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Prophylaxen für die Pflegepraxis

Risiken und Symptome erkennen - kompetent vorbeugen

von Kay Peter Röpke (Autor:in)
100 Seiten
Reihe: pflege kolleg

Zusammenfassung

Pflegekräfte wissen es längst: Um Erkrankungen
oder schädlichen Ereignissen vorzubeugen, muss man
wissen, wie diese entstehen, wo Gefahren drohen,
wer besonders gefährdet ist – und vor allem, was
zu tun ist.

Dieser Ratgeber erläutert alle wichtigen Prophylaxen
kurz und prägnant anhand von vier Fragen:
1. Welche Gefährdungen gibt es?
2. Wer ist besonders gefährdet?
3. Was sind die Risikofaktoren?
4. Welche Maßnahmen der Prophylaxe gibt es?
Alle Prophylaxen sind alphabetisch sortiert, um das
Nachschlagen zu erleichtern. So hilft der Ratgeber
schnell, kompetent und fachlich korrekt zu handeln.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Definition Prophylaxe

Unter »Prophylaxe« versteht man in der Medizin und Pflege schlicht die Vorbeugung, also die Verhinderung einer Erkrankung oder eines schädlichen Ereignisses.

Damit Sie etwas verhindern können, müssen Sie natürlich wissen, warum es entsteht, wo Gefahren drohen, wer besonders gefährdet ist – und schlussendlich sollten Sie auch noch wissen, was nun zu tun ist.

Es gibt große und umfangreiche Bücher, die sich mit den Prophylaxen in der Pflege befassen. Doch genau das war nicht Ziel dieses Buches. Es geht nämlich auch einfacher. (An dieser Stelle möchte ich mich wieder einmal bei meiner wirklich tollen Lektorin, Claudia Flöer von der Schlüterschen Verlagsgesellschaft bedanken) – Mit vier Fragen nähere ich mich jeder einzelnen Prophylaxe und sage kurz und prägnant, was Sie wissen und tun müssen:

1.Welche Gefährdungen gibt es?

2.Wer ist besonders gefährdet?

3.Was sind die Risikofaktoren?

4.Welche Maßnahmen der Prophylaxe gibt es?

Sie finden hier also kein Lehrwerk im herkömmlichen Sinne, sondern eine praktische Hilfe für Ihren pflegerischen Alltag – mittlerweile in der 4., aktualisierten Auflage! Ich habe die Prophylaxe auch nicht nach Gebieten, sondern alphabetisch sortiert, damit Sie schnell zum Wesentlichen kommen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine lehr- und erkenntnisreiche Lektüre!

 

Bremen, im März 2019 Kay Peter Röpke

1.1Grundlagen

Definition Aspiration

In der Medizin bezeichnet man das Eindringen von Flüssigkeit oder festen Stoffen in die Atemwege bis unter den Kehlkopf bei unzureichendem Hustenreflex als »Aspiration«.

Der normale Schluckvorgang setzt sich aus mehreren Einzelvorgängen zusammen. Die Nahrung wird im Mund zerkleinert, mit Speichel vermischt und in kleinere Portionen aufgeteilt. Diese werden Richtung Gaumen geschoben, wo der Schluckreflex ausgelöst wird.

Gelangt ein Teil der Nahrung nicht in die Speiseröhre, sondern in die Luftröhre, kommt es beim gesunden Menschen zu reflexartigem Räuspern oder Husten. Gelingt es dadurch nicht, den Fremdkörper zu entfernen, kann der dahinter liegende Anteil der Lunge nicht belüftet werden. Ist ein größerer Luftweg verschlossen, kann es zu Erstickungsanfällen kommen.

Beim Verbleib des Fremdkörpers oder bei einer Reizung der Schleimhäute kann es zu einer Lungenentzündung oder/und Atelektasen (kollabierter Teil der Lunge, der wenig oder keine Luft enthält) kommen.

