprozess, und der Mensch verliert langsam Knochenmasse: Pro Jahr schwinden rund 1 bis 1,5 %. Das ist bei gesunden Knochen kein Grund zur Besorgnis. Gefährlich wird es jedoch, wenn die Knochenmasse vorher schon zu dünn war oder der Abbau schneller voranschreitet.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869104355
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2012 (August)
Schlagworte
Alternativ-Medizin Fitness Gesundheits-Ratgeber Nacken-Schmerzen Schulter-Schmerzen

Autor

  • Uwe Rückert (Autor:in)

Uwe Rückert, Jahrgang 1963, ist Facharzt für Orthopädie und Sozialmediziner. Der gebürtige Rheinländer arbeitet als Ärztlicher Direktor der Klinik Solequelle (www.klinik-solequelle.de), Orthopädische Fachklinik für Rehabilitation in Bad Westernkotten (NRW). Neben zahlreichen Fachveröffentlichungen ist der Ratgeber „Rückerts kleine Rückenschule“ bei humboldt erschienen. Uwe Rückert lebt in Hamburg, ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.
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Titel: Rückerts kleine Rückenschule