1.1.1 Hinweise auf eine mögliche Gefährdung

Speichel und/oder Speisereste fließen aus dem Mund

Vermehrte Ansammlung von Speichel im Mund

Ansammlung von Speiseresten im Mund

Häufiges Verschlucken, Husten

Fehlender Hustenreflex

1.1.2 Gefährdete Personengruppen

Ältere Pflegeempfänger (schwächere Reflexe)

Bewusstseinseingeschränkte Pflegeempfänger (schwächere Reflexe)

Pflegeempfänger mit neurologischen/muskulären Erkrankungen (Schluckstörungen)

1.1.3 Ursachen

(Operative) Veränderungen im Mund-, Hals- oder Speiseröhrenbereich, die die Sensibilität einschränken oder Schmerzen beim Schluckvorgang hervorrufen

Einschränkungen der Mund- oder Rachensensibilität (Bewusstseinsstörungen, Erkrankungen, z. B. Apoplex)

Einschränkungen der Zungenbeweglichkeit (z. B. nach einem Apoplex)

Einschränkungen des Schluckvorgangs (z. B. nach einem Apoplex)

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Risikofaktoren

Bewusstseinsstörungen, -einschränkungen

Medikamente

Drogen

Verwirrtheit

Apoplex (Schlaganfall)

Neurologische Erkrankungen:

Morbus Parkinson (Schluckverzögerung, dadurch scheinbar vermehrter Speichelfluss)

ALS (Schluckverzögerung, dadurch scheinbar vermehrter Speichelfluss)

Multiple Sklerose (Sensibilitätsstörungen, Schluckstörungen)

Flachlagerung

1.2Prophylaxe

1.2.1 Ziele

Frühzeitiges Erkennen der Symptome

Verhinderung einer Aspiration

1.2.2 Maßnahmen

Oberkörperhochlagerung (nach dem Essen für ca. 20 Minuten beibehalten)

Bei der Nahrungsaufnahme nicht allein lassen

Bei der Nahrungsaufnahme Zeit lassen, Pausen einlegen, nicht drängeln

Speisen entsprechend der Schluckfähigkeit des Pflegeempfängers zubereiten: Breiige Kost kann besser als flüssige Kost geschluckt werden, krümelige Kost (Kekse etc.) vermeiden

Vor der nächsten Gabe Schluckvorgang abwarten

Nach den Mahlzeiten evtl. Essensreste aus der Mundhöhle entfernen

Mundpflege nur mit wenig Flüssigkeit

Schluckreflex und effizienten Hustenstoß von Logopädin oder geschultem Personal trainieren lassen

Vor dem Husten tief einatmen lassen

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Info

Beachten Sie: Auch bei Sondenkost kann es zu einer Aspiration kommen!

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Weitere wichtige Prophylaxen

1.Soorprophylaxe (Speisereste im Mund sind Nahrungsgrundlage für Pilzbefall)

2.Dehydratationsprophylaxe (mangelnde Flüssigkeitszufuhr aufgrund von Schluckproblemen)

3.Pneumonieprophylaxe (aspirierte Nahrungsbestandteile können zu einer Lungenentzündung führen)

2.1Grundlagen

Beim gesunden Menschen können durch die körpereigene Abwehr keine Keime in das Harnsystem eindringen und eine Erkrankung hervorrufen.

Harnwegsinfekt: Entzündung der Schleimhaut der Harnwege (Harnröhre, -blase, -leiter, Nierenbecken).

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Abb. 2: Übersicht über das Harnsystem.

2.1.1 Symptome

Starke Schmerzen im Blasenbereich, bei starken Entzündungen bis in die Lendengegend und die Oberschenkel

Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen

Häufiger Harndrang mit geringen Urinportionen

Blasenkrämpfe

Trüber, übel riechender Harn, kann Blutanteile enthalten

2.1.2 Gefährdete Personengruppen

Frauen: kurze Harnröhre, Nähe der äußeren Harnröhrenöffnung zur Analregion; häufiger Geschlechtsverkehr kann zu einer mechanischen Irritation aufgrund der unmittelbaren Nähe der Vagina zur Harnröhrenmündung (»Honeymoon-Cystitis«) führen

Desinfizierende Intimhygiene (Zerstörung der Hautflora)

Pflegeempfänger mit einer Einengung im Bereich der Harnröhre mit Restharnbildung (Prostatavergrößerung; erhöhtes Infektionsrisiko)

Pflegeempfänger mit Diabetes mellitus (Zucker im Urin, Restharn s. Risikofaktoren)

Pflegeempfänger mit einem Blasenverweilkatheter

Pflegeempfänger nach einer Blasenspülung oder Blasenspiegelung

Pflegeempfänger mit einer Abwehrschwäche

Einnahme von Antibiotika (vermehrter Pilzbefall durch die Zerstörung der Intimflora)

2.1.3 Komplikationen

Nierenbeckenentzündung

Entzündung der Nebenhoden

2.1.4 Ursachen

Darmbakterien

Falsche Analhygiene (Wischrichtung von hinten nach vorn)

Sexualpraktiken, die Darmbakterien in die Scheide und die Region der Harnröhrenmündung bringen

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Risikofaktoren

Kälte: mangelnde Durchblutung der Schleimhäute und verminderte körpereigene Abwehr

Harnstau oder Restharn in der Blase (Nährboden für Keime)

Diabetes mellitus (erhöhter Zucker im Harn = Nährboden für Keime)

Cystitis: Entzündung der Blase. Eine relativ häufige Erkrankung, wobei Frauen besonders gefährdet sind, denn die Nähe von Harnröhrenöffnung und After begünstigt eine aufsteigende Infektion in die Blase und das Nierenbecken. Auch bei Pflegeempfängern mit Katheter besteht eine erhöhte Gefahr für eine Cystitis.

Pyelonephritis: Nierenbeckenentzündung, austeigende Keime gelangen in ein Nierenbecken

Urethritis: Isolierte Entzündung der Harnröhre

2.2Prophylaxe

Ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Sorgfältige Intimhygiene

Sexualhygiene (nach der Penetration Blase entleeren)

Katheterpflege

Urinal

Mit Hautkleber fixieren

Urinkatheter

Den äußeren Anteil vorsichtig mit Wasser und Seife reinigen

Vor und nach jeder Manipulation am Katheter sollte eine Händedesinfektion erfolgen

Geschlossene Harnableitungssysteme mit Ablassvorrichtung mindern das Aufsteigen von Keimen

Urinauffangbeutel immer unterhalb des Blasenniveaus befestigen, um den Harnabfluss zu sichern

Regelmäßiger SPF (suprapubischer Fistelkatheter) -Verbandswechsel

Einstichstelle und das umgebende Hautareal regelmäßig kontrollieren

Befindet sich der Stichkanal im Bereich der Schambehaarung, ist eine regelmäßige Rasur, die in erster Linie Verletzungen von Haarbälgen beim Lösen von Pflasterverbänden vermeidet und damit einer Haarwurzelentzündung vorbeugt, unabdingbar. Außerdem sind die Verbandswechsel erheblich schmerzfreier

Krusten und Beläge, die sich an Stichkanal und Katheter gebildet haben, werden mit physiologischer Kochsalzlösung gelöst und anschließend entfernt

Zwei um 180 Grad gegeneinander versetzte Schlitzkompressen, 5 × 5 Zentimeter groß (plus eine Kompresse), decken die Punktionsstelle ab. Ein hautfreundliches Pflaster fixiert den Verband auf der Haut und sichert den Katheter gegen unbeabsichtigte Lageveränderungen

Verbandswechsel sollten zweimal wöchentlich erfolgen

Intermittierender Selbstkatheterismus statt Dauerkatheter

3.1Grundlagen

Der menschliche Körper besteht etwa zu 50 % aus Wasser. Alle chemischen Reaktionen des menschlichen Körpers spielen sich im oder mithilfe von Wasser ab. Die Aufnahme von Wasser erfolgt über Getränke, Nahrungsmittel und das bei der Verbrennung von Nährstoffen im Körper entstehende sogenannte »Oxidationswasser«.

Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von ca. zwei Litern täglich dient allen chemischen Reaktionen im Körper, dem Transport von Nährstoffen, der Nierenfunktion, dem Erhalt des Blutdrucks, der Einhaltung der Körpertemperatur und vielem mehr.

Die Abgabe des aufgenommenen Wassers erfolgt über Urin, Kot, Schweiß und über die Anfeuchtung der Atemluft. Als Dehydratation bezeichnet man den Entzug von Wasser1. Eine Exsikkose ist die »Austrocknung des Körpers bei starkem Flüssigkeitsverlust (z. B. bei Erbrechen oder Durchfall)«.2 Viele ältere Pflegeempfänger haben ein reduziertes Durstgefühl oder trinken wenig, um den Toilettengang zu vermeiden.

3.1.1 Symptome

Hautspannung: Es kommt zu einem Elastizitätsverlust, eine gebildete Hautfalte bildet sich nur langsam zurück. Bei älteren Menschen kommt dies oft auch aufgrund von mangelndem Unterhautfettgewebe vor, bei adipösen Pflegeempfängern ist dies nicht immer als Anzeichen verwertbar.

Austrocknung der Mundschleimhaut: Die Speichelproduktion nimmt ab, dies führt zu einer trockenen Zunge, Borkenbildung, Einrissen und Schluckstörungen

Urinausscheidung: Die Urinproduktion der Nieren wird aufgrund von Flüssigkeitsmangel und niedrigem Blutdruck eingeschränkt, der Urin ist dunkel und konzentriert

Blutdruck: Der Flüssigkeitsmangel führt zu einem sinkenden Blutdruck, als Folge erhöht sich der Puls

Bewusstseinseintrübungen: niedriger Blutdruck, Vergiftung durch eine Konzentrationserhöhung von Stoffwechselprodukten im Blut, die nicht über den Urin ausgeschieden werden konnten

Stuhlverhalt (Obstipation): Der Stuhl wird eingedickt und ist hart

Eine Dehydratation entwickelt sich oft langsam, die Symptome können erst recht spät erkannt werden. Bei einem größeren, längeren Flüssigkeitsmangel kann es bis zum Funktionsverlust von Organen kommen, ohne dass die Gefahr erkannt wird. Gerade bei älteren Menschen mit einem oft verminderten Durstgefühl entsteht schnell eine lebensbedrohende Situation (Kollaps, Nierenversagen, Delirium, Koma).

3.1.2 Gefährdete Personengruppen

Ältere Pflegeempfänger (mangelndes Durstgefühl)

Bewusstseinseingeschränkte Pflegeempfänger

Pflegeempfänger mit neurologischen/muskulären Erkrankungen (Schluckstörungen)

Pflegeempfänger mit Diabetes (erhöhte Ausscheidung)

3.1.3 Folgeerkrankungen

Nierenversagen (aufgrund des Flüssigkeitsmangels kommt es zur Funktionseinschränkung)

Thrombose (aufgrund des Flüssigkeitsmangels kommt es zu einer erhöhten Viskosität (Verdickung) des Blutes und damit zu einer Verringerung der Fließgeschwindigkeit)

Apoplex (s. Thrombose)

3.1.4 Ursachen

Mangelnde Flüssigkeitsaufnahme

Eingeschränktes Durstgefühl, besonders bei älteren Menschen

Angst vor unkontrolliertem Urinverlust

Schluckstörungen

Fieber, Durchfall, starkes Erbrechen (hoher Flüssigkeitsverlust, Nierenerkrankungen)

Schlecht eingestellter Diabetes (erhöhte Ausfuhr)

U. U. fehlender Lebenswille

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Risikofaktoren

Hohes Alter

Bewusstseinsstörungen

Schluckstörungen

Inkontinenz

Diuretika (harntreibende Medikamente)/Laxantien (Abführmedikamente)

3.2Prophylaxe

3.2.1 Ziele

Ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Aufrechterhalten eines ausreichend hohen Blutdrucks

Verhinderung von Folgeerkrankungen

3.2.2 Maßnahmen

Pflegeempfänger über die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme informieren

Pflegeempfänger motivieren ausreichend zu trinken: Nach Trinkvorlieben fragen

Gemeinsam einen Trinkplan erstellen (Flüssigkeitsbilanzierung)

Flüssigkeitszufuhr nur langsam steigern

Für Abwechslung bei den Getränken sorgen

Für saubere Trinkgefäße (gern eigene) sorgen (keine gefärbten Kunststoffbecher)

Bereitstellen des Tagesbedarfs der zu trinkenden Flüssigkeiten

Getränke in Griffnähe stellen

Bei körperlichen Einschränkungen für Abhilfe sorgen (Trinkbecher, Strohhalm etc.)

Immer wieder zum Trinken animieren, evtl. andere Pflegeempfänger auffordern, mit auf die Einfuhr zu achten

Für Schmerzfreiheit sorgen

Für eine ausreichende Inkontinenzprophylaxe sorgen

Regelmäßige Blutzuckerkontrollen

Haut- und Schleimhautkontrolle

_________________

1Ebd., S. 221

2Ebd., S. 280

4.1Grundlagen

Der gesunde Mensch bemerkt Mangeldurchblutungen der Haut zunächst als Kribbeln. Er ändert deshalb seine Lage, um diesem unangenehmen Gefühl zu entgehen. Dies funktioniert unbewusst auch im Schlaf. Doch viele bettlägerige oder bewegungseingeschränkte Pflegeempfänger können dem unangenehmen Druck nicht mehr ausweichen. Vielfach spüren sie ihn nicht einmal mehr.

Als Dekubitus (lat. »decubitum = daniederliegen«3) wird eine Verletzung der Haut bzw. der Haut und der darunter liegenden Gewebe aufgrund einer Mangeldurchblutung und der dadurch resultierenden Mangelernährung des Gewebes bezeichnet. Genau diese Mangeldurchblutung tritt auf, wenn Menschen längere Zeit bewegungslos auf derselben Stelle sitzen oder liegen.

Ursachen des Dekubitus sind ein erhöhter Druck oder Scherkräfte, die eine ausreichende Blutversorgung der Haut mit Sauerstoff und Nährstoffen verhindern. Bei einer längeren Unterversorgung kommt es zu einem Absterben der betroffenen Hautareale. Je nach Höhe des Drucks, der zeitlichen Belastung und der Empfindlichkeit des betroffenen Gewebes kommt es zu unterschiedlich tiefen Verletzungen der Haut bis hin zu faustgroßen »Löchern«.

4.1.1 Symptome

Einteilung nach W. O. Seiler

Stadium 1: Nicht wegdrückbare, umschriebene Hautrötung bei intakter Haut. Weitere klinische Zeichen können Ödembildung, Verhärtung und eine lokale Überwärmung sein.

Stadium 2: Teilverlust der Haut. Der Druckschaden ist oberflächlich und kann sich klinisch als Blase, Hautabschürfung oder flaches Geschwür (Oberflächenzerstörung durch Gewebszerfall an Haut und/oder Schleimhaut) darstellen.

Stadium 3: Verlust aller Hautschichten mit Schädigung (tiefes, offenes Geschwür) oder Nekrose (abgestorbenes Gewebe) der Unterhaut, die bis auf, aber nicht unter den darunter liegenden Muskel reichen kann.

Stadium 4: Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen, Sehnen oder Gelenkkapseln.

4.1.2 Gefährdete Personengruppen

Pflegeempfänger mit

Durchblutungsstörungen (Mangelversorgung)

Empfindungsstörungen (fehlende Schutzreflexe)

Bewusstseinsstörungen (fehlende Schutzreflexe)

Adipositas (erhöhter Druck auf den belasteten Hautarealen)

einer Kachexie (starke Abmagerung, fehlendes Unterhautfettgewebe als Polster)

einer Kortisontherapie (u. a. Verhinderung der Bildung von Stützgewebe)

einem Eiweiß- und Vitamin-C-Defizit (Eiweißmangel verstärkt die Wirkung körpereigenem und fremdem Kortisons und führt zu Ödemen; Vitamin C wird zum Aufbau von Stützgewebe der Haut benötigt)

höherem Lebensalter (u. a. verliert das Bindegewebe seine Elastizität und der Muskeltonus lässt nach)

abnehmender Mobilität (häufiges Sitzen) und altersbedingten Erkrankungen

4.1.3 Gefährdete Hautpartien

Rückenlage: Hinterkopf, Ellenbogen, Schulterblatt, Kreuzbein, Steißbein, Fersen, Zehenspitzen

Seitenlage: Ohrmuschel, Schulter, Ellenbogen, Darmbeinkamm, Trochanter, Knie außen/innen, Fußaußenkante und -knöchel, Fußinnenknöchel

Im Sitzen: Ellenbogen, Sitzbeinhöcker, Ferse

Auch an Körperstellen, die bei Alltagsaktivitäten besonders belastet werden, zum Beispiel die Hände eines Rollstuhlfahrers, können sich Druckgeschwüre entwickeln.

Besonders gefährdet ist die Haut, wenn sie durch Schweiß, Wundsekrete, Urin oder Stuhl ständig feucht ist. Die Haut weicht auf und verliert einen Teil ihrer Schutzfunktion.

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Abb. 3: Schematischer Schnitt der Haut mit der Verteilung der Rezeptoren für die Oberflächensensibilität.

4.1.4 Ursachen

Individuell

Rauchen (Gefäßverengungen)

Bewegungseinschränkungen durch Schienen, Verbände, Lähmungen, Bettlägerigkeit

Reduzierter Allgemeinzustand, Über-/Untergewicht

Verminderte Elastizität der Haut, reduzierter Schutz bei Fieber

Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes mellitus

Empfindungs-(Sensibilitäts-)störungen wie Lähmungen, Verletzungen

Herzerkrankungen

Gefäßerkrankungen, z. B. Arteriosklerose

Bewusstseinsstörungen: Benommenheit, Somnolenz, Koma, Narkose

Medikamente: Schmerzmittel können Sensibilität abschwächen, die zu einer rechtzeitigen Druckentlastung führen würde. Beruhigungs-/Schlafmittel können zu vermehrter Schläfrigkeit führen und die Mobilität/Sensibilität beeinträchtigen. Kreislaufwirksame Medikamente können zu einer peripheren Gefäßverengung mit einer Unterversorgung führen

Inkontinenz

Allgemein

Falten im Laken

Nicht gepolsterte Bettgurte

Schläuche aller Art, Katheter, Drainagen etc.

Gegenstände wie Kämme, Kugelschreiber, die im Bett liegen bleiben

Schlecht sitzende Schuhe und einschnürende Kleidung (Gummibänder!)

Zu lange Dauer der Belastung

4.2Prophylaxe

4.2.1 Ziel

Vermeidung von Durchblutungsstörungen und weiteren Hautschäden. Es gibt verschiedene Tabellen zur Einschätzung eines Dekubitusrisikos, sie gelten heute aber meist als zu wenig individuell.

4.2.2 Maßnahmen

Mobilisation (nicht gegen den Willen des Pflegeempfängers!)

Zweistündliche Lagewechsel (30-/90-Gradlagerungen gelten wegen der Trochanterbelastung (Oberschenkel) als veraltet), bei besonderer Gefährdung muss noch häufiger gelagert werden

Sitzposition mit 130 Grad zurückgelegter Lehne (größere Sitzfläche)

Pflegeplan

Antidekubitusmatratzen zur Verlängerung des Lagerungsintervalls

Mikrolagerung

Freilagerung

Hautpflege mit W/Ö Präparaten, keine Salben, Pasten, Puder, Seifen etc.

Inkontinenzpflege

Mindestens einmal täglich Hautinspektion und Dokumentation

Ernährung optimieren: eiweiß-, mineralstoff- und vitaminreiche, ausreichende Ernährung, genügend Flüssigkeit

Mobilisation, Bewegungsübungen: passiv oder aktiv

Klingel in erreichbarer Nähe

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Was Sie nicht verwenden sollten

Felle (die Fellfasern werden unter Belastung zusammengepresst und bieten so keine gleichmäßige Druckverteilung) – nur auf persönlichen Wunsch des Pflegeempfängers

Fellkappen für Ellenbogen und Fersen (s. o.)

Wasserkissen (keine gleichmäßige Druckverteilung, zu unflexibel)

Gummiringe (s. o.)

Schaumstoffmatratzen (keine gleichmäßige Druckverteilung)

Eisen und Föhnen (Gefahr der Überhitzung, Verkeimung)

Einreibungen mit rein alkoholhaltigen Lösungen (die Haut wird entfettet)

Massagen, ätherische Öle oder Cremes haben keinen nachgewiesenen anhaltenden Effekt auf die Hautdurchblutung)

4.2.3 Häufige Fehler

Lagerungsintervall zu lang (mit Antidekubitusmatratzen max. vier Stunden, sonst nur zwei)

Falsche Lagerungstechnik mit punktueller Druckbelastung (z. B. 90-Grad-Lagerung)

Faltenbildung in Laken

Drainagen, Kabel unter der Haut

Bettlaken bei Spezialmatratzen straff aufgezogen (die gewünschte Druckverteilung/-entlastung durch die Matratze wird aufgehoben)

Nicht atmungsaktives, aufsaugendes Lagerungsmaterial (Hautschäden)

Falsche oder zu viele, die Beweglichkeit einschränkenden Lagerungshilfsmittel

Einreibungen (alkoholhaltig), die die Haut austrocknen

Puder (führen zu Verklumpungen)

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Weitere wichtige Prophylaxen

Dehydratationsprophylaxe

Kontrakturenprophylaxe

Inkontinenzprophylaxe

_________________

3Ebd., S. 222

5.1Grundlagen

Als Deprivation werden hier Zustände der Entbehrung, eines Entzuges oder der Isolation von etwas Vertrautem, eines Verlustes, eines Mangels oder das Gefühl einer (sozialen) Benachteiligung bezeichnet. Im Allgemeinen ist Deprivation ein Mangel an äußeren Reizen, durch den es zu einer ungenügenden Bedürfnisbefriedigung beim Pflegeempfänger kommt.

Deprivation wird in drei Formen eingeteilt, die jedoch in der Regel nie allein auftreten, sondern sich teilweise gegenseitig bedingen.

1.Sensorische Deprivation (Fehlende Sinneseindrücke)

2.Soziale oder relative Deprivation (Fehlende soziale Kontakte)

3.Kognitive Deprivation (Fehlen geistiger Anregungen)

5.1.1 Symptome

Sensorische Deprivation

Verändertes Geschmacks- und Geruchsempfinden

Nachlassendes Hörvermögen

Verschlechterung des Sehvermögens Längere sensorische Deprivation kann zu Persönlichkeitsveränderungen, psychischen Schäden, Störungen des Hunger-Sättigungs-Gefühls, verstärkter Beeinflussbarkeit, Schlafstörungen führen, Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Menschen können auftreten. Es kann sogar zu Veränderungen des Stoffwechsels kommen

Soziale Deprivation

Rückzug aus dem sozialen Leben

Desinteresse an der Umgebung

Vernachlässigung der eigenen Körperpflege (dadurch Hautveränderungen: Pilz, Mazeration)

Alkoholismus

Vermüllung der Wohnung (Messie-Syndrom)

Tabletten-/Drogensucht

Depressionen bis hin zu Suizidgefahr

Kognitive Deprivation

Emotionale Verflachung, fehlender Antrieb

»Selbstbeschäftigung«: Nesteln, ständiges Singen, Summen, gleichartige, sich wiederholende Bewegungen

Es kann bis zu akuten Verwirrtheitszuständen, Depressionen oder geistigem Abbau kommen

5.1.2 Gefährdete Personengruppen

Pflegeempfänger mit Störungen der Sinneswahrnehmungen

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690004
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Gesundheitslexika & Medikamentenratgeber Altenpflege Pflege Wörterbücher & Nachschlagewerke Beschäftigen

Autor

  • Kay Peter Röpke (Autor:in)

Kay Peter Röpke ist Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin, Dozent für die Ausbildung von Pflegehelfern und Ausbilder für Erste Hilfe.
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Titel: Prophylaxen für die Pflegepraxis